Meningeome bei Hunden und Katzen –

Intrakranielle Tumore mit guten Therapieoptionen

Dr. med. vet. Elisabeth Reinbacher

Meningeome sind häufige intrakranielle Tumore bei älteren Hunden und Katzen. Dr. med. vet. Gabriele Gradner, Dipl.ECVS, Chirurgin an der Abteilung für Kleintierchirurgie der Vetmeduni Vienna, hat sich auf ein sehr spannendes Gebiet spezialisiert: Sie operiert Meningeome – und gibt dem Vetjournal einen Einblick in ihre Arbeit.

„Meningeome sind langsam wachsende, extraaxiale ­Tumore, das heißt, sie wachsen nicht im Gehirnparenchym selbst, sondern zwischen dem Gehirn und den Hirnhäuten, von welchen ausgehend diese Tumore auch ihren Ursprung haben“, erklärt Dr. Gradner einführend und geht gleich weiter ins Detail: „Meningeome stammen aus den Cap-Zellen der Arachnoidea, der Spinnwebenhaut, die sich unkon­trolliert vermehren und in weiterer Folge das Gehirngewebe verdrängen.“ Derzeit werden diese Tumore pathohistologisch in drei Grade eingeteilt, wobei die WHO aktuell zur Etablierung von nur zwei Graden tendiert.

„Die meisten Meningeome beim Kleintier sind per se nicht bösartig, doch wenn ein benigner Tumor in einem beschränkten Raum wächst, kann er natürlich erheblichen Schaden anrichten, vor allem, wenn es sich um ein so multifunktionelles Organ wie das Gehirn handelt. Katzen haben häufig ein gut abgegrenztes ­pathohistologisch klassifiziertes Grad-1-Meningeom, welches nicht invasiv wächst; seltener kommt bei dieser Tierart ein invasiv wachsendes Grad-2-­Meningeom vor. Bei Hunden ist wiederum die invasivere Form die häufigere. Dieser tierartliche Unter­schied führt dazu, dass der chirurgische Therapie­erfolg bei Katzen besser ist als bei Hunden und bei ­Letzteren meist nach der Operation zu einer zusätzlichen Bestrahlung ­geraten wird“, erläutert Dr. Gradner.

Auch bei Katzen hängt die Empfehlung zur postoperativen Radiotherapie von der Invasivität und dem pathohistologischen Befund des Tumors ab. Weiters ergänzt die Chirurgin: „Außerdem kommt hinzu, dass es Lokalisationen gibt, wo ich die Richtlinien der Tumorchirurgie nicht einhalten kann. Wenn ich beispielsweise trotz Entfernung der Dura mater und des Schädelknochens nicht sicher sein kann, dass keine Tumorzellen verbleiben, dann würde ich auch zur ­anschließenden Strahlentherapie raten.“

Die Empfehlung der Kombination aus Operation und Bestrahlung wird auch ausgesprochen, wenn sich ein Rezidiv des Tumors entwickelt, was bei 20 bis 25 Prozent der ­Katzen innerhalb von zwei bis vier Jahren nach der ersten Operation passiert. Bezüglich der Therapieempfehlung auf Grundlage der pathohistologischen Klassifikation betont Dr. Gradner, dass in der Humanmedizin zurzeit alles in Richtung epigenetischer Erforschung dieser Tumore geht, um Rezidive besser verstehen, prognostizieren und auch verhindern zu können.

Gehen wir zurück zum Anfang: Mit welchen Symptomen werden Tiere mit Meningeomen beim Tierarzt vorgestellt? „Nachdem die Tiere nicht wegen Kopfweh zum Tierarzt kommen, haben die meisten Tiere bereits einen erhöhten Gehirndruck und damit verbundene neurologische Symp­tome“, so die Spezialistin. Laut Dr. Gradner können die Symptome vielfältig sein; Verhaltensänderungen, Ataxie, Blindheit und vor allem epileptiforme Anfälle sind sicher die häufigsten. Ältere Tiere, welche zentralnervale Symptome zeigen, sollten immer einer Schnittbilduntersuchung unterzogen werden, um Tumore ausschließen zu können. „Besonders oft kommen Meningeome im cranialen Bereich vor, was damit zusammenhängt, dass hier die ­arachnoidalen Cap-Zellen in höherer Dichte vorkommen. Prinzipiell können diese Tumore aber überall im Kopf oder auch an der Wirbelsäule entstehen“, berichtet die Neurochirurgin. Zur Diagnosestellung ist ein Schnittbildverfahren nötig, ­Computertomografie und/oder Magnetresonanztomo­grafie werden hier eingesetzt.

Dr. Gradner erörtert, dass sie idealerweise beide Schnittbilduntersuchungsverfahren anwendet, da sie im CT die knöchernen Anhaltspunkte und im MR die Weichteil­gewebe und somit die Infiltrativität des Tumors, mögliche Ödembildung beziehungsweise eine Kleinhirnherniation besser sehen kann. Außerdem können Meningeome nicht nur singulär, sondern auch multipel auftreten; auch das ist im MR gut sichtbar. Die knöchernen Anhaltspunkte sind für die Chirurgin sehr wichtig, da sie keine Möglichkeit der Neuronavigation (computergestütztes Operations­verfahren, das die räumliche Orientierung während des Eingriffs ermöglicht, Anm. d. Red.) hat.

„Ich suche mir bestimmte anatomische Punkte am Schädel, von denen ausgehend ich in der Planung und auch intra­operativ messe“, erklärt Dr. Gradner und fährt fort: „Differenzial­diagnostisch kommen hauptsächlich Granulome und histiozytäre Sarkome infrage – diese können in der Bildgebung meist nicht eindeutig voneinander unterschieden werden. Wir machen keine präoperativen Biopsien, sondern entfernen die Umfangsvermehrung und warten auf die histologische Diagnose. Meist ist es tatsächlich ein Meningeom. Ganz deutlich unterscheidbar mittels der Schnittbildgebung sind Meningeome aber von intraaxialen Tumoren (Tumore, die innerhalb der Neuroachse liegen, Anm. d. Red.), wie zum Beispiel Gliomen, welche sich aber manchmal wiederum nicht von entzündlichen Prozessen unterscheiden lassen, weswegen in solchen Fällen Biopsien genommen werden sollten.“                                                                                                                         

Meningeome bilden zwar selten Metastasen, da es sich allerdings meistens um ältere Tiere handelt, hat etwa ein Viertel der Patienten im Körper noch einen weiteren ­Tumor anderer Genese. Bei jedem Meningeom-­Patienten wird daher ein Staging mittels eines Thoraxröntgens und Abdomenultraschalls durchgeführt. Auf die Frage, ob denn jeder Gehirntumor operabel sei, weiß Dr. Gradner: „Zurzeit operieren wir keine intraaxialen Tumore. Diese wachsen direkt im Gehirnparenchym infiltrierend und sind zwar intraoperativ mit Kontrastmittel und Filter darstellbar, ohne Neuronavigation ist es aber nicht möglich, diese zu operieren, da man infiltrativ wachsendes Tumorgewebe makroskopisch schlecht von normalem Gehirngewebe abgrenzen kann. Außerdem gibt es auch Meningeome, welche direkt an der Schädelbasis liegen; auch diese werden nur bestrahlt.“ In Bezug auf die Option einer ­Chemotherapie sagt die Neurochirurgin, dass die Blut-Hirn-Schranke eine Barriere darstelle und diese Medikamente auch starke ­Nebenwirkungen haben können.

Wie kann man sich eine solche Operation vorstellen?

„Ich arbeite mit einer Lupenbrille mit 3,5-facher Vergrößerung, einem Spezialbesteck und einer Knochenfräse. Zuerst eröffne ich die Schädelhöhle, indem ich einen Knochenausschnitt mache; es handelt sich um eine Kraniektomie, das Knochengewebe wird komplett weggefräst, weil ja die Tumorzellen in diesem Bereich an der Schädeldecke selbst anhaften. Das Tumorgewebe wird mittels intravenös appliziertem floureszierendem Kontrastmittel sichtbar gemacht. Danach enukleiere ich den Tumor, das heißt, ich entferne so viel wie möglich aus dem Zentrum des Tumors heraus, damit ich mir Platz schaffe, um die Tumorkapsel, die am gesunden Gewebe anhaftet, herauszuschälen. Dieser Teil der Operation muss sehr sorgsam und vorsichtig gemacht werden, dafür brauche ich spezielle, ganz feine Pinzetten, Kauter und Tupfer, um so behutsam wie möglich arbeiten zu können. Wichtig ist, das gesunde Gewebe so wenig wie möglich zu manipulieren, da ist das Gehirnparenchym ­extrem sensibel. Ich verwende einen Ultraschallaspirator,  mit dem ich bei der Entfernung der Tumorkapsel sehr fein und genau arbeiten kann. Dieses Gerät vibriert, und ich kann gleichzeitig spülen und saugen, was eine sehr gewebeschonende Manipulation erlaubt. Um einer Ödem­bildung entgegenzuwirken, bekommen die Patienten bereits intra­operativ Mannitol und Methylprednisolon – viele Tiere ­haben bereits ein Ödem, welches durch die Manipulation und Entzündungsreaktion verschlimmert werden kann“, erklärt die Expertin ihre Operationstechnik detailliert.

Vetmed-Neurochirurgin Dr. Gradner erwähnt, dass sie mehr Katzen als Hunde operiert, und schildert: „Die Ur­sachen, warum circa 80 ­Prozent dieser Patienten Katzen sind, sind vielfältig. Das mag sicher mit der für Katzen besseren Prognose zusammenhängen, denn diese haben abgesehen davon, dass Meningeome bei dieser Tierart häufiger weniger invasiv wachsen und besser entfernt werden können, auch eine schnellere Rekonvaleszenzphase. Auch die Tumorgröße hat keinerlei Einfluss auf die Prognose – auch wenn Meningeome mehrere Zentimeter Durchmesser haben, können sie oft problemlos operiert werden.“ Die Chirurgin führt aus, dass selbst präoperativ gehunfähige Katzen meist innerhalb von Tagen nach der Operation wieder fit sind. Große Hunde ­hingegen ­brauchen oft zeit- und personalintensive postoperative ­Betreuung: „Da ist Durchhaltevermögen gefragt, und auch die Kosten sind für ein großes Tier viel höher“, so Dr. Gradner.

Was ist in der postoperativen Phase wichtig, welche Komplikationen können auftreten – und wie sieht die postchirurgische Betreuung aus?

„Die postoperative Betreuung erfolgt an der Universitätsklinik immer an der Intensivstation, denn diese Patienten brauchen Ruhe und intensive Überwachung. Ich setze jedem Tier einen Harnkatheter und meist auch eine Fütterungssonde und gebe postoperativ noch zweimalig Methylprednisolon, um das Risiko der Entstehung eines Gehirnödems zu minimieren. Die Tiere sollten in ganz ruhiger, kühler Umgebung mit Sauerstoffzufuhr und hochgelagertem Kopf von der Narkose aufwachen. Der Blutdruck und die Herzfrequenz werden auf der Intensivstation ganz engmaschig kontrolliert, um einen erhöhten Gehirndruck so früh wie möglich zu erkennen und mit Mannitol und Methylprednisolon zu stabilisieren. Eine weitere mögliche Komplikation ist eine Aspirationspneumonie, die in der Aufwachphase entstehen kann.“ Stress sollte jedenfalls vermieden werden. „Durch die Druckentlastung, die durch die Entfernung des Tumors entsteht, hat man meist eine sehr schnelle Verbesserung der Symptomatik. Doch vor allem schwere Hunde, die schon vor der Operation immobil waren, brauchen intensivere Unterstützung, um wieder mobilisiert zu werden. Bei Katzen wiederum staune ich immer wieder, wie schnell sie sich erholen“, sagt die Tierärztin. Treten keine Komplikationen auf, können die meisten Tiere innerhalb von drei bis fünf Tagen entlassen werden.

Zum weiteren Vorgehen nach der Entlassung der Tiere berichtet die Chirurgin: „Sollte eine Strahlentherapie geplant sein, bekommen die Tiere vier bis acht Wochen nach der Operation eine Schnittbildkontrolle, die auch gleichzeitig als Planungs-CT für die Bestrahlung genutzt wird. Ist keine weitere Therapie vorgesehen, empfehle ich eine Schnittbilduntersuchung nach sechs bis zwölf Monaten, um Rezidive frühzeitig erkennen zu können.“ Über die Prognose bezüglich der Überlebenszeit sagt Dr. Gradner, dass Katzen im Durchschnitt noch mehrere Jahre nach der Operation leben und dann meist an einer anderen Erkrankung sterben. „Meningeome betreffen ältere Tiere, welche dann diverse andere Erkrankungen entwickeln; das Meningeom selbst hat aber nach der Entfernung außer der Gefahr von Rezidiven eine sehr gute Prognose. Auch Rezidive können wiederum mittels OP und Bestrahlung gut behandelt werden. Bei Hunden, welche häufig ein infiltratives Wachstum haben, ist es im Schnitt nach der OP und Bestrahlung etwa ein Jahr Überlebenszeit.“ Last, but not least die Kosten: Die Operation und postoperative stationäre Phase kommt bei der Katze auf etwa 3.000 Euro, beim Hund gewichtsabhängig auf 4.000 bis 5.000 Euro; eine Bestrahlung schlägt mit 3.000 bis 4.000 Euro bei Indikation zusätzlich zu Buche.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass abgesehen vom diagnostischen, chirurgischen und anästhetischen Know-how die postoperative Überwachung auf der ­Intensivstation und die onkologische Expertise sehr wichtig sind. „Ich schätze es sehr, in so einem tollen Team aus Spezialisten ­arbeiten zu können, denn erst durch die Zusammenarbeit all dieser Fachgebiete können wir diese Patienten bestmöglich therapieren“, schließt Dr. Gradner anerkennend ab.


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