Liquiditätskrise durch Corona –

was tun?

Mag. Silvia Stefan-Gromen

Die Coronakrise stellt derzeit viele Unterneh­merInnen – und damit auch Tierarztpraxen – vor finanzielle Probleme und Engpässe. Wie man seinen Betrieb dennoch gut durch eine Liquiditätskrise steuert, erklärt Betriebswirtin Mag. Barbara Gamperl.

Frau Gamperl, Sie begleiten Tierärzte, um deren Praxis auf wirtschaftlich erfolgreiche Beine zu stellen. Was ist in der derzeitigen Krisensituation zu beachten – und werden Ihrer Einschätzung nach staatliche Finanzspritzen reichen?
Die Coronakrise hat neben gravierenden gesundheitlichen Folgen auch wirtschaftliche Konsequenzen. Viele Unternehmen, kleinere und größere, sind in Bedrängnis geraten und kämpfen möglicherweise um ihre Existenz. Ein unerwarteter Ausfall der Einnahmen kann momentan auch jene Kollegen treffen, die gut aufgestellt sind. Die Regierung hat in den letzten Tagen viele Hilfspakete geschnürt, um die ersten finanziellen Einbrüche zu mildern. Wie diese Zahlungen aussehen, bestimmen die von der Regierung festgelegten Kriterien. Vermutlich sind diese Hilfszahlungen jedoch nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

Das bedeutet, dass es Gewinner und Verlierer geben wird?
Ja, es wird Gewinner und Verlierer geben. Zu welcher Seite wer gehören wird, entscheidet sich sehr kurzfristig – neben veterinärmedizinischem Wissen ist nun auch die Fähigkeit, über den Tellerrand zu schauen, gefragt. Einen Vorteil werden jene Tierärzte haben, die die Auswirkungen der Krise für die nächsten drei bis sechs Monate gut abschätzen können und entsprechende Maßnahmen setzen. Dies können sowohl proaktiv gesteuerte Marketingmaßnahmen sein, um die Umsatzrückgänge abzufedern, als auch die richtige Interpretation wichtiger betriebswirtschaftlicher Kennzahlen.

Was kann unmittelbar zur Verbesserung der Zahlungsfähigkeit beitragen? Können Sie uns ein paar SOS-Maßnahmen nennen?
Um die Liquidität und damit die Zahlungsfähigkeit zu sichern, empfehle ich Ihnen eine sofortige Analyse der Einnahmen- und Ausgabensituation. Ein erstes kurzes Aufatmen bringt in vielen Fällen das Prüfen der bereits erwähnten Förder- und Hilfsprogramme der Regierung. Ein Umsatzrückgang kann durch die eine oder andere Hilfszahlung abgefedert werden. Ein Anruf bei den Lieferanten bringt vielleicht Stundungsmöglichkeiten oder die Gelegenheit, in bereits bestehende Verträge einzugreifen. Stundungsmöglichkeiten bei diversen Behörden und geförderte Kredite sind im ersten Schritt möglicherweise auch hilfreich. Man darf jedoch nicht vergessen, dass gestundete Beträge langfristig gesehen dennoch gezahlt werden müssen. Weiters kann auch ein Blick in die Versicherungsunterlagen positive Überraschungen bringen, da eventuell ein Teil des Ausfalls versicherungstechnisch abgedeckt ist. Schließlich sind auch Kurzarbeit, Teilzeitarbeit oder Kündigungen Maßnahmen, die die Ausgaben senken können – um jedoch auch die mittel- und langfristigen Auswirkungen davon abschätzen zu können, muss man sich diese Szenarien im Detail ansehen.

Welche Maßnahmen sollten Tierärzte nun bei ihrer Zukunftsplanung berücksichtigen?
Mittel- und langfristig gesehen werden jene Tierärzte gut durch die Krise kommen, die immer in Kontakt mit ihren Zahlen sind und daraus die richtigen Maßnahmen ableiten. Dabei gilt es, vier Bereiche zu betrachten: Ihre Buchhaltung, die Fixkosten, die Verschuldung bzw. Behördenzahlungen und den betrieblichen Umsatz. Man braucht einen Überblick über die Buchhaltung, die grundsätzlich keine Hexerei ist. Wenn Sie diese regelmäßig machen und eine gewisse Struktur einhalten, ist das Führen der Buchhaltung absolut kein Kraftakt. Bleiben Sie in Kontakt mit Ihren Zahlen – Sie sollten ganz genau wissen, wie viel an Einnahmen und wie viel an Ausgaben Sie haben. Sie sollten auch nachvollziehen können, wie viel Vorsteuer respektive Umsatzsteuer angefallen ist. Und Sie sollten auch finanzielle Troubles im Blick haben beziehungsweise wissen, ob Sie ohne Bedenken eventuell auch investieren können. Dies alles geht nur, wenn Sie zumindest monatlich wissen, wie viel Ihnen übrig geblieben ist.

Was muss man bei den Fixkosten beachten?
Die Fixkosten sollte man sich in einem wöchentlichen Rhythmus ansehen. Das sind jene Kosten, die auch anfallen, wenn Sie keine Umsätze haben, und die in Krisenzeiten besonders wehtun. Die Zahlungen dieser Kosten können Sie einfach in einer Excel-Tabelle auflisten. So können gleich unnötige Ausgaben identifiziert und – wenn nötig – die betreffenden Verträge sofort gekündigt werden. Sie wissen dann auch, welchen Polster Sie zukünftig aufbauen müssen, um die nächste Krise besser zu überstehen. Bei der Höhe des Polsters scheiden sich die Geister; ich empfehle, mindestens drei Monate Umsatz zur Seite zu legen.

Wie kann man einen Überblick über offene Kreditsummen und zu erwartende Zahlungen an Banken, Sozialversicherung, Finanzamt und andere Behörden bekommen?
Die Mehrzahl der Tierärzte hat einen Kredit laufen, und ich habe die Erfahrung gemacht, dass viele Kolleginnen und Kollegen nicht genau über die Kredithöhe Bescheid wissen oder ad hoc nicht sagen können, wann die aktuelle Rate fällig wird. Zudem ist es auch schwer, einen Überblick darüber zu behalten, in welcher Höhe Vorsteuern anfallen und wann und in welcher Höhe die nächste Umsatzsteuerzahlung fällig ist. Mittels einer Übersicht auf einer A4-Seite, die monatlich aktualisiert wird, kann man den Überblick behalten und jeglichen Zahlungen gelassen entgegensehen. Da die Umsatzsteuer ein Durchlaufposten ist, empfehle ich, diese Beträge gleich auf einem Nebenkonto zu parken und nicht auf dem Geschäftskonto zu belassen.

Und was kann man auf der Einnahmenseite tun?
Nicht nur die Analyse der Kosten bringt den einen oder anderen Aha-Moment, auch die Umsätze verraten viel über die nächsten Schritte in die Zukunft. Man muss sich die Preisgestaltung genau ansehen und auch unterschiedliche Patientengruppen definieren. Anhand dieser kann man auch gezieltere Marketingmaßnahmen setzen. Durch Zusatzangebote oder -produkte kann man nicht nur die Kunden besser betreuen, sondern auch den Umsatz steigern.

Zur Person: Mag. Barbara Gamperl ist studierte Betriebswirtin und hat sich auf die wirtschaftliche Begleitung von Tierärzten und Gründern von Tierarztpraxen spezialisiert. In persönlichen Beratungen schreibt sie Finanz-konzepte, Businesspläne und unterstützt bei Finanzierungen und Bankgesprächen. Als Ansprechpartnerin für alle Fragen rund um finanziell sorgenfreie Praxisführung begleitet sie Tierärzte in unternehmerischen Belangen.

www.barbaragamperl.at