Lebensmittelhygiene beim Fleisch:

Schnittstelle von Technologie, Forschung und Veterinärmedizin

Lisa Reichenauer

Die moderne Fleischindustrie ist täglich mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert, insbesondere, wenn es darum geht, hygienische Standards während des gesamten Produktionsprozesses aufrechtzuerhalten. Die Sicherstellung einer angemessenen Hygiene bei der Fleisch­verarbeitung und -vermarktung gewinnt dabei immer mehr an Bedeutung, und mit ihr auch die Rolle der Veterinärmedizin im Lebensmittelsektor. Für den Fachtierarzt für Lebensmittelhygiene Prof. Dr. Ahmad Hamedy von der Veterinärmedizinischen Fakultät an der Universität Leipzig sind Tierärzte ein zentraler Faktor in der Lebensmittelwertschöpfungskette: „Wir überwachen die Gesundheit der Nutztiere und arbeiten eng mit Landwirten, Schlachthöfen und Lebensmittelunternehmen zusammen, um sicherzustellen, dass die Tiere angemessen gehalten, transportiert, geschlachtet und verarbeitet werden. Wir führen auch Stichprobenuntersuchungen von Schlachttierkörpern und Endprodukten durch, um die Qualität und Sicherheit der Fleischerzeugnisse zu überprüfen. Damit umfasst unsere Tätigkeit den gesamten Bereich der Fleischhygiene“, so der aus Syrien stammende Veterinärmediziner, der sich seit Jahren intensiv mit dem Bereich der Fleisch- und Schlachttechnologie und den damit verbundenen Hygienestandards beschäftigt.

Um etwa mögliche Kontaminationen mit ­pathogenen Mikro­organismen in der Lebensmittelproduktion zu vermeiden, bedarf es von der Tierhaltung über die Schlachtung bis hin zur Verarbeitung strenger Hygienevorschriften – immerhin entstehen die meisten lebens­mittelbedingten Infektionen beim Verzehr von mit Erregern infiziertem Fleisch und Fleischerzeugnissen. Die Kontamination kann dabei laut Prof. Dr. Hamedy in allen Stufen der Fleischlieferkette erfolgen, jedoch „passiert die primäre Kontamination über das lebende Schlachttier selbst. Dies kann als Folge einer Erkrankung oder häu­figer durch eine als Translokation bezeichnete Streuung von Mikroorganismen infolge von Stress vor (ante mortem) bzw. während der Schlachtung (intra mortem), z.  B. beim Transport, durch tierschutzwidriges Verhalten des Personals und die Betäubung, hervorgerufen werden. Zoonoseerreger, die latent bei Schlachttieren vorkommen können – etwa Salmonellen, Campylobacter und Yersinia beim Schwein, verotoxin­bildende Escherichia coli bei Wiederkäuern – können daher unbeanstandet in die Schlachttierkörper respektive ins Fleisch eindringen“, erläutert der Fachtierarzt für Lebensmittelhygiene.

Ein wesentlicher Aspekt in der Lebensmittelhygiene ist daher die Erforschung der Tenazität von Erregern, die dazu beiträgt, effektive Maßnahmen zur Vermeidung von Kontaminationen zu entwickeln. Prof. Dr. Hamedy hat sich bereits im Jahr 2017 mit diesem Thema auseinandergesetzt und eine Studie über die Tenazität von Mesozerkarien (DME*) in Wildfleisch durchgeführt. In dem vom deutschen Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft geförderten Forschungsvorhaben wurde infiziertes Wildfleisch durch unterschiedliche relevante fleischtechnologische Behandlungsverfahren (Chemikalien, Temperatur, Trocknung, Mikrowellen), die bei der Herstellung von Rohschinken und Würsten zum Einsatz kommen, auf die Widerstandsfähigkeit der Erreger untersucht. Die Ergebnisse zeigten, dass die Überlebens­fähigkeit von A.-alata-Mesozerkarien in infiziertem Fleisch sowie in Rohwürsten relativ gering ist. Lediglich unmittelbar nach der Herstellung waren vitale Mesozerkarien in Rohwurstprodukten feststellbar. Laut Prof. Dr. Hamedy zeigten zudem weitere In-vitro- und In-vivo-Versuche zur Tenazität der Mesozerkarien, dass die Larven oder das Entwicklungsstadium eines Saugwurms im Wildfleisch bis zu einer Kerntemperatur von 50  °C über­leben. In den Wildschweinfleischproben, die höheren Temperaturen ausgesetzt wurden (60  °C bis ca. 100  °C), sowie in Rohwurst und Rohschinken wurden hingegen keine lebenden Mesozerkarien mehr nachgewiesen. 

„Die bislang erfolgten Untersuchungen können jedoch nur einen ersten Hinweis auf die tatsächliche Widerstands­fähigkeit einzelner Isolate geben“, kommentiert Prof. Dr. Hamedy. Deshalb sei es zwingend erforderlich, weitere Daten, auch im Hinblick auf eine eventuelle rechtliche Implementierung von Behandlungsverfahren für die Brauchbarmachung von infiziertem Wildfleisch, zu gewinnen. „Aufgrund der erweiterten Datenlage und nach jetzigem Kenntnisstand empfiehlt das BfR die Hitzebehandlung als eine wirksame Methode zur Inaktivierung des DME in Wildschweinfleisch. Nach einer ausreichenden Erhitzung, 72  °C im Inneren für zwei Minuten, kann mit dem DME infiziertes Fleisch als gesundheitlich unbedenklich angesehen werden, da die Mesozerkarien durch den Erhitzungsprozess sicher abgetötet werden“, so der Mikrobiologe. 

Temperatur, Feuchtigkeit und pH-Wert sind daher entscheidende Faktoren, die die Tenazität beeinflussen. Gründliche Reinigung sowie Desinfektion von Geräten, Oberflächen und Umgebungen in Schlacht- und Verarbeitungsbereichen sind daher unerlässlich, um das Risiko ­einer Kontamination zu minimieren. So ist etwa neben einer ausreichenden Erhitzung auch die Kühlung von Fleischprodukten eine der wichtigsten lebensmittelhygienischen Maßnahmen. „Verschiedene Studien haben gezeigt, dass der Keimgehalt von Gefrierfleisch im Verlauf der Lagerung abnimmt – jedoch können die Dauer­formen der Bakterien, die Sporen, die Gefrier­temperatur in der Regel ohne Schaden überleben. Deshalb ist eine sachgerechte Gefrierlagerung die schonendste ­Methode der langfristigen Haltbarmachung von Fleisch und Fleischerzeugnissen“, so der Universitätsprofessor für Fleischhygiene.

Die Erkenntnis, dass die Sporen einiger pathogener Bakterienarten auch bei Temperaturen im Gefrierbereich zumindest teilweise Überlebenschancen zeigen, stellt Fleischproduzenten und Lebensmittelkontrollbehörden vor Herausforderungen. Die Erforschung von stressresistenten Mikroorganismen in der Lebensmittelproduktion wurde deshalb in den letzten Jahren intensiviert. Dabei konnte an einer Vielzahl von Bakterien festgestellt werden, dass Bakterienzellen sich an unterschiedlichste sub­letale Stressbedingungen anpassen können und somit ihre Überlebensfähigkeit verbessern. „In den letzten Jahren wurde sehr viel an den bakterienphysiologischen und molekularbiologischen Ereignissen bei der Stress­antwort beziehungsweise den Adaptationen an die wirkenden Stressoren geforscht, weil diese für die Optimierung von technologischen Verfahren in der Lebensmittel­herstellung wichtig sind. Die Kombination unterschied­licher technologischer Stressoren, also die Kombination verschiedener ‚Hürden‘, kann somit etwa als effektive Möglichkeit der Abtötung pathogener Mikroorganismen in der Fleischlieferkette angesehen werden“, erläutert Prof. Dr. Hamedy. Die veterinärmedizinische Forschung ist für den Universitätsprofessor aus Leipzig daher ein fundamentaler Bestandteil der Lebensmittelproduktion und agiert als wichtiger Kontrolleur in der Lebensmittelhygiene. Umso wichtiger sei daher die enge Zusammenarbeit mit allen Akteuren in der Wertschöpfungskette: „Vom Landwirt bis hin zur Fleischindustrie und den Kontrollbehörden der Europäischen Union gilt es, die Lebensmittelsicherheit zu verbessern und die Verbrauchergesundheit zu schützen“, so Dr. Hamedy. „Würden beispielsweise Lebensmittel­aufsichtsbehörden strengere Hygienevorschriften erlassen und diese auch überwachen oder Lebensmittelunternehmen mehr in die Hygieneschulung ihrer Mitarbeiter investieren und sicherstellen, dass die Mitarbeiter die geltenden Hygienevorschriften auch befolgen, könnte dies die Lebensmittelhygiene nachhaltig verbessern“, ist sich der Universitätsprofessor sicher.

Nicht zuletzt durch die kontinuierliche Kontrolle mithilfe der veterinärmedizinischen Forschung sowie die Aktualisierung EU-weiter Regelungen im Bereich der Lebensmittelherstellung befinden sich die Hygienestandards in der heimischen Fleischproduktion im internationalen Vergleich aber auf einem hohen Niveau. „Kein Schlacht­betrieb darf die Produktion ohne einen amtlichen Kontrolleur vor Ort aufnehmen, kein Tier darf geschlachtet werden, ohne dass ein amtlicher Tierarzt es zur Schlachtung freigegeben hat, und kein Stück Fleisch verlässt den Schlachtbetrieb als Lebensmittel, das nicht nachweislich von einem amtlichen Veterinär untersucht und als tauglich für den menschlichen Verzehr qualifiziert wurde. Selbst die Stallungen der Schlachttiere unterliegen strengen hygienerechtlichen Bestimmungen, die ebenfalls von amtlichem Personal überwacht werden. In den größeren Schlachtbetrieben sind Untersuchungs­stellen eingerichtet, die während der gesamten Schlachtdauer besetzt sind. Daher gibt es meiner Meinung nach kein anderes Lebensmittel in der EU, das im Produktionsprozess so streng kontrolliert wird wie Fleisch“, gibt Dr. Hamedy zu bedenken. 

Und dennoch sieht sich die Lebensmittelhygiene im Fleischsektor gezwungen, sich ständig weiterzuent­wickeln, um den neuen Herausforderungen gewachsen zu sein. Neue Erkenntnisse und Technologien werden in die Produktionsprozesse integriert, innovative Ansätze wie die Anwendung von Hochdruckverarbeitung, elek­trolytischer Wasseraufbereitung und anderen fortschritt­lichen Technologien werden getestet, um biologische und chemische Gefahren nachhaltig abwenden zu können. So fordern etwa antimikrobielle Resistenzen von Zoonoseerregern in Lebensmitteln und neu auftretende Erreger lebensmittelbedingter Erkrankungen die gesamte Wertschöpfungskette, neue Maßnahmen zur Aufrecht­erhaltung der Lebensmittelhygiene zu entwickeln. 

Ein weiterer problematischer Aspekt, mit dem sich die moderne Lebensmittelindustrie in den letzten Jahren konfrontiert sieht, ist laut Dr. Hamedy etwa auch die Globalisierung. „Die zunehmende Vernetzung der Lebensmittelsysteme macht die Kontrolle der Lebensmittel­hygiene schwieriger, weil nicht überall so hohe Standards bei der Lebensmittelhygiene gelten und nicht überall vergleichbar umfassende Kennzeichnungspflichten und sensible Analyseverfahren wie in der EU existieren“, so der Lebens­mittelhygiene-Experte aus Leipzig. Die Zukunft der Lebensmittelhygiene sieht der veterinärmedizinische Forscher abhängig davon, wie gut es gelingt, die Herausforderungen zu bewältigen und die Chancen, die sich auch daraus ergeben, zu nutzen. Zweifelsohne ist die Lebensmittelhygiene im Fleisch- und Schlachtsektor von größter Bedeutung, um die Gesundheit der Verbraucher zu schützen. „Nur die Kombination aus strengen Hygienestandards, fortschrittlicher Schlachttechnologie und einer soliden Forschung zur Tenazität von Erregern kann eine sichere und nachhaltige Fleischproduktion auch in Zukunft gewährleisten“, ist sich Dr. Hamedy sicher.

* DME = Dunkerscher Muskelegel