Dr. Herwig Hampel
Verkaufsleiter Österreich & Schweiz IDEXX Laboratories
Der wirtschaftliche Druck auf Inhaber tierärztlicher Praxen wächst stetig. Oftmals steigen die Ausgaben stärker als die Einnahmen. Das führt zu einer Reduktion des Gewinns und es steht weniger Kapital für Neuinvestitionen (Geräte, Personal), die eigentlich zur Umsatz- und Gewinnsteigerung nötig wären, zur Verfügung. Sinkendes Einkommen und steigende Unzufriedenheit sind die Folgen.
Die Konkurrenz droht aber nicht nur von anderen Tierarztpraxen oder -kliniken. Klassische Umsatzbringer in der tierärztlichen Praxis wie Medikamenten- oder Futtermittelverkauf gehen an den stationären Handel oder Handel im Internet verloren. Diese Entwicklung kann durch Maßnahmen maximal verlangsamt, aber nicht aufgehalten werden. Umso wichtiger ist es für die tierärztliche Praxis, die Abhängigkeit von solchen Tätigkeiten zu reduzieren und den Schwerpunkt auf die Kernkompetenzen des Tierarztes zu verlagern. Viele Futtermittel können sehr leicht im Internet zu günstigen Konditionen bestellt werden, eine Operation nicht. Eine Flohbehandlung besteht nicht aus dem Verkauf von Flohmitteln, sondern aus der Beratung nach eingehender Befundaufnahme und Untersuchung des Tieres. Der Tierhalter erhält bei der Aussage „Mein Tier hat Flöhe“ von der Helferin eine Packung Flohtropfen? Warum soll er dafür in die Tierarztpraxis gehen, das Gleiche ist für ihn billiger und einfacher in der Apotheke oder gar Zoofachhandlung zu haben! Der Mehrwert, den er in der Tierarztpraxis erhält, muss für den Kunden nicht nur am Preis, sondern auch in der kompetenten Leistung und Beratung bemerkbar sein.
Zur Steigerung der Wirtschaftlichkeit und des finanziellen Erfolges ist es unabdingbar, sich mit den Begriffen Deckungsbeitrag und Profitabilität auseinanderzusetzen. Dabei sollte die Analyse so detailliert wie möglich sein. Die Einteilung der Bereiche bleibt natürlich jedem selbst überlassen.
Im Idealfall ist danach jedoch bekannt, wie hoch die Profitabilität z. B. bei Kastration, Impfung, Medikamentenverkauf, Futtermittelverkauf oder Laboranalyse ist. Die korrekte Kostenrechnung ist dann doch recht komplex und es sollte fachliche Hilfe in Anspruch genommen werden. Ohne diese werden meist wichtige Parameter wie z. B. Lagerkosten und Arbeitszeit nicht entsprechend berücksichtigt. Hilfestellung zur Berechnung bieten Unternehmensberater oder Praxismanager. Oft bieten auch Steuerberater solche Leistungen, zusätzlich zur steuerlichen Beratung, an. Gerade aber bei Investitionen benötigen diese Berater meist fachlichen Input, wie sich die Investition amortisieren kann, und aus der üblichen Buchhaltung können diese Kennzahlen nicht entnommen werden. Meist müssen zusätzliche Kostenstellen geschaffen werden, um eine korrekte Berechnung durchführen zu können.
Ein weiterer wichtiger Parameter ist das mögliche Potenzial. Ein hochprofitables „Produkt“ bringt nichts, wenn es dafür keinen Absatzmarkt oder die Klientel gibt. In der Tierarztpraxis ist es aber meistens umgekehrt, d. h., das Potenzial ist da, wird aber nicht ausgeschöpft. Woher soll der Tierhalter wissen, dass es in dem einen oder anderen Fall gut wäre, eine Ultraschalluntersuchung zu machen, wenn er vom Tierarzt nicht aktiv darauf angesprochen wird? Wohlgemerkt geht es hier nicht um „Hard-Selling“, d. h., dem Kunden etwas zu verkaufen, was er nicht möchte oder braucht. Aber Tierärzte, die die Scheu ab-
legen, die richtigen Kundenbedürfnisse herauszufinden und Leistungen oder Produkte anzubieten, erzielen eine höhere Kundenbindung, einen größeren wirtschaftlichen Erfolg und haben mehr Freude im Beruf – siehe dazu auch das Interview mit Verkaufscoach Andreas Nussbaumer in der September-Ausgabe des Vetjournals.
Das optimale Produkt für die Tierarztpraxis würde also u. a. die folgenden Kriterien erfüllen:
• Nur beim Tierarzt erhältlich, da es in die Kernkompetenz des Tierarztes fällt und nur dort erhältlich sein kann
• Hohe Profitabilität
• Hohes Potenzial
Das oben Gesagte soll nun anhand von Laboruntersuchungen näher diskutiert werden: Grundlage der Labor-untersuchung ist eine fachgerecht entnommene Laborprobe und nach der Untersuchung korrekte Interpretation unter Bewertung aller Faktoren, die zur Entstehung der Ergebnisse geführt haben. Dabei müssen auch die Befunde, die im Rahmen der Anamnese und klinischen Untersuchung des Patienten erhoben wurden, berücksichtigt werden. Daraus ergibt sich, dass dies praktisch nur durch den Tierarzt und nicht durch Dr. Google erfolgen kann.
Interne Untersuchungen von IDEXX zeigen, dass in manchen Praxen bzw. Kliniken der Diagnostikbereich (Labor, Röntgen, Ultraschall etc.) mehr als ein Drittel des Umsatzes ausmacht, Laboruntersuchungen haben einen Anteil von 14 bis 20 Prozent. Werden alle diese Untersuchungen „in-house“ durchgeführt, entstehen Investitionskosten, bei denen eine akzeptable Profitabilität nur durch eine entsprechende Frequenz und einen passenden Verkaufspreis erreicht werden kann. Labordiagnostik hat den Vorteil, dass viele Untersuchungen auch extern gemacht werden können und damit die Fixkosten auf ein Minimum reduziert werden. Bei korrekter Fakturierung gehört Labordiagnostik zu den profitabelsten Geschäftsbereichen in der tierärztlichen Praxis mit im Vergleich zu anderen Bereichen hohem Potenzial sowohl bei kranken als auch gesunden Tieren.
IDEXX-interne Untersuchungen haben gezeigt, dass in Deutschland nur bei 26 bis 29 Prozent aller „sympto-matischen“ Hunde und Katzen eine Laboruntersuchung durchgeführt wird. Vergleichsdaten aus den USA zeigen, dass dort bei 70 Prozent der symptomatischen Tiere eine Blutuntersuchung stattfindet. Noch stärker ist der Unterschied bei gesunden Tieren („Wellness Testing“). Hier werden in Deutschland lediglich zehn Prozent der Tiere routinemäßig getestet. Aus Gesprächen mit Kolleginnen und Kollegen weiß ich, dass Laboruntersuchungen oft erst nach ersten Therapieversuchen gemacht werden, in dem Glauben, dass der Tierhalter nicht gleich so viel Geld ausgeben möchte. Umgekehrt kommen aber vom Tierhalter bei nicht eingetretenem Behandlungserfolg Vorwürfe, warum die eine oder andere Untersuchung nicht gleich durchgeführt oder zumindest angeboten wurde. In vielen Kliniken (human oder veterinär) gehören Blut- und Harnuntersuchungen zum Standardprozess. Die Durchführung erfolgt jedoch nicht zwecks Gewinnmaximierung, sondern einerseits zur rechtlichen Absicherung, anderer-seits dient eine minimale Datenbasis auch als Grundlage für eine schnellere Diagnosestellung oder für den Aus-schluss von Differenzialdiagnosen. Und gerade Spezia-l-isten wissen den Mehrwert zu schätzen und führen Laboruntersuchungen häufiger durch.
Hat man bei der Analyse von Potenzialen einen Bereich identifiziert, der in der eigenen Praxis noch nicht optimal ausgeschöpft ist, so sollte dieser konsequent in Form von Programmen und standardisierten Abläufen umgesetzt werden. Je größer das Team der Praxis, umso mehr Zeit muss eingeplant werden. Denn auch die Mitarbeiter wollen zur Implementierung die Sinnhaftigkeit verstehen und die Vorteile für sich, die Patienten und die Kunden verstehen. Aber auch „Einzelkämpfer“ müssen selbst re-flektieren, ob sie das, was sie sich vorgenommen haben, letztlich wirklich so durchführen.
Das Führen einer Tierarztpraxis ist heute anders als früher, die Ansprüche der Kunden und Mitarbeiter steigen laufend, und nur, wer mit der Entwicklung Schritt hält, wird langfristig erfolgreich sein.
Für Rückmeldungen und Diskussionen stehe ich unter herwig-hampel@idexx.com gerne zur Verfügung. Gerne bin ich auch bei ersten Schritten zur Analyse von Praxisdaten behilflich.