Kees Moeliker ist ein Star. Der Biologe hat den Schlüssel zur Popularisierung der Wissenschaft gefunden, oder besser gesagt: Er ist ihm zugeflogen. In Form einer Stockente, Anas platyrhynchos. Eines schönen Feierabends in seinem Büro im Naturhistorischen Museum von Rotterdam hörte Moeliker einen Knall. Eine Ente war gegen eine Scheibe geflogen und fiel tot zu Boden. Danach folgte ein Schauspiel, das Moeliker später nicht nur als wissenschaftlichen Aufsatz präsentierte, sondern dessen Aufarbeitung ihm etwa den Beinamen „Der Entenmann“ ebenso einbrachte wie den „Ig-Nobelpreis“, der Entdeckergeist und Humor würdigt. Moeliker sah, wie sich ein Erpel der toten Ente näherte und den Kadaver rund 75 Minuten lang schändete. Der Museumsdirektor beobachtete interessiert, machte sich Notizen, ließ sich das verendete Exemplar präparieren und begeistert im Duett mit der toten Ente seither in Fachvorträgen das Publikum. Sein erstes Buch im Jahr 2009 trug passenderweise den Namen „Der Entenmann“.
Tote Tiere spielten in Moelikers Leben schon immer eine Rolle. Sein erster Job etwa: Fleischer. „Dabei habe ich die Anatomie von Tieren aus erster Hand gelernt.“ Danach war er Biologielehrer: „Nehmen Sie eine Tierlunge und holen Sie sich eine Fahrradpumpe. Was dann folgt, vergessen die Kinder nie wieder!“, erinnert er sich an seinen Anschauungsunterricht.
Gesammelte Biodiversität
Der Vorfall mit der Ente war auch der Startschuss für einen der außergewöhnlichsten Tierbestände weltweit. Das Naturkundemuseum in Rotterdam hat eine umfangreiche Sammlung, die die Biodiversität der Niederlande repräsentiert. Zudem sind fast alle im Land gefundenen Fossilien unter dem Dach des Museums untergebracht. Die stärkste Anziehungskraft im Haus geht aber von jenen Geschöpfen aus, die Moeliker nach dem Entenvorfall sammelte: Tiere, die auf bemerkenswerte Weise zu Tode kamen. Die Sammlung zeigt, „wie das Leben von Tieren und Menschen fallweise kollidiert – mit dramatischen Folgen für beide Seiten“, so der Biologe. Beispiele dafür sind etwa eine Ratte, die unter einem Kasten festgeschraubt wurde, oder ein Wels, der einem Betrunkenen, der schon seine Sammlung an Goldfischen verspeist hatte, herausoperiert wurde: Er hatte versucht, den Raubfisch zu essen, dabei aber offenbar übersehen, dass Welse, wenn sie sich bedroht fühlen, die Brustflossen aufstellen. Der Fisch musste in einer zweistündigen Notoperation aus der Speiseröhre des Mannes herausgeholt werden.
Oder die Geschichte rund um den Domino-Spatzen: Im November 2005 hatte sich ein Vogel ins Expo Center der niederländischen Stadt Leeuwarden verirrt. Dort wurde gerade für eine TV-Show ein Domino Day vorbereitet. Vier Millionen Steine wurden in mühevoller Kleinarbeit aufgestellt, als der Spatz intervenierte: Rund 23.000 Steine hat der Vogel umgeworfen – woraufhin er kurzerhand mit einem Präzisionsgewehr erschossen wurde. Während der Domino Day ohne weitere Behelligung über die Bühne ging, gab es um den Tod des Spatzen einiges an Aufruhr. Der Schütze wurde gar mit dem Tod bedroht und musste 200 Euro Strafe für den Schuss zahlen. Nach einiger Lobbyarbeit konnte Moeliker den Spatzen ins Museum holen, wo er heute Nachbarn gleicher Art und ähnlicher Berühmtheit hat: etwa jenen Spatzen, der von Los Angeles nach Sydney flog, oder einen Artgenossen, der 1939 anlässlich eines Cricketspiels in London tödlich von einem Ball getroffen wurde.
Tragisch auch der Fall eines Igels, dem ein Plastikbecher zum Verhängnis wurde: Auf der Suche nach Leckereien steckte der Igel seinen Kopf in den Deckel eines Fast-Food-Eisbechers und verendete, da seine Stacheln ihn daran hinderten, den Kopf wieder herauszuziehen. Danach haben Tierschützer erfolgreich bei der Fast-Food-Kette interveniert – und siehe da, die Deckel der Eisbecher wurden auf „igelsicher“ umgebaut. Ein höchst unpopuläres Tierchen findet sich ebenfalls in Moelikers Sammlung: Laut Eigenaussage besitzt er die vermutlich letzte Filzlaus dieser Welt. Der Museumsdirektor erklärt diesen Umstand damit, dass der Parasit ausstirbt, weil sich immer mehr Menschen ihre Intimbehaarung abrasieren. „Da wird ein ganzes Habitat zerstört“, so der Niederländer bedauernd gegenüber dem „Spiegel“.