Kundenbindung

als Erfolgsstrategie

Bettina Kristof

Der Tierarzt als Unternehmer muss einige Faktoren berücksichtigen, um wirtschaftlich erfolgreich zu sein. Die fachliche Kompetenz ist Grundvoraussetzung. Für die langfristige Kundenbindung ist es aber auch wichtig, Vertrauen zum Tier und zum Tierhalter aufzubauen und zusätzliche Serviceleistungen anzubieten. Dabei muss die Finanzierbarkeit aller Maßnahmen im Auge behalten werden.

Dr. Andrea Kriegel vom Tierambulatorium Inzersdorf und Dr. Helmut Kofler von der Tierklinik Neulinggasse in Wien haben uns ihre Strategien für eine erfolgreiche Kundenbindung verraten.

Fachliche Kompetenz 

Die Kernkompetenz des Tierarztes ist natürlich die medizinische Seite. Hier geht es darum, im Krankheitsfall die beste Behandlung vorzuschlagen und dabei auch die Kosten im Auge zu behalten. 

Wie gehen Sie damit um, wenn die Erkrankung eines Tiers aufwendige und möglicherweise teure Untersuchungen erfordert?
Dr. Kriegel: Im Sinne der bestmöglichen Versorgung des Tieres gilt es, mit dem Besitzer abzuklären, welche Behandlung oder Untersuchung unumgänglich ist und welche weiterführenden Therapien noch in Betracht zu ziehen sind. Dabei sollte auch auf die finanziellen Möglichkeiten des Tierbesitzers Rücksicht genommen werden. Im Bedarfsfall sollten Finanzierungsmöglichkeiten offen besprochen werden oder auf Hilfe von Organisationen hingewiesen werden.  

Dr. Kofler: Wenn ein Hund z. B. Schmerzen in der Wirbelsäule hat, kann es für die genaue Abklärung notwendig sein, ein Röntgen oder ein MR durchzuführen. Ich spreche das beim Tierhalter klar an und weise ihn auf die Kosten hin. Falls ihm diese Untersuchungen zu teuer sind, kann man mit einer entzündungshemmenden Therapie einmal schnell helfen und beobachten, ob sie hilft. Falls die Beschwerden nicht abklingen, muss man die weitere Vorgehensweise abklären.

Sicherheit

Tierhalter werden immer anspruchsvoller und wollen Behandlungsmethoden erklärt haben bzw. über Vor- und Nachteile aufgeklärt werden. 

Wie viel Zeit sollte man sich für ein Aufklärungs­gespräch nehmen, damit man dem Tierbesitzer Sicherheit vermittelt, es gleichzeitig aber noch wirtschaftlich vertretbar ist?
Dr. Kriegel: Im Zuge eines Beratungsgesprächs gilt es, die Vor- und Nachteile einer Behandlungsmethode objektiv darzulegen. Hilfreich ist es, entsprechendes Informationsmaterial vorzubereiten. Im Einzelfall kann man einen eigenen Beratungstermin für zusätzlich auftretende Fragen vereinbaren. Die Wirtschaftlichkeit sehe ich als Gesamtpaket.

Dr. Kofler: Bei einem neuen Patienten muss man mit ­mindestens 30 Minuten rechnen, sonst dauert eine Behandlung im Durchschnitt 20 bis 25 Minuten. Die Tierbesitzer fragen mehr als früher und sind auch informierter. Manche eignen sich ihr Wissen im Internet an – mit allen Gefahren und Verwirrungen, die das mit sich bringt – und treffen Vordiagnosen. Wichtig ist es, ruhig zu argumentieren und die Fragen des Tierhalters ernst zu nehmen.

Vertrauen

Um den Tierhalter langfristig an sich zu binden, sind vertrauensbildende Maßnahmen von Vorteil.

Womit gewinnen Sie das Vertrauen der Tierbesitzer und der Tiere?
Dr. Kriegel: Für mich ist es wichtig, ein gutes Verhältnis zu meinen Patienten herzustellen und ihnen mit Ruhe und Sicherheit zu begegnen. Die Tierbesitzer müssen sich mit ihren Sorgen ernst genommen und verstanden fühlen, dies geht oft über rein medizinische Belange hinaus. Untersuchung und Behandlung versuche ich verständlich zu erläutern.

Dr. Kofler: Wichtig ist es, den Leuten zuzuhören und ihre Probleme ernst zu nehmen, auch wenn manches für den Tierarzt banal klingt. Das hat viel mit Empathie zu tun. Speziell in Stresssituationen sollte man Ruhe bewahren.

Sympathie

Eine positive Ausstrahlung macht sympathisch, lockert die Atmosphäre auf und macht den Besuch beim Tierarzt für Mensch und Tier angenehmer. 

Was tun Sie persönlich, um sympathisch zu wirken?
Dr. Kriegel: Die Freude am Beruf zeigen, ebenso die Anteilnahme an den Bedürfnissen meiner Patienten; mir Zeit nehmen auch für ein persönliches Gespräch. Ein angenehmes Umfeld und Arbeitsklima in der Praxis erzeugen.

Dr. Kofler: Ich bin ein positiv denkender Mensch und nehme das Beste von den Menschen an. Wichtig ist es, authentisch zu sein.

Serviceleistungen

Der Tierarzt wird immer mehr zur ersten Anlaufstelle bei allen Fragen rund um das Tier. Es ist zum einen herausfordernd, zusätzlich zum medizinischen Angebot in weiteren Bereichen kompetent zu sein, andererseits aber auch eine große Chance, Kunden damit an sich zu binden. Der Tierarzt kann die einzelnen Serviceleistungen nach entsprechender Ausbildung entweder selbst anbieten oder an entsprechende Stellen verweisen – dem Tierhalter weiterzuhelfen zeugt auf jeden Fall von Kompetenz. Ergänzende Serviceleistungen des Tierarztes können etwa sein:

Der Tierarzt als Erziehungscoach

Viele Tierhalter haben Fragen zur Erziehung ihres Tieres und wenden sich damit an den Tierarzt ihres Vertrauens. 

Was raten Sie einem Tierhalter, der sich mit Fragen zur Haltung von Problemtieren an Sie wendet?
Dr. Kriegel: Bei einem eigenen Beratungsgespräch versuche ich, die Problemstellung abzuklären und aus meinen fachlichen und privaten Erfahrungen Tipps zu geben. Sollten diese Lösungsansätze nicht ausreichen, vermittle ich entsprechend ausgebildete Spezialisten.

Dr. Kofler: Bei kleinen Problemen gebe ich selbst Rat, aber bei Problemtieren empfehle ich ausgebildete Tiertrainer, mit denen ich gute Erfahrungen gemacht habe.

Der Tierarzt als Ernährungsberater

Immer mehr Tierhalter kommen mit Fragen zum Thema Ernährung zum Tierarzt. Ob es um Allergien, Übergewicht, Durchfall oder neue Ernährungstheorien aus dem Internet geht – vom Tierarzt wird Rat und mitunter auch gleich der Verkauf des entsprechenden Futters erwartet. 

Bieten Sie in Ihrer Ordination Ernährungsberatung an? Wie läuft das ab?
Dr. Kriegel: Da Allergien allgegenwärtig sind, muss man sich automatisch mit Ernährungsberatung auseinandersetzen. Wir bieten entsprechende Beratung und auch die passenden Futtermittel ausgesuchter Firmen an. Bei speziellen Fragen hilft Fachliteratur weiter.

Dr. Kofler: Wir beraten bei Erkrankungen, und wenn Diätfuttermittel gebraucht werden, und bieten diese auch in der Ordination an. Wenn ein Tierbesitzer ausschließlich barfen will, empfehlen wir Ernährungsberater, um die Ausgewogenheit der Ernährung zu gewährleisten.

Der Tierarzt als Fitnessberater

Liebe geht bekanntlich durch den Magen und es gibt Tierhalter, die die Zuneigung zu ihrem Tier über die Futtermenge ausdrücken. Die Folge sind übergewichtige Tiere, die abnehmen und sich mehr bewegen sollten.

Erstellen Sie auch Diät- und Fitnesspläne für Vier­beiner?
Dr. Kriegel: Wir stellen keine konkreten Fitnessprogramme auf, versuchen aber, mit praxistauglichen Tipps Hilfestellung zu geben. Der wöchentliche Termin zur Gewichtskontrolle ist dabei sehr hilfreich.

Dr. Kofler: Wenn es um Übergewicht geht, auf jeden Fall. Das Wichtigste für den Erfolg ist dabei die Analyse: Was bekommt das Tier wirklich zu fressen und wer aller füttert das Tier? Denn oft hat ein Tier mehrere „Futterquellen“. Wichtig ist es, dass alle Beteiligten einsichtig sind und sich an den von uns erstellten Futterplan halten.

Der Tierarzt als Vermittler von Tierbetreuern und Tierpensionen

Tierbesitzern wird die liebevolle und fürsorgliche Betreuung ihrer Haustiere immer wichtiger. Wenn in der Familie und im Freundeskreis alle Betreuungsressourcen erschöpft sind, wird professionelle Unterstützung in Anspruch genommen. Doch wem soll man sein geliebtes Tier anvertrauen? Auch dieses Thema kommt gerne beim Tierarzt zur Sprache.

Bieten Sie selbst Tierbetreuung an oder verweisen Sie an zuständige Stellen?
Dr. Kriegel: In Ausnahmefällen versuchen wir, die kurzfristige Betreuung unserer Patienten zu übernehmen. In Bezug auf Tierpensionen sammeln wir die Erfahrungen unserer Tierbesitzer und geben diese weiter. Eine konkrete Zusammenarbeit besteht nicht.

Dr. Kofler: Selbst bieten wir keine Tierbetreuung an, aber wir verweisen an Tierpensionen, von denen wir durch Tierbesitzer Positives gehört haben. 

Der Tierarzt als Sozialpartner

Und auch das kennt jeder Tierarzt: Ältere Tierhalter, die öfter mit ihrem Tier vorbeischauen, weil sie mit jemandem sprechen wollen. Widmet man sich diesen Tierbesitzern, zählen sie zu den treuesten Stammkunden.

Wie gehen Sie mit Tierhaltern um, die jemanden zum Reden brauchen und Sie im Grunde hauptsächlich deshalb aufsuchen?
Dr. Kriegel: Auch hier zählt: ernst nehmen. Dass es manchmal nicht einfach in der Handhabung des Zeitaufwandes ist, liegt in der Natur der Sache. Doch auf diese Weise kann man so manche interessante Lebensgeschichten sowie Zeitdokumente kennenlernen.

Dr. Kofler: Das kommt bei uns fast nicht mehr vor. Ich denke, es ist der allgemeine Zeitdruck, der das verändert hat.

Haben auch Sie einen Tipp zur langfristigen Bindung von Tierhaltern als Kunden? Wir würden uns freuen, wenn Sie uns schreiben – an silvia.gromen@tieraerzteverlag.at. Gerne veröffentlichen wir eine Auswahl der eingesandten Vorschläge als Leserbriefe.