Zwiebel- und Diclofenac-Vergiftung beim Hund

Intoxikationen in der Kleintierpraxis

Dr. Maike Breitenstein
Tierklinik Schwarzmann

Intoxikationen stellen eine häufige Behandlungsindikation in der Tierarztpraxis dar. Der folgende Beitrag beschreibt zwei Beispiele: Bei einer zwölfjährigen Mischlingshündin wurde eine hämolytische Anämie durch die Aufnahme von Zwiebeln ausgelöst, eine fünfjährige Golden-Retriever-Hündin entwickelte nach der Aufnahme von Diclofenac-Tabletten blutiges Erbrechen und Meläna.

Zwiebelintoxikation

Anamnese
Eine zwölfjährige Mischlingshündin wurde wegen Erbrechens sowie zunehmender Apathie und Schwäche vom Haustierarzt in die Klinik überwiesen. Zwei Tage zuvor hatte die Hündin eine große Menge einer undefinierten weißen Masse mit fadenförmigen Bestandteilen erbrochen. Seit diesem Zeitpunkt verschlechterte sich der klinische Zustand zunehmend. Die Hündin zeigte intermittierendes Erbrechen und fehlende Futteraufnahme. Besorgt waren die Besitzer hauptsächlich, da die Hündin schließlich kaum noch aufstehen konnte. Eine Blutuntersuchung beim Haustierarzt zwei Tage zuvor war unauffällig (Hämatokrit 46 %). Die Hündin kommt aus einer Tötungsstation in Spanien, ist seit acht Jahren in Besitz und war in dieser Zeit nicht im Ausland. Sie wird regelmäßig geimpft und etwa zweimal im Jahr entwurmt.

Die Besitzer verwenden einen Zeckenschutz, dennoch hatte die Hündin in diesem Jahr schon vereinzelt Zecken. Sie ist kastriert und hat keine bekannten Vorerkrankungen. Zum Zeitpunkt der Erstvorstellung wog die Hündin neun Kilogramm.

Klinische Befunde
Bei Vorstellung war die Hündin sehr schwach und apathisch. Die innere Körpertemperatur lag bei 38,1 °C, die Maulschleimhäute waren blass und feucht, die kapillare Rückfüllzeit war nicht zu ermitteln. Die Atemfrequenz (54/min), sowie die Herzfrequenz (160/min) waren erhöht, der Puls schwach, aber regelmäßig und gleichmäßig. Das Abdomen war bei Palpation angespannt. Bei der rektalen Untersuchung konnte weich geformter brauner Kot festgestellt werden.

Weitere diagnostische Verfahren
Zunächst wurde eine Blutuntersuchung eingeleitet. Die Hündin zeigte eine hochgradige nicht regenerative Anä-mie (Hämatokrit 14,6 %) und eine geringgradige Leukozytose (s. Tabelle 1). Ein Blutausstrich wurde angefertigt. Hier konnten Erythrozyten mit Heinz-Körperchen festgestellt werden. Bei den Entzündungszellen handelte es sich hauptsächlich um segmentkernige neutrophile Granulozyten, also kein Hinweis auf Linksverschiebung. Das Serum war hämolytisch. Die Blutchemie war unauffällig (s. Tabelle 1). Heinz-Körperchen stellen denaturiertes präzipitiertes Hämoglobin in den Erythrozyten dar. Dies kommt nach oxidativen Schädigungen vor, zum Beispiel nach Intoxikationen mit Zwiebeln. Auf Nachfrage sind sich die Besitzer sicher, dass es sich bei der zwei Tage zuvor erbrochenen Masse um Zwiebeln gehandelt hat. Der Hund hatte Zugang zum Kompost der Nachbarn, und dieser bestätigt auf Nachfrage der Besitzer, hier eine größere Menge gerösteter Zwiebeln entsorgt zu haben. Trotzdem werden andere Differenzialdiagnosen für eine hämolytische Anämie abgeklärt.

Als Tumorscreening wurden Röntgenbilder des Thorax gemacht und ein Ultraschall des Abdomens durchgeführt. Es wurde kein Hinweis für ein neoplastisches Geschehen gefunden. Auch war kein metallischer Fremdkörper im Abdomen zu finden (Kupferintoxikation).

Babesien konnten im Blutausstrich nicht gefunden werden, auch die eingeleitete PCR war negativ. Die Unter-suchung auf Herzwürmer (Makrofilarien – Elisa und Mikrofilarien – PCR) brachte negative Ergebnisse.

Auf dem Objektträger konnte makroskopisch und mikroskopisch keine Autoagglutination festgestellt werden. Um auf antierythrozytäre Antikörper zu testen, wurde ein -Coombs-Test eingeleitet, der negativ ausfiel. Trotz des negativen Coombs-Tests kann eine immunhämolytische Anämie nicht ausgeschlossen werden.

Therapie und Verlauf
Der Hämatokritwert lag bei der Untersuchung durch den Haustierarzt zwei Tage zuvor noch bei 46 %, ist also innerhalb von 48 Stunden um 33 Prozentpunkte abgesunken. Der klinische Zustand der Hündin war schlecht und es wurde umgehend eine Bluttransfusion eingeleitet. Es wurden 300 ml Vollblut transfundiert. Die Hündin vertrug die Trans-fusion komplikationslos, ihr Allgemeinbefinden verbesserte sich zusehends. Da ein immunhämolytisches Geschehen nicht vollständig ausgeschlossen werden konnte, wurde mit einer immunsuppressiven Therapie begonnen (Prednisolon 2 mg/kg BID).

Nach 24 Stunden wurde eine Kontrolle des Blutbilds durchgeführt. Der Hämatokritwert lag nun bei 25,8 %, also um etwa 11 Prozentpunkte höher als vor der Transfusion. Die Retikulo-zytenzahl begannen zu steigen (111,7 K/µL), außerdem zeigte sich eine Neutrophilie mit Linksverschiebung. Nach weiteren 24 Stunden blieb der Hämatokritwert stabil und die Retikulozytenzahl stieg weiterhin. Aufgrund des guten klinischen Zustands wurde die Hündin entlassen. Sie erhielt weiter Prednisolon 2 mg/kg SID. Bei einer Nachkontrolle zehn Tage nach der Transfusion zeigten sich die Parameter des roten Blutbilds wieder im Referenz-bereich. Die Besitzer berichteten, dass die Hündin sich völlig unauffällig verhielt. Aufgrund des Vorberichts und der schnellen Normalisierung der Blutwerte wird ein immunhämolytisches Geschehen als unwahrscheinlich erachtet und die Diagnose hämolytische Anämie durch Zwiebelintoxikation gestellt. Das Prednisolon wurde über eine Woche ausgeschlichen. Beim Haustierarzt war das rote Blutbild nach weiteren zehn Tagen weiter unauffällig.

Diskussion
Für die Toxizität von Zwiebeln sind Organosulfoxide verantwortlich. Diese kommen auch in Knoblauch, Lauch und Frühlingszwiebeln vor. Organosulfoxide werden weder durch Kochen noch durch Trocknen der Pflanzen inaktiviert. Im Körper von Hunden und Katzen wird dadurch eine oxidative Hämolyse ausgelöst. Typisch sind eine Hämoglobinämie (Serum nach dem Zentrifugieren rot gefärbt) und das Auftreten von Heinz-Körperchen in den Erythrozyten. Beim Hund führt die Aufnahme von 15 bis 30 Gramm dieser Pflanzen pro Kilogramm Körpergewicht zu klinischen Symptomen; also bei einem zehn Kilo schweren Hund eine mittelgroße Zwiebel. Bestimmte Rassen, etwa der Akita Inu und der Shiba Inu, sind noch empfindlicher. Bei Katzen treten nach Aufnahme von fünf Gramm pro Kilogramm Körpergewicht Symptome auf.

Die klinischen Symptome beginnen ein bis mehrere Tage nach der oralen Aufnahme. Die Tiere zeigen Erbrechen, Durchfall, Appetitverlust, Apathie und Schwäche. Die Schleimhäute sind blass, Herz- und Atemfrequenz steigen an. Anämie und Methämoglobinämie werden beobachtet, manchmal Ikterus und Hämoglobinurie. Falls die Aufnahme der Zwiebeln noch nicht zu lange zurückliegt, sollte man Erbrechen provozieren, um die Aufnahme des Toxins zu reduzieren bzw. zu vermeiden. Ein Antidot gibt es nicht. Die weitere Therapie erfolgt symptomatisch, oft ist eine Bluttransfusion notwendig.

Diclofenac-intoxikation

Anamnese

Eine fünfjährige Golden-Retriever-Hündin wurde im Notdienst vorstellig, da sie in Abwesenheit der Besitzer mehrere Diclofenac-Tabletten inklusive Blister gefressen hatte. Die Aufnahme der Tabletten lag mindestens fünf Stunden zurück. Bei den Tabletten handelte es sich um 13 Diclobene-Retard-Kapseln 100 mg (Wirkstoff: Diclofenac). Die Hündin zeigte sich zu diesem Zeitpunkt für die Besitzer klinisch unauffällig; es waren keine Vorerkrankungen bekannt, sie wurde regelmäßig geimpft und entwurmt. Zum Zeitpunkt der Vorstellung wog sie 31,8 Kilo.

Klinische Befunde
Zum Zeitpunkt der Vorstellung zeigte sich die Hündin klinisch völlig unauffällig.

Erste Maßnahmen
In diesem Fall handelte es sich bei den aufgenommenen Tabletten um Retard-Kapseln, das heißt, der Wirkstoff wird aus den Kapseln langsamer freigesetzt. Somit konnte auch nach der relativ langen Zeitspanne von mindestens fünf Stunden nach Tablettenaufnahme versucht werden, Teile des Wirkstoffs durch Erbrechen zu entfernen. Der Hündin wurden 0,1 mg/kg Apomorphin subkutan injiziert. Daraufhin erbrach sie zwei zerkaute Tablettenblister und fünf teilweise schon eröffnete Kapseln.

Bei der aufgenommenen Diclofenac-Menge handelte es sich um 40,8 mg pro Kilogramm Körpergewicht, wobei eine unbestimmte Menge des Medikaments erbrochen wurde. Aufgrund dieser hohen Dosis wurde die Hündin stationär aufgenommen und mit einer prophylaktischen Therapie begonnen. Die Nierenwerte (Kreatinin und Harnstoff) sowie das Differenzialblutbild waren zum Zeitpunkt der Einstellung unauffällig (s. Tabelle 2).

Therapie und Verlauf
Mit einer intravenösen Dauertropfinfusion (Ringer-lösung) in der Menge 4 ml/kg pro Stunde wurde begonnen. Als Magenschutzprophylaxe wurde Pantoprazol (1 mg/kg BID) intravenös verabreicht; auch Misoprostol (4 × täglich 165 µg Tabletten oral) und Sucralfat (3 × täglich 40 mg/kg oral) wurden gegeben.

Die ersten zwei Tage nach Toxinaufnahme zeigte sich die Hündin klinisch unauffällig, mit einer guten Futteraufnahme und geformtem, braunem Kot. Jedoch verschlechterte sich der klinische Zustand trotz der unmittelbar nach der Diclophenac-Aufnahme eingeleiteten prophylaktischen Therapie in der Nacht zum dritten Tag rapide: Die Hündin erbrach mehrmals größere Menge Blut, speichelte und zeigte Inappetenz. Zeitweise war sie hochgradig apathisch und in Seitenlage. Auch die Kotfarbe änderte sich – sie setzte schwarzen, weichen Kot ab (Meläna). Bei einer Blutkontrolle waren die Nierenwerte weiterhin im Referenzbereich, das Kreatinin jedoch etwas höher als bei der Untersuchung zwei Tage zuvor (s. Tabelle 3). Der Hämatokrit lag bei 42,7 %, also etwa 10 Prozentpunkte niedriger als zum Zeitpunkt der stationären Aufnahme (s. Tabelle 3). Die Infusion sowie die Magenschutztherapie wurden weitergeführt. Um das Allgemeinbefinden zu bessern, wurde der Hündin Maropitant (1 mg/kg subcutan SID) verabreicht. Am vierten Tag nach Toxinaufnahme wurde der klinische Zustand der Hündin wieder deutlich besser, sie fraß und zeigte kein Erbrechen. Der Kot war weiterhin schwarz. Am fünften Tag wechselte die Kotfarbe wieder zu Dunkelbraun, die Hündin war munter und zeigte eine gute Futteraufnahme. Sie wurde mit Pantoprazol (1mg/kg BID oral) und Sucralfat (3 × täglich 40 mg/kg) nach Hause entlassen. Bei einer Kontrolle eine Woche nach Entlassung waren die Blutwerte unauffällig und die Besitzer berichteten, dass das Allgemeinbefinden der Hündin ungestört sei.

Diskussion
Diclofenac ist ein NSAID, das beim Menschen bei leichten bis mittleren Schmerzen eingesetzt wird. Wie andere NSAIDs hemmt Diclofenac die Cyclooxygenase und reduziert damit die Prostaglandin-Synthese. Im Gastrointestinaltrakt haben die Prostaglandine einen zytoprotektiven Effekt. Folgen eines Prostaglandinmangels sind erhöhte Magensäureproduktion, reduzierte Mukusproduktion und reduzierter mukosaler Blutfluss. Dadurch kommt es zu einem erhöhten Risiko von Schleimhautulzerationen.

In den Nieren beeinflussen die Prostaglandine die Dilatation afferenter Arteriolen, regulieren den renalen Blutfluss und die glomeruläre Filtrationsrate. Somit folgt aus einem Prostaglandinmangel ein reduzierter renaler Blutfluss mit Reduktion der normalen Nierenfunktion und der homöostatischen Funktion. Dies kann zu Nekrose der renalen Papillen führen. Hunde reagieren sehr empfindlich auf Diclofenac: Schon die Aufnahme von 2,5 mg/kg können zu Bauchschmerzen und Erbrechen führen. Die LD50 -(letale Dosis) liegt bei 59 mg/kg Körpergewicht (Campbell 2000). Erste klinische Folgen einer Diclofenac-Aufnahme können innerhalb von drei Stunden bis vier Tage nach Aufnahme auftreten. Erbrechen, auch mit Blutbeimengungen, Durchfall, Meläna, abdominaler Schmerz und Inappetenz sind häufig. Diese können je nach aufgenommener Menge mild ausfallen oder in Dehydrierung, Anämie und Kollaps enden. Auch Magen-Darm-Perforationen sind möglich. Zwölf bis 24 Stunden nach Aufnahme können Hinweise auf Nierenschädigungen (wie Polydipsie und Polyurie) auftreten. Bei Dosen von über 150 bis 200 mg/kg Körpergewicht kommt es zu irreparablen Nierenschädigungen. Dehydrierte Tiere haben zusätzlich ein deutlich höheres Risiko für Nierenschädigungen, genauso Tiere mit einer vorher bestehenden Nierenerkrankung.

Eine Behandlung ist indiziert bei aufgenommenen Mengen von über 10 mg/kg. Ist das Tier dehydriert, hypotensiv oder hat ein bekanntes Nierenproblem, sollte bereits ab einer aufgenommenen Menge von 5 mg/kg Körpergewicht Diclofenac mit prophylaktischen Maßnahmen begonnen werden. Liegt die Aufnahme weniger als drei Stunden zurück (bei Retard-Tabletten auch noch nach längerer Zeitspanne!), sollte man den Hund zum Erbrechen bringen. Aktivkohle (2 g/kg Körpergewicht) kann oral verabreicht werden. Unbedingt notwendig sind Medikamente, um die Magen- und Darmschleimhaut zu schützen. Omeprezol oder Pantoprazol (1 mg/kg BID i. v. oder p. o.) als Protonenpumpenhemmer sind den H2-Rezeptorblockern wie Cimetidin, Ranitidin oder Famotidin vorzuziehen. Sucralfat (20–40 mg/kg 2-3 × tgl.) sollte als Schleimhautschutz dazu-gegeben werden.

Misoprostol ist ein synthetisches Prostaglandin-E1-Analogon, mit dessen Hilfe der durch Diclofenac hervorgerufene Prostaglandinmangel ausgeglichen werden kann. Misoprostol in einer Dosierung von 1–5 µg/kg Körpergewicht sollte alle sechs bis acht Stunden verabreicht werden, wenn der Hund mehr als 10 mg/kg Körper-gewicht Diclofenac aufgenommen hat (Campbell 2000). Andere Quellen geben eine Dosierung zwischen 3 µg/kg Körpergewicht p. o. alle zwölf Stunden bis 15 µg/kg Körpergewicht alle acht Stunden an (Marks et al. 2018). Mit Ausnahme von Aspirin wurde die Wirksamkeit von Misoprostol bei gastrointestinalen Läsionen durch andere NSAIDs bei Hunden und Katzen allerdings bisher nicht getestet. Somit ist der Nutzen nicht eindeutig bewiesen. Beim Umgang mit Misoprostol muss beachtet werden, dass Misoprostol beim Menschen Aborte auslösen kann. Eine Infusionstherapie zur Vorbeugung von Nierenschäden ist bei höheren aufgenommenen Dosen zu empfehlen.

 

Literaturliste

Cope RB. Allium species poisoning in dogs and cats. Vet Med (2005) 100:562–6.

Yamoto O, Maede Y. Susceptibility to onion-induced hemolysis in dogs with hereditary high erythrocyte reduced glutathione and potassium concentrations. Am J Vet Res (1992) 53:134–7.

Salgado BS, Monteiro LN, Rocha NS. Allium species poisoning in dogs and cats. J Venom Anim Toxins Incl Trop Dis (2011) 17:4–11.10.1590/S1678-91992011000100002

Campbell A and Chapman M (2000). Handbook of Poisoning in dogs and cats. S. 119–125.

Marks SL, Kook PH, Papich MG, Tolbert MK, Willard MD (2018) ACVIM consensus statement: Support for rational administration of gastrointestinal protectants to dogs and cats. J Vet Intern Med. 2018 Nov-Dec; 32(6): 1823–1840.