Interne Erkrankungen

bei kleinen Heimtieren

Bettina Kristof

Neben Hunden und Katzen erfreut sich die Haltung kleiner Heimtiere zunehmender Beliebtheit. Meerschweinchen, Hamster, Kaninchen, Frettchen und Co besiedeln immer häufiger die Wohnzimmer der Österreicher – und werden im Krankheitsfall beim Tierarzt vorstellig. Ein Grund, sich mit diesen Tierarten intensiver auseinanderzusetzen.

Nachdem das Spektrum der kleinen Heimtiere und deren interner Erkrankungen sehr breit gefächert ist, haben wir für diesen Beitrag die Schwerpunkte „Tumorerkrankungen bei Kaninchen“ und „Erkrankungen des Magen-Darm­trakts bei Meerschweinchen“ ausgewählt. Wir sprachen darüber mit Prof. Jean-Michel Hatt, Direktor der Klinik für Zoo-, Heim- und Wildtiere an der Universität Zürich und Leitender Tierarzt im Zoo Zürich.

Herr Professor Hatt, Sie haben langjährige Erfahrung mit kleinen Heimtieren, Wild- und Zootieren. An welchen Tumorerkrankungen erkranken denn Kaninchen besonders häufig?
Bei Kaninchen treten Gebärmuttertumore und Thymo­me im Bereich des Thorax häufig auf. Immer wieder erkranken die Tiere auch an Lymphomen, diese kommen aber seltener vor.

Durch welche Symptome zeichnet sich ein Gebärmuttertumor aus?
Gebärmuttertumore sind bei Kaninchen zumeist bösartig. Symptome dieser Erkrankungsart können einerseits sein, dass das Kaninchen Bauchweh hat und nicht frisst, aber auch ein Ausfluss aus der Scheide kann darauf hinweisen. Des Weiteren können sich Metastasen in der Lunge bilden, dann leidet das Kaninchen an Atemnot. Es ist bei Kaninchen immer wichtig, den Ursprung einer Atemnot sehr genau zu untersuchen. Als Ursprungs­problem kann man manchmal die Erkrankung der Gebärmutter erkennen.

Wie wird ein Gebärmuttertumor beim Kaninchen therapiert?
Wenn es bereits Metastasen gibt, bringt eine Entfernung der Gebärmutter nicht viel. Bei einer frühen Diagnose macht man einen Metastasencheck, um ­sicherzustellen, dass ebendiese nicht vorliegen; wenn es keine Hinweise darauf gibt, wird man den Uterus und die Eierstöcke entfernen. Entdeckt man den Tumor erst in einem späteren Stadium, empfiehlt sich eine palliative Behandlung.

Gibt es eine Möglichkeit der Prophylaxe?
Eine gute Prophylaxe ist es, weibliche Kaninchen zu kastrieren. Das wird in der Schweiz aber leider immer noch wenig in Anspruch genommen; im angelsächsischen Raum ist das stärker ein Thema. Vor allem Tierhalter, die bereits ein Kaninchen an diese Krankheit verloren haben, sind eher bereit, das nächste Tier kastrieren zu lassen. Es ist nicht ganz billig, aber eine gute Prophylaxe. Wenn Tierhalter noch keine Erfahrungen mit dieser Erkrankung gemacht haben, stehen sie dem Thema Kastration meist ablehnend gegenüber – solange das Tier gesund ist, wird der Krankheitsaspekt tendenziell ausgeblendet.

Sie haben eingangs erwähnt, dass Thymome bei Kaninchen ebenfalls häufig vorkommen. Das sind ja an sich gutartige Tumore. Was macht sie so gefährlich?
Thymome sind Tumore im Bereich des Brustkastens und des Thorax und meistens gutartig. Das Problem ist aber, dass sie, wenn sie wachsen, auf die Luftröhre und das Herz drücken. Als Symptomatik treten dann Apathie, Leistungsschwäche und Dyspnoe auf. Der Brustkorb von Kaninchen ist ohnehin eher klein – wenn dann noch raumfordernde Prozesse eintreten, führt das schnell zu Atemnot. Ein weiteres Symptom können hervorstehende Augäpfel sein, weil der Blutfluss gestört wird und das Blut zurückgestaut wird.

Welche Therapiemöglichkeiten gibt es beim Thymom?
Ideal wäre die chirurgische Entfernung, aber da gibt es beim Kaninchen viele Komplikationen: Die Anästhesie ist bei erkrankten Tieren schwierig, es kann zu Blutungen und Infektionen kommen; daher ist die Prognose bei operativen Entfernungen schlecht. Es werden daher eher alternative Behandlungen gewählt, die das Leben verlängern und die Lebensqualität steigern. Dabei spielen Bestrahlungen eine große Rolle, bei denen sich der Tumor relativ schnell zurückbildet. Bereits nach vier bis fünf Sitzungen hat man zumeist gute Erfolge. Vor jeder Bestrahlung muss das Tier in Narkose gelegt werden. Um die Größe des Tumors zu überprüfen, werden CTs gemacht. Der kritische Punkt ist hier, dass diese Therapie sehr teuer ist. Dazu kommt, dass der Tumor trotzdem wieder wachsen kann; meist kommt er innerhalb eines Jahres zurück. Es gibt aber einige Besitzer, die diese Behandlungsform wählen. Wenn sie mit dem Kaninchen zu uns kommen, das schwere Atemnot hat, könnte man es sonst nur erlösen. Viele Tierhalter wollen ihrem Tier helfen und entscheiden sich deshalb für die Bestrahlungstherapie. Oft geht es dem Kaninchen bereits nach zwei Behandlungen besser, es atmet normal, wird wieder aktiver und hat mehr Interesse. Die Besitzer gewinnen so Zeit mit dem Tier, und das bei guter Lebensqualität.

Gibt es neue Studien oder Forschungsergebnisse zu diesem Thema?
Ja, es gibt eine neue Studie zum Thema Thymom­behandlung und mediastinale Massen. Darin wurde die Wirkung einer Bestrahlungstherapie mit einer lebenslangen Kortisonbehandlung verglichen. Es wurde festgestellt, dass ein Teil der Kaninchen durchaus gut auf die Kortisongabe angesprochen hat. Dies kann eine gute Alternative zur doch teuren Bestrahlungstherapie sein. Das Gebiet ist noch wenig erforscht, wir haben derzeit nur erste Daten. Bei kleinen Heimtieren gibt es viele Arten von Krankheiten, daher entwickelt sich dieser Bereich nur langsam; dennoch ist es gut, diese Möglichkeit zu kennen, denn Tierärzte sollten Tierhaltern alle verfügbaren wissenschaftlich erforschten Optionen vorschlagen.

DER ZWEITE SCHWERPUNKT DES INTERVIEWS betrifft Erkrankungen des Magen-Darm-Trakts beim Meerschweinchen. Meerschweinchen haben häufig einen empfindlichen Magen-Darm-Trakt und leiden immer wieder an Beschwerden wie Durchfall, Verstopfung und Blähungen. Woran liegt das?
Dass Meerschweinchen zu solchen Problemen neigen, hängt mit ihrer Verdauung zusammen. Meerschweinchen sind Dickdarmfermentierer, wie Kaninchen auch; die Verdauung ist dadurch anfällig für pathologische ­Prozesse, sei es über die Fütterung mit zu viel leicht verdaulichem Futter, sei es durch Behandlungen wie eine Antibiotikatherapie, die die Darmflora durcheinanderbringt, sei es durch Schmerzen aufgrund von Zahnproblemen, die das Meerschweinchen am Kauen hindern. Aus diesen Problemen kann ein Ungleichgewicht in Darmflora und ­Peristaltik entstehen. Wenn der Futterbrei im Darm nicht weitertransportiert wird, kann es zu Blähungen, Verdrehungen, Verstopfung oder Durchfall kommen. Es kann aber auch eine primäre Ursache wie eine Infektion hinter dem Darmproblem stecken. Gewisse Erreger wie Salmonellen können sich ausbreiten und zu einer Darmentzündung führen.

Wie gehen Sie konkret vor, wenn ein Meerschweinchen mit Verdauungsproblemen in die Klinik gebracht wird?
Zuerst machen wir eine genaue Anamnese mit dem Tier­halter. Wir stellen Fragen zu Haltung, Fütterung, Gruppen­struktur, Stress, Umstellungen – alles Faktoren, die das Verdauungs­geschehen beeinflussen können. Wir über­prüfen, ob das Tier Zahnprobleme hat oder ob es Parasiten im Kot gibt. Auch Nierensteine können zu Verdauungs­störungen führen. Wenn wir eine Diagnose haben, dann können wir gezielt therapieren.

Wie werden diese Beschwerden therapiert?
Oft muss das Meerschweinchen zu Beginn erst einmal stabilisiert werden, denn ein geblähtes Tier kann schnell ein Kreislaufversagen erleiden und sterben. Als erste Maßnahme verabreicht man dem Tier dann Sauerstoff, Wärme, Schmerzmittel und Flüssigkeit mittels Infusion. Dann wird gezielt vorgegangen und man behandelt im Bedarfsfall die Zähne. Meistens ist es notwendig, Meerschweinchen einige Tage künstlich zu ernähren. Dafür müssen sie mehrere Tage in der Klinik bleiben, später können das die Tierhalter auch zu Hause machen. In vielen Fällen ist auch eine Futterumstellung oder zumindest eine Optimierung der Fütterung angesagt.

Was können Tierhalter im Akutfall und vorbeugend tun?
Meerschweinchen müssen genügend trinken, das Futter sollte leicht verdaulich sein. Am besten ist es, wenn dem Tier gutes Heu und rohfaserreiches Trockenfutter, zum Beispiel getrocknete Kräuter, gegeben werden. Körner, Frischfutter und Früchte sollten aus der Diät genommen werden. Wenn sich der Zustand des Tiers nicht innerhalb eines halben Tages bessert, sollte der Tierarzt auf­gesucht werden, denn Blähungen sind gefährlich für Meerschweinchen, sie wirken sich auf den Kreislauf aus, und das kann lebensbedrohlich für das Tier werden. Jede Stunde, die man früher eingreifen kann, ist wertvoll.

Gibt es neue Erkenntnisse zu diesem Thema?
Nicht grundlegend neu, was aber im Moment detailliert analysiert wird, ist der Komplex der gastrointestinalen Stase. Wenn etwa bei einer Ultraschalluntersuchung verlangsamte Bewegungen erkannt werden, wird man sich den Bereich genauer ansehen. Es hat sich nämlich gezeigt, dass verschiedene Ursachen zu einem ähnlichen Bild führen können. Dieser gesamte pathophysiologische Komplex wird derzeit genauer betrachtet.

Haben Sie eine Empfehlung für die Tierärzte in der Praxis?
Das Wissen in diesem Bereich nimmt ständig zu. Die in­terne Medizin der kleinen Heimtiere ist ein Gebiet, das sich kontinu­ierlich weiterentwickelt. Um keinen Rückstand aufkommen zu lassen, ist es daher wichtig, sich up to date zu halten und sich mit der aktuellen Literatur auseinanderzusetzen. Es ist nicht zwingend, alle Therapien selbst durchzuführen oder anzubieten, aber man sollte alle Möglichkeiten kennen und die Tierhalter entsprechend aufklären und beraten.