Nationale
Eine siebenjährige, weibliche, kastrierte Deutsch-Kurzhaar-Hündin wurde in der Tierklinik Parndorf zur internistischen Abklärung vorstellig.
Anamnese
Die Hündin wurde aufgrund einer dreitägigen Vorgeschichte mit generalisierten, epileptiformen Anfällen (Dauer etwa 5 Minuten) mit relativ langer Erholungsphase vorgestellt. Vor den Anfällen zeigte die Hündin kein abnormales Verhalten. Die Patientin wurde mit Desoxyphenobarbital 250 mg vom überweisenden Tierarzt ohne vorangegangene Diagnostik vorbehandelt. Der Besitzer verabreichte am Morgen des Vorstellungstages zwei Tabletten (15 mg/kg), weil sie sich seiner Meinung nach komisch verhalten hatte. Des Weiteren zeigte sie normale Futter- und Wasseraufnahme sowie Kot- und Harnabsatz. Sie wurde regelmäßig geimpft und entwurmt. Die Aufnahme von toxischen Substanzen konnte weitgehend ausgeschlossen werden. Die Hündin wurde jagdlich geführt, war nie im Ausland und hatte keine schwerwiegenden Vorerkrankungen oder Operationen.
Klinische Untersuchung
Bei der klinischen Untersuchung zeigte die Patientin ggr. reduziertes Allgemeinbefinden und ein ataktisches Gangbild (post Desoxyphenobarbital?), war aber aufmerksam und responsiv. Sie hatte mgr. gerötete Schleimhäute und eine normale innere Körpertemperatur (38,0 °C). Die neurologische Untersuchung zeigte ggr. verzögerte Stellreflexe und eine Mydriasis an beiden Augen. Die restliche klinische und neurologische Untersuchung war unauffällig.
Problemliste inklusive Differentialdiagnosen
Die generalisierten Anfälle wurden als das Hauptproblem eingestuft. Die Problemliste wurde des Weiteren um ggr. reduziertes Allgemeinbefinden, milde Ataxie, ggr. verzögerte Stellreflexe und bds. Mydriasis ergänzt. Diese Probleme können sowohl Teil der zugrunde liegenden Erkrankung als auch Nebenwirkungen des Desoxyphenobarbital sein. Zusätzlich wurden die mgr. geröteten Schleimhäute in die Problemliste einbezogen.
Bei Patienten mit generalisierten Anfällen ist es wichtig, zwischen epileptiformen Anfällen und Synkopen zu unterscheiden. Epileptiforme Anfälle werden durch extra- und intrakraniale Erkrankungen und, per Ausschluss, durch idiopathische Epilepsie verursacht. Ex-trakraniale Ursachen sind metabolisch/toxische (z. B. Hypoglykämie, Hypokalzämie, Hepatoenzephales Syndrom, Vergiftungen und Natrium-Imbalancen), entzündliche (z. B. immun-mediiert), infektiöse, neoplastische, traumatische und vaskuläre Erkrankungen (z. B. Blutung und Thromboembolie).
Ataktisches Gangbild kann in vestibuläre, cerebelläre/spinocerebelläre und sensorische Ataxie eingeteilt werden. Ein Vestibulärsyndrom kann peripher oder zentral sein. Zentrales Vestibulärsyndrom kann durch eine Läsion im Kleinhirn oder Hirnstamm (z. B. Entzündung, Neoplasie oder Blutung) verursacht werden. Im Gegensatz dazu entsteht ein peripheres Vestibulärsyndrom durch eine Läsion des Nervus vestibulocochlearis des Innenohrs (z. B. bei Otitis media/interna, Neoplasie und geriatrischem Vestibulärsyndrom). Cerebelläre oder spinocerebelläre Ataxie kann durch Läsionen im Kleinhirn (z. B. Kleinhirnhypoplasie, Kleinhirnatrophie, Speicherkrankheiten, Entzündung, Infarkt oder Neoplasie) oder Läsionen im Rückenmark der Halswirbelsäule (z. B. Bandscheibenvorfall, Wobbler-Syndrom, und Hypoplasie des Dens axis) entstehen. Sensorische Ataxie geht einher mit proprioceptiven Defiziten und wird zum Beispiel durch Bandscheibenvorfälle, Rückenmarksneoplasien und degenerative Myelopathie verursacht.
Stellreflexe haben einen komplexen Weg und eine Läsion an einer Komponente dieses Weges führt zu abnormalen Stellreflexen. Dieser Weg beinhaltet Gelenksproprioceptoren, periphere sensorische und motorische Nerven, Rückenmark, Hirnstamm, Großhirn und Skelettmuskulatur.
Gerötete Schleimhäute können durch erhöhte Durchblutung nach starker körperlicher Belastung oder bei Vasodilatation aufgrund eines septischen Schocks oder bei lokaler Entzündung auftreten. Weitere Ursachen stellen polyzythämische Veränderungen dar.
Mydriasis mit normaler Drohantwort kann durch Stress, Irisatrophie, Medikamente (z. B. Atropin oder andere Mydriatika), Läsionen im Bereich des Nervus occulomotorius oder des Mittelhirns (z. B. Neoplasie, Entzündung und Herniation) auftreten.
Untersuchungen
Initiale diagnostische Tests beinhalteten eine Blutuntersuchung für Differenzialblutbild und ein biochemisches Organprofil.