Ins Maul geschaut:

Gesunde Zähne sind ein Muss

Bettina Kristof

Zahnimplantate für Hunde, Zahnregulierungen für ­Katzen, Zahnsteinentfernung und Wurzelbehandlung für Heimtiere – es gibt in der Zahnheilkunde mittlerweile fast nichts, was es nicht auch für Tiere gibt. Aber welche Behandlungen sind sinnvoll, was ist das Beste für das Tierwohl? Wir befragten Dr. Gerhard Biberauer, praktischer Tierarzt, Spezialgebiet Zahnmedizin, und Vizepräsident der Österreichischen Gesellschaft für tierärztliche Zahnheilkunde (ÖGTZ), zu den Themen Prophylaxe, Zahn­behandlungen und Zahnfehlstellungen.

Sie sind allgemeiner Tierarzt mit dem Spezialgebiet Zahnmedizin. Wie kam es zu dieser Entwicklung?
Mein Interesse an der Zahnheilkunde für Tiere wurde schon während des Studiums geweckt. Außerdem bekam ich selbst Zahnprobleme und habe mich dadurch bereits während des Vetmed-Studiums mit dem Dentalbereich beschäftigt. So kam eines zum anderen. Ich habe dann gleich nach dem Studium Weiterbildungen in Zahnheilkunde für Tiere gemacht und meine Tierpraxis von Beginn an diesem Schwerpunkt gewidmet. 

Wie viel Prozent Ihres Umsatzes machen Sie schätzungsweise mit Zahnbehandlungen?
Das ist nicht in jedem Monat gleich, aber im Durchschnitt kann man sagen, dass die Zahnheilkunde etwas über 50 Prozent des Umsatzes ausmacht. 

Wie oft sollten Tierzähne kontrolliert werden?
Grundsätzlich einmal im Jahr im Rahmen der routinemäßigen tierärztlichen Untersuchung. Es wäre gut, wenn auch die Tierhalter die Zähne ihrer Tiere regelmäßig kontrollieren und im Verdachtsfall zum Tierarzt kommen würden. Wir behandeln in unserer Ordination sämtliche Kleintiere, die Zähne haben.

Wann überweisen Tierärzte an Sie?
Zahnstein entfernen und einfache Extraktionen durchführen kann im Prinzip jeder Tierarzt. Alles, was darüber hinausgeht, wird zumeist an Fachkollegen überwiesen. Es beginnt schon damit, dass vor der Behandlung ein intra­orales Röntgen gemacht werden muss. Das hat nicht jeder Tierarzt, es ist aber für die Diagnose wichtig. 

Was ist das Ziel der Zahnheilkunde bei Tieren?

Eindeutig Schmerzfreiheit und Gesundheit der Tiere. Paro­dontalerkrankungen sind deswegen so gefährlich, weil die Tiere dabei unter dem Zahnfleisch oder unter massivem Zahnstein nicht sichtbare eitrige Wunden im Maul haben. Das kann zu Erkrankungen der Leber und der Nieren führen und muss deshalb behandelt werden. 

Welche Methoden gibt es zur Korrektur von Zahn­fehlstellungen?
Da gibt es grundsätzlich drei Ansatzpunkte: Den fehlgestellten Zahn extrahieren, kürzen oder bewegen. Ziel der Behandlung muss sein, dass das Tier schmerzfrei ist. In der Zahnheilkunde bei Tieren steht dies eindeutig im Vordergrund, die Ästhetik ist dabei nicht so wichtig. Eine Unterkiefer-Eckzahnfehlstellung kann beispielsweise schmerzhaft sein, die wird dann durch eine der genannten Möglichkeiten korrigiert. Es setzt sich international immer mehr durch, den Zahn zu kürzen und vital zu erhalten. Dies erfolgt mittels einer speziellen sterilen Wurzel­behandlung. Oft ist es aber auch möglich, die fehlgestellten Zähne durch aktive Kräfte oder durch passiv wirkende Aufbissschienen in eine fast normale Okklusion zu bringen.

Brackets bei Hunden und Katzen – wie zielführend sind diese Behandlungen?
Wie Sie sich vielleicht vorstellen können, halten Brackets bei Hunden nicht so gut. Wenn man beispielsweise einen Unterkiefercaninus-Engstand korrigieren möchte, verwende ich dafür lieber Metallbänder mit Haken und im Labor angefertigte Kieferapparate, die, richtig zementiert, besser halten. Doch auch hier gilt: Nur wenn man mit einer derartigen Behandlung die Schmerzfreiheit des Tieres erreichen kann, führe ich sie durch. Nicht aus optischen Gründen wie beim Schneidezahnkreuzbiss, weil ein Züchter das Gebiss seines Tieres korrigieren lassen möchte.

Wie sinnvoll sind Zahnimplantate bei Hunden?
Bei Arbeitshunden, etwa Polizeihunden, die ihre Zähne beim Einsatz brauchen, können Implantate sinnvoll sein. Wenn sie gut gemacht sind, halten sie auch. Aber bei Tieren, die auf Ausstellungen gehen oder zur Zucht verwendet werden, ist das Implantieren von Zähnen abzulehnen. Dasselbe gilt für Korrekturen von Fehlstellungen, denn dadurch würde ein vollständiges, schönes Gebiss lediglich vorgetäuscht werden. Das wäre nicht seriös. Zahn­implantate bei Hunden sind nur ein Randgebiet in der Zahnheilkunde für Tiere. Einem Hund geht ein fehlender Zahn normalerweise nicht ab, und aus kosmetischen Gründen braucht er kein Implantat. 

Wie kann man Zahnproblemen bei Tieren vorbeugen? Gibt es da spezielle Ernährungsempfehlungen?
Das Wichtigste ist regelmäßiges Zähneputzen, das ist der Goldstandard, vor allem beim Hund. Dafür sollte man eine weiche Zahnbürste und eine spezielle Zahnpasta für Hunde verwenden. Für die Zahngesundheit der Hunde ist auch alles vorteilhaft, was die Tiere kauen können: Vom Kauknochen über Knochenstangerl bis zu Dentastix ist alles geeignet, um Zahnstein und Zahnbelägen vorzubeugen. Die Materialien dürfen nur nicht zu hart sein, weil die Zähne sonst brechen könnten. Hirschgeweih ist beispielsweise umstritten, weil es sehr hart ist. Auch Rinderknochen, Holzscheite oder hartes Plastikspielzeug können zu gebrochenen Zähnen führen. Tennisbälle sind ganz schlecht, die reiben die Zähne ab, die können sogar zu offenen Wurzelhöhlen führen. Bei Kaninchen und Meerschweinchen sollte man auf rein pflanzliche Ernährung achten und ihnen kein Getreide und auch kein ­Zusatzfutter mit Getreide oder Kohlehydraten in großen Mengen geben, sonst wachsen die Backenzähne zu schnell und es kommt zu Problemen. Bei Katzen hat das Futter generell einen geringen Einfluss auf die Zahngesundheit. Günstig wirkt sich hier Trockenfutter aus, das speziell textiert ist, sogenannte Dentalkroketten. Bei Katzen ist der individuelle genetische Einfluss auf die Gesundheit der Zähne ­größer, als man glaubt!

Was halten Sie von Ultraschallzahnbürsten für Hunde?
Ich finde sie unpraktisch. Damit eine Ultraschallbürste einen positiven Effekt auf die Zahnreinigung hat, muss man drei Minuten auf einer Stelle bleiben. Es liegt auf der Hand, dass das Hunde nicht durchhalten!

 

Warum ist eine Zahnsteinentfernung bei geriatrischen Patienten besonders wichtig?
Es geht darum, Parodontalerkrankungen im Zaum zu halten. Bei älteren Tieren muss man auch öfter eine Mundhöhlensanierung machen. Wenn die Zähne gesund sind, kann man Erkrankungen vorbeugen. Manche Hunderassen sind besonders anfällig, im Alter an schlechten Zähnen zu leiden: Besonders Pudel, Yorkshire Terrier, Möpse und Boxer haben oft Zahnprobleme. Wenn die Zähne saniert sind, werden die inneren Organe nicht geschädigt. Die Tiere fressen besser, sind schmerzfrei und haben mehr Lebensfreude.

Bemerken Sie in den letzten Jahren eine Zunahme bei Zahnproblemen?
Es gibt mehr Bewusstsein bei den Tierhaltern und bei den Tierärzten, dadurch habe ich mehr Patienten. 

Sie waren ja Gründungsmitglied der ÖGTZ und sind jetzt Vizepräsident. Welche Zielsetzungen hat die Gesellschaft? 
Die ÖGTZ will der Öffentlichkeit die Wichtigkeit der tierischen Zahngesundheit bewusst machen, vor allem im Hinblick auf die Schmerzfreiheit der Tiere. Außerdem wollen wir den praktizierenden Tierärzten Ausbildungen anbieten, mit dem Ziel, den Fachtierarzt für Zahnheilkunde bei Tieren zu etablieren. Die Gründung der ÖGTZ war auch wichtig, um Österreich als Player im Bereich der Zahnheilkunde bei Tieren ins Spiel zu bringen und international zu vernetzen. In der ÖGTZ Mitglied zu sein hat einen hohen Stellenwert.

 

Der europäische Kongress für Tierzahnheilkunde -fin-det heuer in Innsbruck statt. Welche Schwerpunkte werden dort behandelt?
In den verschiedenen Vortragsstreams werden „essentials, intermediate/advanced“, vor allem bei Hunden, Katzen und Heimtieren, aber auch bei Exoten wie Hyänen und Bären, ein Thema sein. Es gibt auch einige interaktive Sessions und einen praktischen Study Day sowie einen eigenen deutschsprachigen Vortragsstream. Die Pferdezahnheilkunde wird auch extra von international renommierten Spezialisten in einem eigenen Stream vorgetragen werden. Des Weiteren werden Trends aufgezeigt; so wird ein Vortrag von Spezialisten aus Davis, Kalifornien, gehalten werden, in dem es um 3-D-Rekonstruktion nach einer Tumor-OP geht. Narkosehandling von Zahnpatienten mit Herzerkrankungen wird auch ein Thema sein. 

Welchen Stellenwert hat Österreich im Vergleich zu anderen Ländern?
Die Vetmeduni Wien war in den 1980er-Jahren eine der ersten Stellen, an der Zahnheilkunde für Kleintiere und Pferde auf hohem Niveau gelehrt wurde. Auch heute hat Österreich wieder anerkannte Professoren im Bereich der tierärztlichen Zahnheilkunde, wie zum Beispiel Professor Dr. Alexander Reiter, Dipl. AVDC, EVDC, der an der renommierten Universität Philadelphia tätig ist. Dass im vierten Jahr der Gründung der ÖGTZ der internationale Kongress EVDF (European Veterinary Dental Forum, Anm.) heuer ab Ende Mai in Innsbruck stattfindet, spiegelt sicherlich die Anerkennung der Bemühungen auf dem Gebiet der Zahnheilkunde in Österreich wider. 

Was empfehlen Sie einem Kollegen, der sich auf den Bereich Zahnmedizin bei Tieren spezialisieren will?
Ganz einfach: In Österreich Mitglied der ÖGTZ zu werden – hier sind alle Tierärzte, die sich auf dem Gebiet der Zahnheilkunde weiter- und ausbilden wollen, herzlich willkommen. Die ÖGTZ ist auch gut international vernetzt und bietet sowohl für Anfänger als auch schon sehr Fortgeschrittene in der Zahnheilkunde eine passende Plattform!