Lautlose Gefahr:

Infektionskrankheiten bei der Katze

Bettina Kristof

Generell empfiehlt die Virologin Ao. Univ.-Prof. Dr. Karin Möstl: „So oft impfen wie erforderlich – und so wenig wie möglich!“

Es gibt zahlreiche Infektionskrankheiten, die der Katze gefährlich werden können. Gegen viele von ihnen gibt es Impfungen, die das Tier schützen können. Manche Impfungen sind als Prophylaxe jedenfalls erforderlich, bei anderen aber hängt es von den Lebensumständen der Katze ab. Daher sollte der Tierarzt / die Tierärztin immer in Abstimmung mit dem Tierhalter entscheiden, was das Beste für das jeweilige Tier ist – Individualität ist angesagt!

Um Näheres darüber zu erfahren, interviewten wir die Virologin Ao. Univ.-Prof. Dr. Karin Möstl, die bis 2014 an der Vetmeduni Vienna tätig war. Möstl ist noch immer in verschiedenen Bereichen aktiv; sie ist etwa Vizepräsidentin des European Advisory Board on Cat Diseases (ABCD), stellvertretende Chefredakteurin der Wiener Tierärztlichen Monatsschrift und Mitglied des VÖK-Vorstands.

Frau Dr. Möstl, Sie haben sich gerade in den letzten Jahren vor allem auf Infektionskrank­heiten der Katze spezialisiert. Gegen welche Infektionskrankheiten sollte man seine Katze impfen lassen?
Gegen diverse Infektionskrankheiten der Katze wird schon lange geimpft, etwa gegen die Panleukopenie; aber der Durchimpfungsgrad dürfte – zumindest in verschiedenen Populationen – gerade bei Katzen zu niedrig sein. Das kann fehlende oder schlechte Herdenimmunität bedeuten. Wenn ein Infektionserreger mit hohem Ansteckungspotenzial in eine ungenügend geschützte Population gelangt, ist ein massiver Anstieg an Krankheitsfällen die Folge. Ein solches Szenario sehen wir gerade bei der SARS-CoV-2-Infektion, die eine ungeschützte Population trifft. Bei den verfügbaren Vakzinekomponenten für die Katze unterscheidet man zwischen Core- und Noncore-Komponenten. Mit den Core-Komponenten sollte jede Katze geimpft werden, auch die reine Wohnungskatze. Dazu gehört vor allem die Panleukopenie, da Parvoviren aufgrund ihrer hohen Tenazität auch indirekt, etwa über Schuhe, nach Hause gebracht werden können. Noncore-Komponenten hingegen können für das einzelne Individuum wichtig sein, sind aber nicht für jede Katze sinnvoll. Das hängt von ihrem Lebensstil ab – so benötigt eine reine Wohnungskatze, die keine Expositionsgefahr hat, zum Beispiel keine Impfung gegen das Feline Leukämievirus (FeLV, Anm.).

Impfungen können auch Nebenwirkungen haben – es gibt Tierbesitzer, die ihr Tier deshalb nicht impfen lassen …
Ich beobachte extreme Positionen. Einerseits gibt es Tierhalter, die gegen alles und auch zu oft geimpft haben wollen, andererseits gibt es die kompletten Verweigerer. Wie so oft liegt meiner Meinung nach der richtige Weg in der Mitte. Impfungen gehören zu den potentesten Prophylaxemöglichkeiten und haben vielen Krankheiten ihren Schrecken genommen. Sie müssen daher weiterhin eingesetzt werden, denn viele der Erreger kursieren nach wie vor in Populationen. Die zur Verfügung stehenden Impfstoffe sind sehr wirksam und auch sehr sicher. Bei keinem Impfstoff allerdings kann man negative Nebenwirkungen gänzlich ausschließen, sodass ein unkritischer Einsatz an Tieren, die die konkrete Impfung nicht benötigen oder die bereits immun sind, abzulehnen ist. Es bedarf daher vor jeder Impfung einer Nutzen-Risiko-Abwägung und einer individuellen Entscheidung in Abstimmung mit dem Tierbesitzer.

Früher wurde meist jährlich nachgeimpft. Welche Nachimpfintervalle werden aktuell empfohlen?
Einmal jährlich sollte jede Katze zur Gesundenuntersuchung vorgestellt werden. Bei dieser Gelegenheit sind auch die Impfbedürfnisse nach einem klärenden Gespräch mit dem Tierbesitzer individuell zu erheben. Gegen verschiedene Erreger, etwa die Panleukopenie, sind unter normalen Umständen Drei-Jahres-Interval­le völlig ausreichend; kürzere Intervalle ­bringen keinerlei Vorteil und die Expertenboards raten von einem „Überimpfen“ ab. Immer mehr setzen sich Antikörpertiter-Bestimmungen durch, teilweise auch schon als Schnelltests, die eine Orientierung bezüglich des Schutzzustands des einzelnen Tiers und damit eine Entscheidungshilfe bezüglich Impfung bieten. Es gibt aber auch Vakzinekomponenten, die tatsächlich jährlich nachgeimpft werden müssen – etwa gegen die Leptospirose des Hundes – oder die individuellen Risiken anzupassen sind, Stichwort Katzenschnupfen. Generell gilt die Regel: „So oft impfen wie erforderlich und so wenig wie möglich.“

Gibt es zu Infektionskrankheiten der Katze neue Erkenntnisse, die für die Tierärzteschaft wichtig sind?
In den letzten Jahren haben sich erweiterte Möglichkeiten zur Diagnose von Infektionen mit FeLV verstärkt etabliert. Schon lange bekannt und vielfach verwendet ist der p27-Antigen-Nachweis, wofür auch Schnelltests als In-house-Tests zur Verfügung stehen. Er ist gut geeignet zur Detektierung von virämischen Katzen, vor allem, wenn es sich um progressiv infizierte Tiere handelt – früher als persistent virämisch bezeichnet –, die ein hohes Krankheitsrisiko haben. Bei der FeLV-Infektion gibt es aber auch eine abortive und eine regressive Verlaufsform. Bei der abortiven Form ist weder Virus noch Antigen nachweisbar, lediglich vorhandene Antikörper weisen auf die stattgefundene Infektion hin; bei der regressiven Verlaufsform kommt es üblicherweise zur Virämie, die aber nach unterschiedlicher Dauer eliminiert werden kann (transiente Virämie, Anm.). Die genetische Information bleibt aber im Allgemeinen als Provirus im Knochenmark lebenslang vorhanden und kann unter ungünstigen Umständen reaktiviert werden. Regressiv infizierte Katzen beherbergen nach Eliminierung der Virämie weder Virus noch Antigen im Blut, der Antigentest fällt also negativ aus. Sie sind aber Provirus-positiv, was mittels DNA-PCR nachgewiesen werden kann. Die Detektierung von regressiv infizierten Katzen ist von Bedeutung, weil sie erstens potenziell wieder zu Virusausscheidern werden können, zweitens nicht als Blutspender für Bluttransfusionen herangezogen werden sollen – eine Übertragung der FeLV-Infektion auf die Empfängerkatze ist möglich! – und drittens keine Impfung gegen FeLV benötigen; sie sind Antikörper-positiv. Als weitere Diagnosemöglichkeit steht noch eine PCR zum Nachweis von FeLV-spezifischer RNA im Blut und im Speichel zur Verfügung.

Virale RNA ist sehr früh nach der Infektion nachweisbar, noch bevor der Antigentest positiv wird; ihr Nachweis ist ein verlässlicher Hinweis auf eine bestehende Virämie. Zur Erkennung von bereits immunen Katzen wäre ein Antikörpertest hilfreich. Derzeit bieten nur wenige Labors einen solchen an – Bemühungen, weitere praxisgeeignete Tests zu entwickeln, sind im Gange.

Sie sind auch für das European Advisory Board on Cat Diseases, das ABCD, tätig. Was sind die Aufgaben dieses Expertenboards?
Das European Advisory Board on Cat Diseases erstellt Guidelines zu verschiedenen Infektionskrankheiten der Katze und damit verbundenen Themen, etwa zu Infek-tionsrisiken bei Bluttransfusionen bei der Katze, zur Impfung von Katzen mit Immunsuppression et cetera. Insgesamt gibt es derzeit 50 Guidelines, drei weitere sind gerade in Bearbeitung – das ist alles auf der Website www.abcdcatsvets.org ersichtlich. Die Guidelines sind auf Englisch verfügbar, zahlreiche Factsheets auch auf Deutsch. Auch zur gerade erwähnten FeLV-Infektion gibt es eine Guideline, ein Factsheet und ein Tool, das in Form eines Diagnosebaums Hilfestellung bei der Vorgehensweise für verschiedene Fragestellungen und eine Entscheidungshilfe bei der Diagnose bietet. Auf der Website des ABCD gibt es zum Beispiel auch ein Tool für Impfempfehlungen für Katzen in verschiedenen Lebenssituationen – also je nachdem, ob es sich um eine Wohnungskatze, einen Freigänger, eine Tierheim- oder eine Zuchtkatze handelt.

Aus gegebenem Anlass muss ich auch Ihnen diese Frage stellen: Welche Rolle spielen Hunde und Katzen bei der Verbreitung von Covid-19?
Korrekt formuliert muss man sagen, dass es derzeit (Stand 19. März 2020, Anm.) keinen Hinweis darauf gibt, dass Hunde oder Katzen an diesem Virus erkranken oder zu dessen Verbreitung beitragen. Ob es dazu weitere Entwicklungen oder Erkenntnisse geben wird, lässt sich derzeit nicht abschätzen. Das Friedrich-Loeffler-Institut hat mit Untersuchungen begonnen, inwieweit speziell Nutztiere für den Erreger empfänglich sein und zur Verbreitung beitragen könnten. Als Vorsichtsmaßnahme wird empfohlen, dass Personen mit bestätigter -SARS-CoV-2---Infektion Kontakt mit ihren Tieren vermeiden sollen, zusätzlich zu den ohnehin immer geltenden Hygienemaßnahmen im Umgang mit Tieren. Es besteht jedenfalls keinerlei Grund, sich aus Sorge vor Ansteckung von Hunden oder Katzen zu trennen. Hunde und Katzen werden mit caninen enteralen bzw. felinen Coronaviren infiziert, die in diesen Spezies auch krank machend sind – zum Beispiel die gefürchtete FIP bei der Katze. Diese Coronaviren haben aber nichts mit dem neuen SARS-CoV-2 zu tun; sie gehören einer anderen Gruppe von Coronaviren an.