Kranker Welpe, abortiertes Fohlen –

trotz verabreichter Impfung?

Dr. med. vet. Angelika Auer
Institut für Virologie Veterinärmedizinische Universität Wien

Impfen schützt nicht immer vor Erkrankungen. Warum das so ist und weshalb man diese Impfungen trotzdem empfehlen sollte, lesen Sie im folgenden Beitrag.

Impfen gehört zum Arbeitsalltag in der tierärztlichen ­Praxis, und auch die Akzeptanz für Impfungen ist bei den meisten TierbesitzerInnen offenbar groß. Das ist auch gut so, denn von Social Distancing halten Hund und Freigänger­katze oft nur wenig. Zudem bleiben so manche Viren in der Umwelt sehr lange infektiös und können leicht von den TierbesitzerInnen über Schuhe und Kleidung mit nach Hause ­gebracht werden.

Auch bei den häufig etwas impfkritischeren PferdebesitzerInnen dürfte nach mehreren medial präsenten ­EHV-1-Todesfällen und Aborten die Impfbereitschaft wieder steigen: schneller, als die Hersteller liefern können, ein derzeit pandemiebedingt auch bei uns ZweibeinerInnen bekanntes Problem.

 

Wieso aber erkranken geimpfte Welpen zum Beispiel an Parvovirose?

Die Parvoviren von Hund und Katze sind eng miteinander verwandt und führen bei nicht immunen Tieren häufig zu schweren, oft auch tödlichen Erkrankungen. Die Viren sind äußerst resistent gegenüber Umwelteinflüssen und herkömmlichen Desinfektionsmitteln. Auf einer kontaminierten Hundewiese, aber auch auf verschiedenen Oberflächen können sie mehrere Monate lang ansteckungsfähig bleiben.

Die gute Nachricht: Ein korrekt geimpftes adultes Tier ist geschützt. Die schlechte Nachricht: Welpen, die in einer kontaminierten Umgebung leben oder Kontakt zu den Erregern haben, sind trotz Impfung in ihren ersten Lebensmonaten in Gefahr.

Warum auch Welpen erkranken können, die in der achten Lebenswoche (LW) ihre erste oder gar in der zwölften LW auch ihre zweite Impfung bereits erhalten haben, liegt an der sogenannten immunologischen Lücke. Maternale Antikörper, die in den ersten Lebenswochen im Blutkreislauf der Welpen zirkulieren und das Tier vor Infektionen schützen, „schützen“ die Tiere ungewollt auch vor den Impfviren der MLVs (Modified Live Vaccines). Anstatt zu replizieren und eine Immunantwort beim Welpen zu induzieren, können diese harmlosen Impfviren zum Teil rasch neutralisiert und damit unwirksam gemacht werden. Erst in der 16. LW (bei Katzen u. U. erst in der 20. LW) kann mit großer Sicherheit davon ausgegangen werden, dass die maternalen Antikörper abgebaut sind und das Jungtier auf die Impfung mit einer aktiven und belastbaren Immunantwort reagiert.

„Warum dann nicht gleich erst mit 16 Wochen impfen?“, mag sich der eine oder andere jetzt fragen – weil man die Höhe und den Verlauf der maternalen Antikörper-Titer im Individuum nicht vorhersagen kann. Der Nestschutz wird von vielen Faktoren wie Immunisierung der Mutter, Versorgung mit Muttermilch, Aufnahme von Antikörpern über den Darm, Stress und letztendlich auch vom Verbrauch dieser passiv erworbenen Antikörper durch hohen Infektionsdruck beeinflusst. Im schlechtesten Fall ist ein Welpe in den verwundbarsten Wochen seines Lebens komplett ohne Schutz gegen tödliche Viren. Auch wird häufig auf die Impfung in der 16. LW vergessen. Dadurch bleiben Tiere, die wegen ­hoher maternaler Antikörper mit zwölf Wochen noch keinen aktiven Schutz ausbilden konnten, in einer äußerst aktiven ­Phase ihres Lebens über Monate ungeschützt. Sie erkranken schwer, trotz zweimaliger „Grundimmunisierung“. Ähnliches bezüglich der immunologischen Lücke gilt übrigens auch für die anderen Viren der MLV-Core-Impfungen, zu denen beim Hund außerdem noch das Hundestaupevirus (CDV) und bei der Katze die viralen Auslöser des Katzenschnupfens (FCV, FHV-1) zählen.

Die Impfung gegen das Canine Adenovirus (CAV), welche Schutz gegen den Erreger der Hepatitis contagiosa canis bietet, zählt laut den Angaben der Ständigen Impfkommission Vet (Stiko Vet, Deutschland, Friedrich-Loeffler-Institut, FLI) seit 2021 nicht mehr zu den Core-Komponenten, was jedoch aus Mangel an Alternativen zu den üblichen Kombiimpfstoffen kaum praktische Bedeutung hat.

Richtige Infektionsprophylaxe bei Hund und Katze

Eine vollständig durchgeführte Welpen-Impfserie mit MLV-Impfstoffen (achte, zwölfte und 16. LW, bei der Katze ev. auch 20. LW), weitere Impfungen nach den Maßgaben der jeweils aktuellen Impfleitlinien (z. B. die der StIKo des FLI) sowie bei hohem Infektionsdruck oder schlechter Immunitätslage der Mutter auch eine vorgezogene Puppy-Impfung ab der sechsten LW können das Erkrankungsrisiko deutlich reduzieren. Dennoch sind begleitende Hygienemaßnahmen zur Unterbindung des Eintrags von Viren in einen Zuchtbestand sowie zur Senkung des Infektionsdrucks nach Krankheitsfällen unerlässlich! Ist ein Tier erst einmal gut geschützt, gilt es, die Immunität auf protektivem Niveau zu erhalten. Nach abgeschlossener Grundimmunisierung mit MLVs kann nach aktuellem Stand der Wissenschaft von einem stabilen mindestens dreijährigen Schutz gegen Parvo-, Staupe- und Adenoviren ausgegangen werden. Unabhängig davon ist die Leptospirose-Impfung beim Hund als Core-Komponente unbedingt jährlich zu boostern und die Impfung gegen Tollwut auch bei nicht reisenden Hunden anzuraten. Der Einsatz bzw. die Auffrischung aller anderen Impfungen sollte im Rahmen des jährlichen Gesundheitschecks und unter sorgsamer Beurteilung der Lebensumstände bzw. des Infektionsrisikos eines Tieres -vorgenommen werden. Bestimmungen von Antikörpertitern können hier sinnvoll sein. Auch hier -helfen Impfleitlinien weiter.

 

Impfungen von Pferden gegen Equines Herpesvirus 1 schützen über Herdenimmunität

In der veterinären Community und unter Pferdeleuten wird derzeit kaum eine Impfung so heiß diskutiert wie die gegen das Equine Herpesvirus 1 (EHV-1). Informationen zum Erreger und zur Impfung gegen EHV-1 mit recht unterschiedlichem Wahrheitsgehalt bahnen sich rasch ihren Weg durch soziale Netzwerke.

Tatsache ist, dass EHV-1 in vielen Ländern der Erde und auch in Österreich weitverbreitet ist. Viele Pferde infizieren sich bereits im Fohlenalter. Herpesviren etablieren eine lebenslange Latenz ihrer genetischen Information in Nervenzellen und T-Lymphozyten und können nach Reaktivierung immer wieder ausgeschieden werden. Diese Reaktivierung ist häufig Folge einer Verminderung der Immunitätslage bzw. von Stress, wobei Stallwechsel oder Transport Auslöser sein können, die Pferde selbst aber dabei nicht immer klinische Symptome zeigen müssen. Die Auswirkungen nach Infektion oder Reaktivierung können aber auch gewaltig und schockierend sein: Seuchenhafte Aborte bei trächtigen Stuten und schwere neurologische Verlaufsformen mit Todesfällen, von denen nicht selten eine größere Anzahl an Tieren eines Stalls betroffen sind, können auftreten. Wer so etwas erlebt hat, wird es nicht mehr vergessen. So erkrankten 2015 bei einem Ausbruch mit einem neuropathogenen EHV-1-Stamm in einem niederösterreichischen Betrieb beinahe zeitgleich mindestens neun Pferde an schweren Myeloenzephalopathien, fünf Pferde überlebten diesen Ausbruch nicht.

Bedauerlicherweise bietet die EHV-1-Impfung, auch wenn diese wie empfohlen zweimal pro Jahr verabreicht wird, für das geimpfte Tier selbst nur bedingten Schutz gegen Ansteckung oder die Ausprägung von Symptomen. Auch geimpfte Stuten können abortieren, schwere neurologische Verläufe können besonders nach Kontakt mit neuropathogenen Stämmen nicht verlässlich verhindert werden. Schlechte Voraussetzungen, Pferde- und StallbesitzerInnen vom Nutzen der Impfung zu überzeugen – aber ja, es gibt einen!

 

Die EHV-1-Impfung verhindert größere Ausbrüche und viel Tierleid

Bei regelmäßig geimpften Pferden ist das Infektions- und Erkrankungsrisiko deutlich geringer und damit die Ausscheidung von EHV-1 stark reduziert, was zu einer deutlich verringerten Übertragungsrate führt. Der Nutzen der Impfung liegt also klar im Schutz vor Erregerverbreitung, der unmittelbare Nutzen für das Einzeltier liegt in der Impfung des Kollektivs.

Nach den aktuellen EHV-1-Fällen in Zusammenhang mit einem Turnier in Valencia und einer anscheinenden Häufung von Abortfällen in Österreich ist die Nachfrage nach Impfstoffen und PCR-Tests hoch und ein rasches Ankurbeln der etwas hinter dem Bedarf herhinkenden Impfstoffproduktion notwendig. Auf die weitere Entwicklung bezüglich einer möglichen Impfpflicht bei Pferdesportveranstaltungen darf man gespannt sein.

Impfleitlinien:

Impfleitlinie für Kleintiere, StIKo Vet am FLI, Stand 1. 1. 2021 (https://stiko-vet.fli.de/de/empfehlungen)

Impfleitlinie Pferd, StIKo Vet am FLI, Stand 1. 2. 2019 (https://stiko-vet.fli.de/de/empfehlungen)

WSAVA vaccination guidelines, 2016, (https://stiko-vet.fli.de/de/empfehlungen)

ABCD, European Advisory Board on Cat Diseases (www.abcdcatsvets.org)