Diskussion
Das Risiko für Bluthochdruck steigt mit dem Alter der Katze. Nach den Ursachen können zwei Typen von Bluthochdruck unterschieden werden: sekundäre und primäre (oder idiopathische) Hypertension. Bei sekundärem Bluthochdruck kann eine Grundursache gefunden werden. In diesem Fall müssen sowohl die zugrunde liegende Erkrankung als auch der Bluthochdruck behandelt werden. Bei der Katze kommen eine chronische Nierenerkrankung, Hyperthyreoidismus, primärer Hyperaldosteronismus, Herzinsuffizienz (hypertrophe Kardiomyopathie), Hyper-adrenokortizismus, Akromegalie, Phaeochromozytom oder seltener Diabetes mellitus als Grundursache infrage.
Eine chronische Nierenerkrankung ist dabei eine häufige Ursache. Die Pathogenese der Hypertension in Zusammenhang mit chronischer Niereninsuffizienz ist noch nicht vollständig verstanden. Vermutlich wird das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System (RAAS) aktiviert. Eine erhöhte Plasmareninaktivität führt zu einem höheren kardialen Auswurf bei verstärktem peripheren Widerstand und somit zu einem erhöhten Blutdruck. Im vorliegenden Fallbeispiel sollte beachtet werden, dass ein erhöhter Blutdruck zu einer Polyurie führen kann und somit ein erniedrigtes spezifisches Gewicht (< 1.030) bei Patienten mit erhöhtem Blutdruck nicht automatisch eine Nierenerkrankung bedeutet (Acierno et al. 2018). Andererseits ist bei einem hohen spezifischen Gewicht eine zugrunde liegende Nierenerkrankung sehr unwahrscheinlich (Acierno et al. 2018). Weiterführende Untersuchungen sollten die Ultraschalluntersuchung der Niere, SDMA-Wert und bei Verdacht auf Proteinurie das Protein/Kreatinin-Verhältnis (UPC) im Urin beinhalten. Da in diesem Fall kein Hinweis auf Protein im Urin vorlag, wurde auf die Messung des UPC verzichtet. In der Literatur findet man unterschiedliche Angaben zum Zusammenhang von Bluthockdruck und Hypertrophie des Herzmuskels. Zum einen wird die hypertrophe Kardiomyopathie als Ursache für Hypertension aufgeführt (Egner 2002). Andere Autoren erwähnen die Hypertrophie des Herzmuskels lediglich als Arbeitshypertrophie und damit als Folge von Bluthochdruck (Taylor et al. 2017).
Bei etwa 20 Prozent der Katzen mit Hyperthyreoidismus wurde auch Bluthochdruck festgestellt, bei hypertensiven Katzen sollte somit die Schilddrüsenfunktion überprüft werden. Auch hier ist die Pathophysiologie noch nicht vollständig verstanden. Bei einem primären Hyperaldosteronismus kommt es zu einem Überschuss an Aldosteron, wobei dies unabhängig zu seinem Regulator Angiotensin 2 geschieht. Eine Hypokaliämie ist ein häufiger Befund bei einem Hyperaldosteronismus, aus diesem Grund sollten die Elektrolyte bei hypertensiven Katzen immer mitgemessen werden. Bei Katzen mit Hypertension, Hypokaliämie und einer im Ultraschall identifizierbaren adrenalen Masse kann ein Hyperaldosteronismus durch eine Messung der Aldosteron-Konzentration im Serum bestätigt werden.
Es gibt Berichte von Katzen mit Hyperadrenokortizismus oder Akromegalie und Bluthochdruck, doch die Prävalenz ist unbekannt (Egner 2002). Phäochromozytome sind sehr seltene Tumore bei der Katze, die Katecholamine freisetzen und damit den Blutdruck beeinflussen. Die -Diagnose ist schwierig, da diese Tumore eine unspezifische und variable Symptomatik zeigen. Messungen der Katecholamin-Metaboliten wie beim Menschen stehen für die Tiermedizin noch nicht routinemäßig zur Verfügung. Andere Ursachen wie Diabetes mellitus spielen beim Bluthochdruck der Katze eher selten eine Rolle. Bei der hier untersuchten Katze bestand kein Hinweis auf Diabetes mellitus. Wenn keine Grundursache gefunden werden kann, spricht man, wie in diesem Fall, von einem primären oder idiopathischen Bluthochdruck. Dies trifft auf 13 bis 20 Prozent der Katzen mit Bluthochdruck zu (Taylor et al. 2017).
Um einen Bluthochdruck überhaupt diagnostizieren zu können, ist eine korrekte Blutdruckmessung ausschlaggebend. Am genauesten, jedoch in der täglichen Praxis nicht umsetzbar, ist die direkte Messung des Blutdrucks mittels intraarteriellem Katheter. Nicht invasive Methoden wie Doppler oder Oszillometrie sind in der Praxis gut praktikabel. Die High-Definition-Oszillometrie (HDO) zeigt eine gute Akzeptanz bei den Katzen und bringt durch verbesserte Technik aussagekräftige Ergebnisse. Zu beachten ist allerdings, dass weder Doppler- noch HDO-Technik nach den ACVIM-Kriterien von 2007 als vollständig validiert gelten. Die HDO-Geräte zeigen zwar bei den Messungen den systolischen Blutdruck (SBP), diastolischen Blutdruck (DBP) und den mittleren systolischen Blutdruck (MAP) an, jedoch ergibt bei der Katze nur der SBP akkurate Ergebnisse. DBP- und MAP-Messungen sind weniger genau und sollten nicht beurteilt werden.
In der Tierarztpraxis kommt es auch bei gesunden -Tieren häufig zu einem stressbedingten Bluthochdruck, auch „White Coat Effect“ genannt. Dieser Effekt kann durch Optimierung der Bedingungen minimiert werden. Die Guidelines der ISFM (International Society of Feline Medicine) für Hypertension stellen ein Standardisierungsprotokoll für die Blutdruckmessung bei Katzen vor (Taylor et al. 2017). Die Blutdruckmessungen der hier untersuchten Katze wurden in einem ungestörten Raum durchgeführt. Die empfohlenen fünf bis zehn Minuten Akklimatisationszeit für die Katze konnten im Praxisalltag nicht ganz umgesetzt werden, allerdings wurde erst mit den Messungen begonnen, als sich die Katze ruhig und entspannt in einer Liegeposition befand (Acierno et al. 2018).
Nach den Angaben der International Renal Interest Society (IRIS) wird ab einem systolischen Blutdruck von 160 mmHg von Bluthochdruck gesprochen und es besteht ein moderates Risiko für Endorganschäden (Brown 2016). Ab einem Blutdruck von ≥ 180 mmHg besteht ein hohes Risiko für Endorganschäden. Ein Blutdruck von < 150 mmHg gilt als normal, ein Blutdruck von 150 bis 159 mmHg als grenzwertig hypertensiv mit einem geringen Risiko für Endorganschäden. Die durch Bluthochdruck entstehenden Gewebsschäden betreffen in erster Linie Nieren, Augen, Gehirn, Herz und Blutgefäße (End-organschäden, TOD). In der Niere kommt es bei Katzen mit erhöhtem Blutdruck zu Glomerulosklerose und Atherosklerose, dieser kann also zu einer progressiven Nierenerkrankung führen. Es besteht ein Zusammenhang zwischen Proteinurie und Hypertension, so führt eine antihypertensive Behandlung meist zu einer Verringerung der Proteinurie.
Okuläre Veränderungen sind sehr häufig bei Katzen mit Hypertension und zeigen sich insbesondere durch Veränderungen des Fundus, der mittels Ophthalmoskopie beurteilt wird. Es kann unter anderem zu einer verstärkten Schlängelung retinaler Arteriolen, retinaler Hämorrhagien, einem retinalen Ödem, fokalen Trübungen der Netzhaut und einer serösen partiellen oder vollständigen Netzhautablösung kommen. Zusätzlich können auch Irisblutungen mit Hyphaema oder sekundäre Glaukome auftreten. Wie in dem hier vorgestellten Fallbeispiel werden hypertensive Katzen für die Besitzer häufig mit akuter Blindheit und bilateraler Mydriasis auffällig. Mit umgehender und effektiver antihypertensiver Therapie kann die Retina sich wieder anlegen, jedoch kommt es nicht immer zum Wiedererlangen des Visus.
Neurologische Veränderungen bei hypertensiven Katzen können durch zerebrale Ödeme und Atherosklerosen entstehen. In der frühen Phase sind diese Enzephalopathien durch therapeutische Senkung des Blutdrucks reversibel. Klinisch zeigen diese Katzen häufig Verhaltensänderungen, Desorientierung, vestibuläre Symptome oder auch Ataxie bis hin zu Krämpfen. Auch die Katze in diesem Fallbeispiel zeigte Orientierungslosigkeit und Gleichgewichtsstörungen, die nach Senkung des Blutdrucks wieder verschwanden. Am Herzen führt die systemische Hypertension zu einer chronisch erhöhten Nachlast. Dies kann zu einer konzentrischen, linksventrikulären Hypertrophie führen. Wie in diesem Fallbeispiel kann bei der klinischen Untersuchung ein systolisches Herzgeräusch auffallen, zusätzlich kann es zu einem Galopprhythmus kommen. Sowohl eine hypertrophe Kardiomyopathie als auch eine durch Bluthochdruck bedingte Hypertrophie können sich sonografisch als linksventrikuläre Hypertrophie darstellen und sind dann kaum voneinander zu unterscheiden. Normalerweise handelt es sich bei der Hypertension um eine chronische Erkrankung, trotzdem bedarf es im Fall von Endorganschäden einer zeitnahen Behandlung, wobei Amlodipin als Mittel der Wahl gilt. Der Kalziumkanalblocker führt in peripher vaskulären und koronaren glatten Muskelzellen zu einer Hemmung des Kalziumeinstroms. Eine Vasodilatation und damit eine Senkung des Blutdrucks sind die Folge. Andere Medikamente wie ACE-Hemmer (z. B. Benazepril, Enalapril, Ramipril), Angiotensin-Rezeptor-Blocker (z. B. Telmisartan) oder Beta-Blocker (z. B. Atenolol) sind weniger wirkungsvoll. Als Monotherapeutikum reichen sie somit meist nicht, können aber mit Amlodipin kombiniert werden.
So wie in diesem Fall kann eine Initialdosis von Amlodipin (0,125 bis 0,25 mg/kg oder 0,625 mg/Katze) oral verabreicht werden. Der Blutdruck sollte etwa alle vier Stunden überprüft werden, falls notwendig, kann die Amlodipin-Gabe nach vier bis acht Stunden wiederholt werden, bis zu einer Maximaldosis von 2,5 mg/Katze. Das Ziel einer Akutbehandlung ist das Verhindern von langfristigen Endorganschäden. Dazu sollte der systolische Blutdruck innerhalb der ersten sechs Stunden auf unter 160 mmHg gesenkt werden. Ein unkontrolliertes und zu schnelles Absinken des Blutdrucks sollte jedoch vermieden werden, da es zu Ischämien in Niere, Gehirn oder Myokard führen kann. Um den Therapieverlauf überwachen zu können, sollten diese Katzen stationär betreut werden.
Nachdem sich der Blutdruck durch die Therapie normalisiert hat, sollte die Katze mindestens alle drei Monate zur Kontrolle des Blutdrucks beim Tierarzt vorgestellt werden. Der vorliegende Fallbericht stellt einen klassischen Verlauf dar und zeigt die Bedeutung einer routinemäßigen Blutdruckmessung als Teil der Gesundenuntersuchung bei Katzen im Alter über sieben Jahre.
Literaturliste
Acierno, M. J., Brown, S., Coleman, A. E., Jepson, R. E., Papich, M., Stepien, R. L., Syme, H. M. (2018) ACVIM consensus statement: Guidelines for the identification, evaluation and management of systemic hypertension in dogs and cats. J Vet Intern Med. 2018 Nov.; 32 (6): 1803–1822.
Brown, S. A. (2016) Hypertension. International Renal Interest Society. http://iris.kidney.com/education/hypertension.html
Egner, B. (2002) Blutdruck auf den Punkt gebracht – ein Leitfaden für die Kleintierpraxis. Parey Buchverlag, Berlin 2002.
Taylor, S. S., Sparkes, A. H., Briscoe, K., Carter, J., Sala, S. C., Jepson, R. E., Reynolds, B. S., Scansen, B. A. (2017) ISFM Consensus Guidelines on the Diagnosis and Management of Hypertension in Cats. J Feline Med Surg. 2017 Mar; 19 (3): 288–303.