Idiopathische Hypertension

bei einer zwölfjährigen Europäisch-Kurzhaar-Katze

Dr. med. vet. Maike Breitenstein
Tierklinik Schwarzmann

Der vorliegende Fallbericht zeigt die Bedeutung einer routinemäßigen Blutdruckmessung als Teil der Gesundenuntersuchung bei Katzen im Alter von über sieben Jahren.

Zusammenfassung

Eine zwölfjährige Europäisch-Kurzhaar-Katze wurde aufgrund akuter Blindheit in der allgemeinen Sprechstunde vorgestellt. Die klinische Untersuchung ergab eine Tachy-kardie mit systolischem Herzgeräusch sowie eine beidseitige Mydriasis. Die neurologische Untersuchung bestätigte die Blindheit, außerdem war der Pupillarreflex negativ. Die Katze war zwar geh- und stehfähig, zeigte jedoch Gleichgewichtsstörungen. Bei der Betrachtung des Fundus waren Hinweise auf Netzhautablösung zu erkennen. Der systolische Blutdruck betrug über 180 mmHg. Blut- und Harnuntersuchung sowie ein Ultraschall der Nieren erbrachten keine Hinweise auf eine zugrunde liegende Nierenerkrankung. Eine Hyperthyreose konnte ausgeschlossen werden. Somit wurde die Diagnose idiopathische systolische Hypertonie gestellt. Die Katze wurde stationär aufgenommen und die Therapie mit Amlodipin eingeleitet. Drei Stunden nach Medikamentengabe war der Blutdruck bei 160 mmHg, die Pupillen waren kleiner und die Katze ruhiger und koordinierter. Am nächsten Tag konnte die Katze mit einem Blutdruck von 150 mmHg mit Amlodipin 0,625 mg/Katze einmal täglich nach Hause entlassen werden. Bei der Kontrolle nach einer Woche war die Katze wieder sehfähig, die neurologische Untersuchung unauffällig und der Blutdruck betrug 145 mmHg.

Einleitung

Bluthochdruck ist eine häufige Erkrankung bei älteren Katzen, die oft in Zusammenhang mit anderen Grunderkrankungen wie beispielsweise chronischer Nierenerkrankung, Hyperaldosteronismus oder primärem Hyperaldosteronismus steht (sekundäre Hypertension). Kann keine Grundursache gefunden werden, handelt es sich um einen primären oder idiopathischen Bluthochdruck. Als Folge des erhöhten Blutdrucks kann es zu Endorganschäden (Target Organ Damage, TOD) in Augen, Gehirn, Herz und Nieren kommen, die nur im Frühstadium reversibel sind. Aus diesem Grund ist es wichtig, Bluthochdruck möglichst früh zu erkennen und zu behandeln. 

Anamnese

Am 4. 2. 2019 wurde in der Sprechstunde eine zwölfjährige weibliche Europäisch-Kurzhaar-Katze aufgrund akuter Blindheit vorgestellt. Der Besitzerin war seit zwei Tagen aufgefallen, dass die Katze gegen Gegenstände stieß, unruhig und unkoordiniert wirkte. Außerdem zeigte die Katze seit dem Vortag eine reduzierte Futter- und Wasseraufnahme. Die Katze war seit der achten Lebenswoche in Besitz, wurde regelmäßig gegen Katzenschnupfen und Katzenseuche geimpft und etwa zweimal im Jahr entwurmt. Sie ist im Alter von sechs Monaten kastriert worden, lebt als Freigängerin und hat keine bekannten Vorerkrankungen. Zum Zeitpunkt der Erstvorstellung wog die Katze 4,8 Kilo.

Klinische Befunde

Das Allgemeinverhalten der Katze war unruhig, und sie bewegte sich unsicher im Raum. Die Körperhaltung war der Tierart entsprechend. Der Ernährungszustand der Katze war sehr gut. Die innere Körpertemperatur lag bei 38,9 °C, die Maulschleimhäute waren blassrosa und feucht, die kapillare Rückfüllzeit betrug eine Sekunde. Bei der Auskultation fiel eine Tachykardie (198 Schläge/Min.) und ein systolisches Herzgeräusch Grad 3/6 auf. Der Puls war kräftig, regelmäßig und gleichmäßig. Die Atemfrequenz betrug 28 Züge pro Minute. Die Abdomenpalpation war unauffällig, das Abdomen weich und durchtastbar.

Bei der adspektorischen Untersuchung der Augen fielen die beidseits mydriatischen Pupillen auf (Abb. 1). Die Sehproben waren beidseits negativ, Pupillar- und Blendreflex waren aufgehoben, die Drohreaktion war beidseits negativ. Die Untersuchung der Kopfnerven zeigte sich ohne Besonderheiten. Außerdem zeigte sie ein ataktisches Gangbild und Gleichgewichtsstörungen.

Weitere diagnostische Verfahren

Der Fundus wurde mittels indirekter Ophthalmoskopie (Othoskop und 30-dpt-Linse) beurteilt. Hierbei wurden beidseits eine deutliche Zeichnung der retinalen Arteriolen sowie ein generalisiertes Retinaödem und fokale intra- und subretinale Blutungen festgestellt (Abb. 2). Auf einen Augenultraschall zur besseren Beurteilung der Netzhautablösung wurde aus Kostengründen verzichtet. Veränderungen der vorderen Augenkammer wie Hinweise auf Uveitis oder Hyphaema konnten nicht festgestellt werden. Die Befunde wiesen auf eine hypertensive Retinopathie hin, daher wurde eine Blutdruckmessung durchgeführt. 

Der Blutdruck wurde mittels HDO-Manschettenblutdrucksystem gemessen (Abb. 3). Um den „White Coat Effect“ so gering wie möglich zu halten, wurde die Messung in einem ruhigen Raum durchgeführt. Es wurden zunächst fünf Messungen an der Schwanzwurzel durchgeführt, der systolische Blutdruck lag zwischen 181 mmHg und 187 mmHg. Nach den Angaben der International Renal Interest Society (IRIS) wird ab einem systolischen Blutdruck von 160 mmHg von Bluthochdruck gesprochen. Um mögliche Grunderkrankungen, die in Zusammenhang mit dem Bluthochdruck stehen könnten, zu identifizieren, wurde eine Blutuntersuchung durchgeführt. Das große Blutbild zeigte keine Auffälligkeiten (Tabelle 1). Auch die Nierenwerte (Kreatinin, Harnstoff und SDMA), der Schilddrüsenwert (T4) (Tabelle 2) sowie die Elektrolyte waren im Referenzbereich.

Um eine zugrunde liegende Nierenerkrankung sicher auszuschließen, wurden trotz normaler Nierenwerte eine Ultraschalluntersuchung der Nieren und der harnableitenden Wege durchgeführt, beide Nieren, der Bereich der Nebennieren sowie die Harnblase systematisch mit einem Linearschallkopf betrachtet. Dabei konnten keine strukturellen Veränderungen festgestellt werden. Die Unter-suchung des Zystozenteseurins mittels Refraktometer ergab ein spezifisches Gewicht von 1.021. Der Urinstick ergab keine Hinweise auf Proteinurie oder Entzündung.

Auf eine weitere Abklärung des Herzgeräusches wurde auf Besitzerwunsch zunächst verzichtet und mit der Therapie des Bluthochdrucks begonnen. Im weiteren Verlauf der Behandlung entschieden sich die Besitzer doch für einen Herzultraschall, bei dem eine geringgradige Hypertrophie festgestellt wurde.

Diagnose 

Die Blutdruckmessung ergab die Diagnose einer systolischen Hypertension. Eine Unterscheidung zwischen sekundärer und idiopathischer Hypertension ist entscheidend für die erfolgreiche Therapie. Nach den Ergebnissen der Blut-, Urin- und Ultraschalluntersuchung war eine zugrunde liegende Nierenerkrankung sehr unwahrscheinlich, auch eine Hyperthyreose und ein Diabetes melli-tus wurden ausgeschlossen. Die Elektrolyte lagen im Referenz-bereich, und im Bereich der Nebennieren konnte keine Masse identifiziert werden. Somit bestand kein Hinweis auf einen primären Hyperaldosteronismus. In diesem Fall handelte es sich somit um eine idiopathische Hypertension. Die Veränderungen der Augen (Blindheit, Retinopathie) sowie des Gangbildes (Ataxie, Gleichgewichtsstörungen) sprechen dafür, dass es durch den Bluthochdruck bereits zu okularen und zerebellaren Endorganschäden gekommen war. Die Veränderungen der Augen konnten als hypertensive Retinopathie benannt werden. Auch die Tachykardie mit systolischem Herzgeräusch war mit der Hypertension vereinbar. Andere Ursachen wie Herzklappendefekte oder Anämie konnten in den weiterführenden Untersuchungen ausgeschlossen werden. Die festgestellte milde Linksherzhypertrophie kommt regelmäßig bei Katzen mit Hypertension vor. Differenzialdiagnostisch muss aber eine hypertrophe Kardiomyopathie in Betracht gezogen werden.

Therapie und Verlauf

Die Katze wurde stationär aufgenommen, sie erhielt sofort Amlodipin 0,625 mg oral als blutdrucksenkende Therapie.

Bereits nach drei Stunden war klinisch eine deutliche Besserung der Symptomatik zu beobachten. Die Pupillen verkleinerten sich sichtlich und die Katze begann wieder zu fressen. Bei der neuerlichen Messung des Blutdrucks lag der systolische Blutdruck zwischen 161 und 166 mmHg. Am darauffolgenden Tag lag der Blutdruck zwischen 151 mmHg und 157 mmHg. Die Katze wurde mit Amlodipin 0,625 mg einmal täglich nach Hause entlassen.

Bei der Kontrolle nach einer Woche lag der systolische Blutdruck zwischen 146 und 151 mmHg. Der -direkte und indirekte Pupillarreflex sowie Blendreflex und Drohreaktion waren beidseits positiv. Klinisch war die Katze für die Besitzerin wieder unauffällig. Bei Auskultation war ein systolisches Herzgeräusch nicht mehr hörbar, die Herzfrequenz betrug 164 Schläge/Minute. Zu diesem Zeitpunkt stimmten die Besitzer einer Ultraschalluntersuchung des Herzes zu. Die Untersuchung ergab eine geringgradige Hypertrophie des linken Herzes. Aufgrund der geringen Ausprägung wurde zu diesem Zeitpunkt keine weitere medikamentelle Therapie angeraten, sondern empfohlen, den Herzultraschall nach drei bis sechs Monaten zu wiederholen.

Diskussion 

Das Risiko für Bluthochdruck steigt mit dem Alter der Katze. Nach den Ursachen können zwei Typen von Bluthochdruck unterschieden werden: sekundäre und primäre (oder idiopathische) Hypertension. Bei sekundärem Bluthochdruck kann eine Grundursache gefunden werden. In diesem Fall müssen sowohl die zugrunde liegende Erkrankung als auch der Bluthochdruck behandelt werden. Bei der Katze kommen eine chronische Nierenerkrankung, Hyperthyreoidismus, primärer Hyperaldosteronismus, Herzinsuffizienz (hypertrophe Kardiomyopathie), Hyper-adrenokortizismus, Akromegalie, Phaeochromozytom oder seltener Diabetes mellitus als Grundursache infrage.

Eine chronische Nierenerkrankung ist dabei eine häufige Ursache. Die Pathogenese der Hypertension in Zusammenhang mit chronischer Niereninsuffizienz ist noch nicht vollständig verstanden. Vermutlich wird das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System (RAAS) aktiviert. Eine erhöhte Plasmareninaktivität führt zu einem höheren kardialen Auswurf bei verstärktem peripheren Widerstand und somit zu einem erhöhten Blutdruck. Im vorliegenden Fallbeispiel sollte beachtet werden, dass ein erhöhter Blutdruck zu einer Polyurie führen kann und somit ein erniedrigtes spezifisches Gewicht (< 1.030) bei Patienten mit erhöhtem Blutdruck nicht automatisch eine Nierenerkrankung bedeutet (Acierno et al. 2018). Andererseits ist bei einem hohen spezifischen Gewicht eine zugrunde liegende Nierenerkrankung sehr unwahrscheinlich (Acierno et al. 2018). Weiterführende Untersuchungen sollten die Ultraschalluntersuchung der Niere, SDMA-Wert und bei Verdacht auf Proteinurie das Protein/Kreatinin-Verhältnis (UPC) im Urin beinhalten. Da in diesem Fall kein Hinweis auf Protein im Urin vorlag, wurde auf die Messung des UPC verzichtet. In der Literatur findet man unterschiedliche Angaben zum Zusammenhang von Bluthockdruck und Hypertrophie des Herzmuskels. Zum einen wird die hypertrophe Kardiomyopathie als Ursache für Hypertension aufgeführt (Egner 2002). Andere Autoren erwähnen die Hypertrophie des Herzmuskels lediglich als Arbeitshypertrophie und damit als Folge von Bluthochdruck (Taylor et al. 2017).

Bei etwa 20 Prozent der Katzen mit Hyperthyreoidismus wurde auch Bluthochdruck festgestellt, bei hypertensiven Katzen sollte somit die Schilddrüsenfunktion überprüft werden. Auch hier ist die Pathophysiologie noch nicht vollständig verstanden. Bei einem primären Hyperaldosteronismus kommt es zu einem Überschuss an Aldosteron, wobei dies unabhängig zu seinem Regulator Angiotensin 2 geschieht. Eine Hypokaliämie ist ein häufiger Befund bei einem Hyperaldosteronismus, aus diesem Grund sollten die Elektrolyte bei hypertensiven Katzen immer mitgemessen werden. Bei Katzen mit Hypertension, Hypokaliämie und einer im Ultraschall identifizierbaren adrenalen Masse kann ein Hyperaldosteronismus durch eine Messung der Aldosteron-Konzentration im Serum bestätigt werden.

Es gibt Berichte von Katzen mit Hyperadrenokortizismus oder Akromegalie und Bluthochdruck, doch die Prävalenz ist unbekannt (Egner 2002). Phäochromozytome sind sehr seltene Tumore bei der Katze, die Katecholamine freisetzen und damit den Blutdruck beeinflussen. Die -Diagnose ist schwierig, da diese Tumore eine unspezifische und variable Symptomatik zeigen. Messungen der Katecholamin-Metaboliten wie beim Menschen stehen für die Tiermedizin noch nicht routinemäßig zur Verfügung. Andere Ursachen wie Diabetes mellitus spielen beim Bluthochdruck der Katze eher selten eine Rolle. Bei der hier untersuchten Katze bestand kein Hinweis auf Diabetes mellitus. Wenn keine Grundursache gefunden werden kann, spricht man, wie in diesem Fall, von einem primären oder idiopathischen Bluthochdruck. Dies trifft auf 13 bis 20 Prozent der Katzen mit Bluthochdruck zu (Taylor et al. 2017). 

Um einen Bluthochdruck überhaupt diagnostizieren zu können, ist eine korrekte Blutdruckmessung ausschlaggebend. Am genauesten, jedoch in der täglichen Praxis nicht umsetzbar, ist die direkte Messung des Blutdrucks mittels intraarteriellem Katheter. Nicht invasive Methoden wie Doppler oder Oszillometrie sind in der Praxis gut praktikabel. Die High-Definition-Oszillometrie (HDO) zeigt eine gute Akzeptanz bei den Katzen und bringt durch verbesserte Technik aussagekräftige Ergebnisse. Zu beachten ist allerdings, dass weder Doppler- noch HDO-Technik nach den ACVIM-Kriterien von 2007 als vollständig validiert gelten. Die HDO-Geräte zeigen zwar bei den Messungen den systolischen Blutdruck (SBP), diastolischen Blutdruck (DBP) und den mittleren systolischen Blutdruck (MAP) an, jedoch ergibt bei der Katze nur der SBP akkurate Ergebnisse. DBP- und MAP-Messungen sind weniger genau und sollten nicht beurteilt werden. 

In der Tierarztpraxis kommt es auch bei gesunden -Tieren häufig zu einem stressbedingten Bluthochdruck, auch „White Coat Effect“ genannt. Dieser Effekt kann durch Optimierung der Bedingungen minimiert werden. Die Guidelines der ISFM (International Society of Feline Medicine) für Hypertension stellen ein Standardisierungsprotokoll für die Blutdruckmessung bei Katzen vor (Taylor et al. 2017). Die Blutdruckmessungen der hier untersuchten Katze wurden in einem ungestörten Raum durchgeführt. Die empfohlenen fünf bis zehn Minuten Akklimatisationszeit für die Katze konnten im Praxisalltag nicht ganz umgesetzt werden, allerdings wurde erst mit den Messungen begonnen, als sich die Katze ruhig und entspannt in einer Liegeposition befand (Acierno et al. 2018).

Nach den Angaben der International Renal Interest Society (IRIS) wird ab einem systolischen Blutdruck von 160 mmHg von Bluthochdruck gesprochen und es besteht ein moderates Risiko für Endorganschäden (Brown 2016). Ab einem Blutdruck von ≥ 180 mmHg besteht ein hohes Risiko für Endorganschäden. Ein Blutdruck von < 150 mmHg gilt als normal, ein Blutdruck von 150 bis 159 mmHg als grenzwertig hypertensiv mit einem geringen Risiko für Endorganschäden. Die durch Bluthochdruck entstehenden Gewebsschäden betreffen in erster Linie Nieren, Augen, Gehirn, Herz und Blutgefäße (End-organschäden, TOD). In der Niere kommt es bei Katzen mit erhöhtem Blutdruck zu Glomerulosklerose und Atherosklerose, dieser kann also zu einer progressiven Nierenerkrankung führen. Es besteht ein Zusammenhang zwischen Proteinurie und Hypertension, so führt eine antihypertensive Behandlung meist zu einer Verringerung der Proteinurie.

Okuläre Veränderungen sind sehr häufig bei Katzen mit Hypertension und zeigen sich insbesondere durch Veränderungen des Fundus, der mittels Ophthalmoskopie beurteilt wird. Es kann unter anderem zu einer verstärkten Schlängelung retinaler Arteriolen, retinaler Hämorrhagien, einem retinalen Ödem, fokalen Trübungen der Netzhaut und einer serösen partiellen oder vollständigen Netzhautablösung kommen. Zusätzlich können auch Irisblutungen mit Hyphaema oder sekundäre Glaukome auftreten. Wie in dem hier vorgestellten Fallbeispiel werden hypertensive Katzen für die Besitzer häufig mit akuter Blindheit und bilateraler Mydriasis auffällig. Mit umgehender und effektiver antihypertensiver Therapie kann die Retina sich wieder anlegen, jedoch kommt es nicht immer zum Wiedererlangen des Visus. 

Neurologische Veränderungen bei hypertensiven Katzen können durch zerebrale Ödeme und Atherosklerosen entstehen. In der frühen Phase sind diese Enzephalopathien durch therapeutische Senkung des Blutdrucks reversibel. Klinisch zeigen diese Katzen häufig Verhaltensänderungen, Desorientierung, vestibuläre Symptome oder auch Ataxie bis hin zu Krämpfen. Auch die Katze in diesem Fallbeispiel zeigte Orientierungslosigkeit und Gleichgewichtsstörungen, die nach Senkung des Blutdrucks wieder verschwanden. Am Herzen führt die systemische Hypertension zu einer chronisch erhöhten Nachlast. Dies kann zu einer konzentrischen, linksventrikulären Hypertrophie führen. Wie in diesem Fallbeispiel kann bei der klinischen Untersuchung ein systolisches Herzgeräusch auffallen, zusätzlich kann es zu einem Galopprhythmus kommen. Sowohl eine hypertrophe Kardiomyopathie als auch eine durch Bluthochdruck bedingte Hypertrophie können sich sonografisch als linksventrikuläre Hypertrophie darstellen und sind dann kaum voneinander zu unterscheiden. Normalerweise handelt es sich bei der Hypertension um eine chronische Erkrankung, trotzdem bedarf es im Fall von Endorganschäden einer zeitnahen Behandlung, wobei Amlodipin als Mittel der Wahl gilt. Der Kalziumkanalblocker führt in peripher vaskulären und koronaren glatten Muskelzellen zu einer Hemmung des Kalziumeinstroms. Eine Vasodilatation und damit eine Senkung des Blutdrucks sind die Folge. Andere Medikamente wie ACE-Hemmer (z. B. Benazepril, Enalapril, Ramipril), Angiotensin-Rezeptor-Blocker (z. B. Telmisartan) oder Beta-Blocker (z. B. Atenolol) sind weniger wirkungsvoll. Als Monotherapeutikum reichen sie somit meist nicht, können aber mit Amlodipin kombiniert werden. 

So wie in diesem Fall kann eine Initialdosis von Amlodipin (0,125 bis 0,25 mg/kg oder 0,625 mg/Katze) oral verabreicht werden. Der Blutdruck sollte etwa alle vier Stunden überprüft werden, falls notwendig, kann die Amlodipin-Gabe nach vier bis acht Stunden wiederholt werden, bis zu einer Maximaldosis von 2,5 mg/Katze. Das Ziel einer Akutbehandlung ist das Verhindern von langfristigen Endorganschäden. Dazu sollte der systolische Blutdruck innerhalb der ersten sechs Stunden auf unter 160 mmHg gesenkt werden. Ein unkontrolliertes und zu schnelles Absinken des Blutdrucks sollte jedoch vermieden werden, da es zu Ischämien in Niere, Gehirn oder Myokard führen kann. Um den Therapieverlauf überwachen zu können, sollten diese Katzen stationär betreut werden. 

Nachdem sich der Blutdruck durch die Therapie normalisiert hat, sollte die Katze mindestens alle drei Monate zur Kontrolle des Blutdrucks beim Tierarzt vorgestellt werden. Der vorliegende Fallbericht stellt einen klassischen Verlauf dar und zeigt die Bedeutung einer routinemäßigen Blutdruckmessung als Teil der Gesundenuntersuchung bei Katzen im Alter über sieben Jahre.

Literaturliste

Acierno, M. J., Brown, S., Coleman, A. E., Jepson, R. E., Papich, M., Stepien, R. L., Syme, H. M. (2018) ACVIM consensus statement: Guidelines for the identification, evaluation and management of systemic hypertension in dogs and cats. J Vet Intern Med. 2018 Nov.; 32 (6): 1803–1822.
Brown, S. A. (2016) Hypertension. International Renal Interest Society. http://iris.kidney.com/education/hypertension.html
Egner, B. (2002) Blutdruck auf den Punkt gebracht – ein Leitfaden für die Kleintierpraxis. Parey Buchverlag, Berlin 2002.
Taylor, S. S., Sparkes, A. H., Briscoe, K., Carter, J., Sala, S. C., Jepson, R. E., Reynolds, B. S., Scansen, B. A. (2017) ISFM Consensus Guidelines on the Diagnosis and Management of Hypertension in Cats. J Feline Med Surg. 2017 Mar; 19 (3): 288–303.