Heuer

muss es besser werden

Tierärztin Tanja Warter

Viele Tierärzte leiden unter Stress. Daran sind nicht nur lange Arbeitszeiten schuld. Viele wünschen sich mehr Gelassenheit im Arbeitsalltag.

Als junge Studierende sind die meisten angehenden Tierärzte davon überzeugt, im späteren Berufsleben vor allem mit der medizinischen Behandlung von Tieren beschäftigt zu sein. Dann stellt sich heraus: Wer wettbewerbsfähig sein will, muss auch auf Tierbesitzer eingehen können, ein kleineres oder größeres Unternehmen managen und fit in Fragen der Buchhaltung sein. Hohe Einsatzbereitschaft und fast ständige Erreichbarkeit gehören auch noch dazu. Diesen enormen Anforderungen ist nicht jeder zu jeder Zeit im Leben gewachsen. Man braucht starke Nerven für die Praxis. 

Dass diese Themen vielen Tierärzten auf der Seele brennen, hat auch der Schattauer Verlag erkannt und kürzlich ein Buch unter dem Titel „Stress- und Zeitmanagement für Tierärzte“ auf den Markt gebracht. Autorin Lisa ­Leiner, selbst Tierärztin und Biologin, ist Expertin für die Themen Selbstmanagement, Burn-out-Prävention und Karriereplanung für Tierärzte. 

Sie stellt fest, dass sich auf vielen Ebenen des tierärztlichen Berufs große Veränderungen abzeichnen, und skizziert unter anderem den Status quo in der ­Veterinärmedizin. Ein Hauptproblem sieht Leiner darin, dass derzeit zwei Generationen aufeinandertreffen, die verschiedene Vorstellungen von der Arbeit haben. Der Einzelkämpfer, der früher mit maximal einer Helferin oder der Ehefrau zusammenarbeiten musste, sei heute vom Aussterben bedroht, doch der völlige Ausstieg aus dem System sei noch nicht vollzogen. „Einzelpraxen in Ballungsgebieten unterbieten sich teilweise mit Angeboten und Preisen. Dies führt zwangsläufig zu Existenzängsten, Frustration und Wut bis hin zur Resignation.“

Eine europaweite Studie aus dem Jahr 2014 brachte ans Licht, dass ein Drittel aller europäischen Tierärzte den Beruf nicht noch einmal ergreifen würde, nur 54 Prozent waren mit ihrem Verdienst zufrieden (bei einer durchschnittlichen Arbeitszeit von 46,8 Stunden). Nur etwas mehr als die Hälfte gab an, mit dem Lebensstandard glücklich zu sein. Dieser Wert wurde vor allem durch positive Angaben aus skandinavischen Ländern erreicht. Am schlechtesten dran sind offenbar selbstständige Tierärztinnen. Leiner: „Sie sind sowohl mit der Arbeit, dem Einkommen, der Freizeit als auch dem Familienleben und dem Lebensstandard signifikant unzufriedener.“

Vor allem beim Zeitmanagement sei klar: Die Ära der Workaholics ist vorbei. Leiner: „Wo es vor einigen Jahren noch cool war, wenn man keine Zeit hatte – ‚Dann bin ich wichtig!‘ –, geht der Trend nun genau in die andere Richtung.“ Die ältere Generation frage sich aber: „Wie können junge Tierärzte vom Beruf verlangen, dass man Freizeit und Urlaub bei gutem Gehalt kombinieren kann, wenn das bisher nie wirklich der Fall war?“ Die Alten würden sich über die Jungen und deren Ansprüche wundern, während sich Junge ärgerten, dass sie keine besseren Bedingungen bekämen. Ein Teufelskreis, wenn man nicht aufeinander zugeht. Oft sind speziell zu Beginn eines neuen Jahres Sätze zu hören wie „Heuer muss es besser werden“ oder „So kann es nicht weitergehen. Es muss sich etwas ändern“. Aber was? Und wie? Darin liegen die Herausforderungen.  

Stressmanagement und Zeitmanagement heißen die Schlagworte. Leiner empfiehlt aber, sich vorher zunächst selbst genauer unter die Lupe zu nehmen. Was ist mir wichtig? Was treibt mich an? Das seien grundlegende Fragen, die im Alltag oft übersehen würden. Auch der eigene Perfektionismus sei infrage zu stellen. Er könne zu einem riesigen Stressfaktor werden. Ziel müsse immer sein, die eigenen Handlungen positiv zu beeinflussen.  

Neben dem Ich sei das Team die größte Problematik. Bei Teamarbeit gibt es vom Chef bis zur Reinigungskraft etliche Auslöser für Konflikte, die bis zum Mobbing reichen. Zu echten Problemen würde es in Teams bei den immer gleichen Fehlern kommen:

Leiner gibt dazu praktische Tipps, beispielsweise, welche Regeln für gutes Feedback wichtig sind. Das Ganze garniert die Autorin mit allerlei praktischen Übungen und aufschlussreichen Fragebögen. 

Trotz dieser vielen düsteren Erkenntnisse: Tierarzt zu sein sei und bleibe für viele ein Traumberuf. Und es gebe auch viele glückliche Veterinäre. Aber, so sieht es Leiner, jeder müsse für sich persönlich einen Weg finden, um mit dem Beruf glücklich zu werden.

Buch:
Stress- und Zeitmanagement für Tierärzte;
Strategien für mehr Gelassenheit im Praxisalltag
Lisa Leiner, erschienen bei Schattauer