Dirofilaria immitis –

Gibt es schon bald einen Impfstoff gegen die Herzwurmerkrankung bei Hunden?

Lisa Preslmayer
Freie Redakteurin

Der 20 bis 30 Zentimeter lange Fadenwurm ist zwar in Österreich derzeit noch keine akute Gefahr, dennoch sterben jährlich unzählige Hunde in Süd- und Osteuropa an dem parasitären Auslöser von kardiovaskulärer Dirofilariose.

Obwohl Dirofilaria immitis eher wärmeren Gefilden entspringt, gehen Forscher davon aus, dass der Klimawandel den Parasiten künftig auch nach Österreich tragen wird. Für Dr. Barbara Hinney vom Institut für Parasitologie an der Veterinärmedizinischen Universität Wien besteht eine Gefahr der Endemisierung des Erregers hierzulande durch das Einführen erkrankter Hunde beispielsweise aus Italien, da unsere Mücken prinzipiell ­fähig wären, im Sommer Herzwurmlarven zu übertragen. Daher ist für sie eine Impfstoffentwicklung entscheidend.

Den ersten Schritt in diese Richtung setzte jetzt das Department für Chemie an der Universität für Bodenkultur in Wien. In einer kürzlich veröffentlichten Studie beschäftigt sich das Team rund um Dr. Katharina Paschinger und Dr. Iain Wilson mit den Zuckermolekülstrukturen des schwer behandelbaren Parasiten. Für die ForscherInnen liegt der Schlüssel zur Entwicklung eines Impfstoffs in der detaillierten Analyse seiner komplizierten Proteinmodifikationen, den sogenannten N-Glykanen (Kohlenhydratketten). In der vom FWF und der EU finanzierten Studie kamen dafür verschiedenste biochemische und ­analytische Verfahren wie Massenspektrometrie oder Chromatografie zum Einsatz. So konnten sehr große und unerwartet komplexe Strukturen in dem Dirofilariose-­Erreger entdeckt werden. Zum ersten Mal wurden in Nema­toden eine ­negativ geladene Zuckermodifikation, die sogenannte Glukuronsäure, sowie weitere Dekorationen wie Phosphorylcholine oder Fukosen entdeckt.

Um zu testen, ob diese Elemente für das Immunsystem relevant sind, wurde eine neue Methode (Carbo­hydrate-Microarray) verwendet. Dazu wurden die zu testenden ­Zuckerstrukturen auf Glasplatten immobilisiert und die Bindung verschiedenster Proteine oder Seren getestet. Mittels dieses Verfahrens gelang es dem Forscherteam, festzustellen, dass infizierte Hunde zwar zuckerbindende Antikörper und immunrelevante Proteine im Blut besitzen, dennoch haben die nativen parasitären Glykane noch weitere Modifikationen, die diese Antikörperbindungen reduzieren und damit das wirtsspezifische Abwehrsystem offensichtlich erfolgreich überlisten. Nicht zuletzt deshalb ist die Entwicklung eines geeigneten Heilmittels ein schwieriges Unterfangen. „Bezüglich Impfstoff können wir im Moment kaum etwas sagen, da zuerst die immunrelevanten Glycan-Epitope identifiziert werden müssen, bevor man einen spezifischen Antikörper entwickeln kann,“ so Dr. Paschinger der BOKU Wien. Genau dies will das Forschungsteam rund um Dr. Paschinger und Dr. Wilson nun in den nächsten Schritten in Angriff nehmen. Dazu sollen auch Hundeseren aus unterschiedlichen Stadien der Infektion auf den Zucker-Microarrays getestet werden, um zu zeigen, ob es Unterschiede im Titer oder in der Spezifität der Antikörper während des Infektionsverlaufs gibt.

Eine Möglichkeit für ein Präparat gegen den Dirofilaria-Parasiten könnte sich aus dem sogenannten „Glyco­engineering“ ergeben. Dr. Shi Yan vom Parasitologie-Institut der Vetmeduni Wien beschäftigt sich mit der Verwendung von Insektenzellen für die Exprimierung von Proteinen des Haemonchus contortus-Wurms bei Wiederkäuern. Seine noch laufende Studie gilt als womöglich erster Versuch, derartige Wurmantigene in Insektenzellen herzustellen. Es wird erwartet, dass die glycoengineerten H11-Antigene die nativen H11-Antigene besser nachahmen und sich daher besser als Veterinärimpfstoff eignen. Dass die von ihm erforschte Methode auch beim Herzwurm Dirofilaria immitis zum Einsatz kommen könnte, schließt er grundsätzlich nicht aus. „Meiner Meinung nach ist ,Glycoengineering‘ eines Herzwurmantigens machbar, aber zurzeit sehr schwierig. Einerseits liegt das Pro­blem in der Komplexität der Zuckerstrukturen, die der Hunde­herzwurm produzieren kann, ein anderes Problem ist, dass noch einige Enzyme der N-Glycan-Biosynthese unerforscht sind, was die Engineering-Strategie erheblich einschränkt.“ Aber auch Dr. Paschinger sieht ein Impfstoffpotenzial im Glycoengineering-Verfahren: „Interessant ist, dass bisher nur Präparate mit den natürlichen Glyko­proteinen für einen Haemonchus-Impfstoff (Barbervax, Anm.) wirksam waren – was auch bei Dirofilaria der Fall sein könnte. Längerfristig ist aufgrund unserer Erkenntnisse, ähnlich dem Ansatz von Kollege Shi Yan für Haemonchus, eine genaue Biosimulation von Wurmglykosylierung in Insektenzellen ein möglicher Weg, um effektive Vakzine zu entwickeln.“ 

Um die Ausbreitung des hartnäckigen Parasiten bis zur erfolgreichen Entwicklung eines Impfstoffs zu verhindern, sind Maßnahmen zur Vorbeugung in Zeiten der Erderwärmung mittlerweile unabdingbar geworden. Sollten Hunde in Risikogebiete mitgenommen werden, so empfiehlt das European Scientific Counsel Companion Animal Parasites, kurz ESCCAP, Anthelminthika aus der Gruppe der makrozyklischen Laktone zur Herzwurmprophylaxe. Laut Dr. Hinney vom Institut für Parasitologie der Veterinär­medizinischen Universität ist es ratsam, Hunde erst gar nicht in Gefahrenzonen mitzunehmen, sondern die geliebten Vierbeiner für die Dauer des Urlaubs lieber in Hundepensionen abzugeben.

 

Da die Einführung eines wirksamen Präparats noch ­einige Jahre dauern wird, sind vorbeugende Maßnahmen für Hunde umso wichtiger geworden. Eine Übersicht über alle herzwurmgefährdeten Regionen sowie prophylaktischen Empfehlungen ist auf der Website des European Scientific Counsel Companion Animal Parasites (www.esccap.org) zu finden.