Herzerkrankungen

auf der Spur

Bettina Kristof

Die sichere Diagnose von Herzerkrankungen ist auch in der Tiermedizin ein Thema. Neben Stethoskop, EKG und Ultraschall gibt es Blutparameter, die Tierarzt oder Tierärztin bei der Abklärung einer möglichen Herz­erkrankung unterstützen können. Wir sprachen darüber mit Prof. Dr. Gerhard Wess, Leiter der Kardiologieabteilung an der Medizinischen Kleintierklinik der LMU München.

Herr Professor Wess, welche Blutparameter sind generell bei der Diagnose von Herzerkrankungen wichtig?
Gleich vorweg: Die normalen Parameter im Standard­labor bringen wenig. Aber es gibt zwei aussagekräftige ­Parameter: das NT-proBNP und das kardiale CTNI. Diese Parameter kann man auf Verdacht bei Herzerkrankungen gut einsetzen und sie werden von jedem Labor erstellt.

Welche Biomarker sollte man bestimmen lassen, um Herzerkrankungen bei Katzen erkennen zu können?
Wenn eine Katze Herzgeräusche, eine Herzrhythmus­störung oder einen Galopprhythmus hat, dann ist es von Vorteil, wenn man den NT-proBNP bestimmt. Liegt dieser über 100 pmol/l, ist der Verdacht auf das ­Vorliegen einer Herzerkrankung gegeben. Zur Absicherung der Diagnose wird man dann einen Ultraschall machen. Mit dieser Kombination kann man alle mittel- und hochgradigen Herzerkrankungen erkennen. Ist der Wert unter 50 pmol/l, kann man eine Erkrankung des Herzens fast sicher ausschließen. Das ist ein wirklich guter Screeningtest. Wenn der Wert zwischen 50 und 100 pmol/l liegt, spricht man von einer Grauzone. In diesem Fall sollte man den NT-proBNP wiederholen oder gleich einen Herzultraschall machen, wenn der Besitzer besorgt ist. Dieser Biomarker bei der Katze ist aber auch ein aussage­kräftiger Wert, um zu sehen, ob sie ein Herzversagen hat, etwa ein Lungenödem, was im Röntgen bei der Katze ja nicht so leicht zu erkennen ist. Bei Biomarkern gibt es nicht einen einzigen oberen Referenzwert, sondern man hat je nach Fragestellung unterschiedliche Referenz­werte. Wenn ich sehen will, ob zum Beispiel eine Atemnot vom Herzen kommt, muss man höhere Werte als Grenzwert ansehen, etwa 260. Der Nachteil dabei ist, dass ich diesen Biomarker im Labor bestimmen lassen muss. Bei einer Katze mit Atemnot brauche ich das Ergebnis aber gleich. Dafür gibt es den SNAP-Test. Das Problem dabei ist allerdings, dass dieser Test auch schon bei etwas niedrigeren Werten als 260 positiv sein kann. Der SNAP-Test ist dafür gemacht, um mittel- bis hochgradige Herzerkrankungen zu dia­gnostizieren. Im Notfall sollte man ihn trotzdem einsetzen. Wenn er negativ ist, kommen die Atembeschwerden mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht vom Herzen. Wenn er positiv ist, würde ich erst einmal auf Lungenödem therapieren, aber im Kopf behalten, dass die Katze auch falsch positiv sein könnte. Spricht die Katze also nicht auf die Therapie an, sollte der Verdacht auf eine kardiale Ursache hinterfragt werden.

Gibt es noch weitere Blutparameter, um eine Herzerkrankung zu diagnostizieren?
In der Humanmedizin wird schon seit Längerem kardiales Troponin I verwendet, um etwa einen Herzinfarkt zu diagnostizieren. Neu in der Veterinärmedizin ist ein Test, bei dem man hochsensitives CTNI bestimmen kann. In einer Studie konnten wir vor Kurzem nachweisen, dass sich dieser Test sehr gut eignet, um auf eine Herzmuskelerkrankung bei der Katze zu testen. Sowohl NT-proBNP als auch CTNI sind gute Tests für das Screening bei Katzen. NT-proBNP ist ein spezifischer Test, es gibt einen speziellen für den Hund, einen für die Katze und einen für den Menschen. Troponin I kann man bei allen Spezies verwenden. Bei den Biomarkern NT-proBNP und Tro­ponin I muss man aufpassen, dass man kein falsch positives Ergebnis erhält, wenn das Tier Nierenversagen hat. Im Zweifel sollte man die Nierenwerte mitmachen.

Welche Blutparameter sind bei der Erkennung von Herzerkrankungen beim Hund aussagekräftig?
Im Grunde dieselben Tests wie bei Katzen, aber Hunde haben andere Herzerkrankungen. NT-proBNP ist gut geeignet, um eine DCM, eine dilatative Kardiomyopathie, zu diagnostizieren. Bei der DCM haben wir bei Dobermännern Studien gemacht, die zeigen, dass wir bei einem Cut-off-Wert von 500 – der ist bei der Rasse spezifisch  – gut voraussagen können, ob der Hund im Herzultraschall ein vergrößertes Herz haben wird. Es ist ein guter Screeningtest. Ein Herzultraschall sollte bei erhöhten Werten immer durchgeführt werden. Natürlich ist die Echokardiografie der beste Test, um eine DCM zu diagnostizieren, aber nicht immer durchführbar. In den USA kostet ein Herzultraschall 500 Dollar, das wird sich nicht jeder Tierbesitzer leisten. Manchmal ist der nächste ­Kardiologe zu weit weg, oder der Tierhalter will nicht zum Ultraschall zum Spezialisten gehen. Dobermänner haben häufig DCM, jeder zweite bekommt es. In solchen Situationen ist es dann sinnvoll, NT-proBNP als einen ersten Screeningtest zu machen.

Bei anderen Rassen liegt der Normalwert höher, etwa bei 800 oder 900; bei diesen Rassen bedeutet ein Screeningwert von 800 und darunter, dass es eher unwahrscheinlich ist, dass dieser Hund DCM entwickelt.

Die häufigste Herzerkrankung bei kleinen Hunden ist eine Klappenerkrankung – Dackel, Yorkshire Terrier, Cockerspaniel, Chihuahua bekommen das oft. Bevor ich da einen Bluttest mache, sollte ich den Hund mit dem Stethoskop abhören. Wenn er kein Herzgeräusch hat, sind die Klappen nicht undicht. Es läuft gerade eine Studie, durch die wir abklären wollen, ob wir mit NT-proBNP bei einer Klappenerkrankung sehen können, ob das Herz vergrößert ist, oder ob man dazu einen Ultraschall braucht. Bei einem vergrößerten Herzen würde man Pimobendan geben. Damit kann man die Lebenserwartung des betroffenen Hundes um circa 15 Monate verlängern. Da macht es Sinn, zu wissen, ob das Herz vergrößert ist. Ein Ergebnis dieser Studie erwarten wir Anfang nächsten Jahres.

Wenn der Hund Wasser in der Lunge hat, kann man den Test auch machen, aber man muss ihn ins Labor schicken, und damit vergeht wertvolle Zeit, denn man braucht das Ergebnis ja gleich. Deshalb ist beim Hund NT-proBNP für diese Fragestellung nur eingeschränkt hilfreich.

Wann finden Sie den Einsatz von Biomarkern besonders wichtig?
Immer dann, wenn es um schwierig zu ­diagnostizierende Erkrankungen geht, bei denen es kein Herzgeräusch gibt, etwa bei DCM bei Hunden und bei Katzen mit felinen Kardiomyopathien. Bei der Katze ist diese Herzmuskelerkrankung am häufigsten. Um die feline Kardiomyopathie festzustellen, braucht man zusätzlich einen Herzultraschall. Biomarker können auch helfen, Herz­erkrankungen bei großen Hunderassen zu erkennen. Auch mit Troponin I kann man bei Hunden Herzerkrankungen erkennen. Es gab eine Studie bei Dobermännern mit DCM, wo das Troponin I schon erhöht war, während der Herzultraschall und das 24-Stunden-EKG noch normale Werte gezeigt haben; ein halbes Jahr später war der Ultraschall dann abnormal. Unsere Erkenntnis: Bei einem erhöhten Tro­ponin-I-Wert muss der Hund früher zu Kontrolluntersuchungen vorgestellt werden.

Auch bei Verdacht auf angeborene Herzerkrankungen kann man die Biomarker bestimmen, jedoch haben die meisten Tiere mit angeborenen Herzerkrankungen ein Herzgeräusch, was einfacher und billiger nachzuweisen ist. Zusammengefasst kann man sagen: Die Hauptanwendung von Biomarkern liegt im Bereich von Screening­untersuchungen auf Krankheiten, die schwierig zu diagnostizieren sind oder die erst keine klinischen Veränderungen zeigen. Auch für die Unterscheidung von Atemnotpatienten können Biomarker eine wertvolle Hilfe sein.

Wie wird sich der Einsatz der Blutparameter in Zukunft entwickeln?
Der Trend, der kommen könnte, wäre, dass man mehrere Biomarker zusammen verwendet, um Erkrankungen noch genauer und noch früher zu erkennen. Momentan ist es ein Entweder-oder. Bei der Katze war Hyperthyreose früher schwierig zu diagnostizieren, heute ist das T4 in jedem Labor mit dabei, und Schilddrüsenerkrankungen können deshalb viel zeitiger erkannt werden. Ich denke, dass es eines Tages zum Standard gehören wird, das NT-proBNP bei den meisten Katzen erstellen zu lassen, um eine mögliche Herzerkrankung früher feststellen zu können. Weltweit gesehen sind wir in Deutschland mit dem Einsatz von Biomarkern schon gut unterwegs. Biomarker sind ein neues Tool, ein neuer Test, sie sollten aber Röntgen, EKG oder Ultraschall nicht ersetzen, sondern eine zusätzliche Hilfestellung in der Diagnose sein. In manchen Ländern wird der Einsatz von Biomarkern verrissen, weil die Praktiker sich dort zu sehr darauf verlassen und nichts anderes mehr machen. Aber so ist es falsch gedacht: Es ist nur ein Teil der Abklärung, es gibt mehr Sicherheit. Biomarker sind nur ein Parameter – ein nützlicher, wenn man die richtigen Fragen stellt. Für verschiedene Fragestellungen gibt es unterschiedliche Grenzwerte. Bei beginnender Krankheit muss ich mit den Werten niedriger gehen, um sie nachzuweisen, bei Herzversagen sind die Werte am allerhöchsten.

Haben Sie als Kardiologe noch eine Botschaft an die Tierärzte und Tierärztinnen in der Praxis?
Eines ist mir wichtig, den Kolleginnen und Kollegen in der Praxis zu vermitteln: Herzgeräusche bei Hunden sollte man immer abklären. Manche TierärztInnen denken, dass sich Herzgeräusche „verwachsen“ können. Doch das gibt es nicht bei Hunden, ein Herzgeräusch kann eine angeborene Herzerkrankung sein und gehört immer abgeklärt. In einem frühen Stadium kann man mit einem Katheter­verfahren operieren; später, wenn das erkrankte Tier schon ein Lungenödem hat, ist das viel schwieriger.