H5N1-Vogelgrippevirus für Virologen Krammer "bedenklich"

APA / Mag. Silvia Stefan-Gromen

Das hochpathogene H5N1-Grippevirus kursiert nicht nur weltweit unter Vögeln, sondern hat auch bereits seit Längerem den Sprung in Richtung Säuge­tiere geschafft. Aktuell grassiert es zum Beispiel stark in Rinderherden in den USA. Für den Virologen und Impfstoffforscher Florian Krammer von der Icahn School of Medicine in New York und der Medizinischen Universität Wien könnte genau diese Schnittstelle zwischen Tier und Mensch in den Vereinigten Staaten entscheidend werden.

„Influenza-Viren haben im letzten Jahrhundert vier Pandemien ausgelöst“, heißt es von Krammer und seinen Kolleg*innen – nämlich die Spanische Grippe (H1N1-­Viren), die von 1918 bis 1920 geschätzte 20 bis 50 Millionen Todesopfer forderte, die Asiatische Grippe (H2N2) von 1957, die Hongkong-Grippe (H3N2) von 1968 und zuletzt 2009 erneut eine Pandemie mit einem H1N1-Erreger („Schweinegrippe“). Es sei daher plausibel, dass die nächste Pandemie auf einen Influenza-A-Subtyp zurückzuführen sein werde, da vier der letzten sechs Pandemien durch Influenza-A-Viren verursacht wurden – HIV-1 und SARS-CoV-2 hätten die beiden anderen verursacht, so die Forscher*innen.

Influenza-A-Viren zirkulieren laut Krammer in vielen Tieren und sind genetisch sehr vielfältig. Sie hätten einen Hang dazu, „Nachkommenviren mit veränderter Virulenz“ zu produzieren sowie auf den Menschen über­zuspringen. Die H5N1-Viren seien – ebenfalls dieser Kategorie zugehörig – 1997 erstmals als Gefahr für den Menschen wahrgenommen worden, als 18 Personen in Hongkong infiziert wurden und sechs starben.

Weiter Sorge um H5N1

Vor allem in den USA sei die momentane Situation durchaus „problematisch“, betonte Krammer in einem Interview. „Die saisonale Influenzawelle in den USA ist sehr stark und die H5N1-Aktivität ist auch sehr hoch. Das ist eine brenzlige Situation.“ So wurden Krankenhäuser in einigen US-Bundesstaaten bereits angewiesen, bei aufgenommenen Patienten festzustellen, mit welchem Influenza-Subtyp sie infiziert sind. Das liege an der aktuell erhöhten Wahrscheinlichkeit, dass eine neue Viruskombination mit H5N1-Beteiligung auftreten könnte, erklärte der Wissenschaftler.

„Wir arbeiten bereits seit einiger Zeit auch in Wien an H5N1“, erklärte Krammer, der am 1. Jänner 2025 die operative Leitung des neuen Ignaz-Semmelweis-­Instituts (ISI) für Infektionsforschung übernommen hat, und fordert ein EU-Exzellenznetzwerk für Influenza­forschung. 

Denn während die USA ein auf Grippeviren-Forschung spezialisiertes Netzwerk – die Centers of Excellence in Influenza Research and Response (CEIRR) – haben, vermisst der in Österreich und den USA tätige Virologe eine solche Institution in Europa: Mit Kolleg*innnen spricht er sich in einem Kommentar in der Fachzeitschrift „The Lancet Infectious Diseases“ für die Entwicklung eines solchen Netzwerks nach US-amerikanischem Vorbild aus – auch, um im Notfall schnell reagieren zu können. 

Weitere Informationen unter:

https://www.pnas.org/doi/10.1073/pnas.1414070111 
https://semmelweisinstitute.ac.at/de/mission/ 
https://www.ceirr-network.org