Gesprächsqualität

in Zeiten digitaler Kommunikation

Mag. Silvia Stefan-Gromen

Das persönliche Gespräch hat auch in Zeiten von Social Media und „4.0“ einen zentralen Stellenwert in der Tierarzt-Kunden-Beziehung.

 

„Wir beobachten schon seit ein paar Jahren einen interessanten Trend: Mit der Digitalisierung der Medizin steigt gleichzeitig der Wunsch der Betroffenen nach persönlicher Ansprache“, sagt Britta Blumencron, erfahrene Trainerin für effektive Kommunikation im Gesundheitsbereich, die auch Gesundheitskommunikation an der Donau-Universität Krems lehrt. Ihre Diagnose macht deutlich, worum es neben den naturwissenschaftlich-fachlichen Kompetenzen des ärztlichen Berufsstandes auch geht: um die kommunikativen Kompetenzen in Zeiten der Digitalisierung. 

Das Internet ist heute zum Gesundheitsratgeber geworden – Gesundheitsthemen gehören zu den am meisten gesuchten Informationen im Web. 75 Prozent der Medienkonsumenten suchen aktiv Gesundheitsinformationen im Internet, 40 Prozent jener Suchenden verwenden diese Informationen als Basis für die weitere Vorgehensweise. „Dr. Google“ ist schon längst in der Tierarztpraxis angekommen: Gibt man z. B. „Arthrose Hund“ in die Suchmaschine ein, erhält man in 0,46 Sekunden mehr als eine Million Treffer. 

Stellt diese Entwicklung ein Risiko oder eine Chance für Tierärzte dar? Kommunikationsexpertin Blumencron analysiert: „Die Überinformiertheit ist oftmals nur eine scheinbare. Viele Menschen – egal ob Patienten, Tier­besitzer oder Angehörige – überfordert der digitale Tsunami. Für die Vermittlung medizinischer Information braucht es einen Menschen, der einem die Dinge erklärt, bespricht und Fragen erlaubt, und deshalb wird es in Zukunft noch viel mehr auf die Beziehungsqualität zwischen Arzt oder Ärztin und Patient oder Kunde ankommen.“ Das Fundament einer soliden Kundenbeziehung in Zeiten von „4.0“ ist die interpersonale Kommunikation, und für gute Gesprächsqualität in der Medizin braucht es Fertigkeiten, denn, so Blumencron: „Kommunikation spielt sich immer auf vier Ebenen ab.“

1. Die inhaltliche Ebene, auf der es um die Fachinhalte geht. Hier steht im Vordergrund: Werden die relevanten Fachinhalte besprochen? 

2. Die sprachlich-interaktive Ebene: Hier geht es um die Gesprächsführung selbst und die Frage: Welche verbalen und nonverbalen Verfahren unterstützen einen guten Gesprächsverlauf? 

3. Die dritte Ebene ist das Umfeld, in dem kommuniziert wird. Mitunter beachten im Gesundheitsbereich Tätige nicht, dass z. B. die Instrumentarien, die im Behandlungsraum für den Fall der Fälle ständig bereit liegen, Laien Angst machen können; aber auch etwa, wenn zwei Kolleg­Innen vor dem Tierbesitzer laut über eine heikle Diagnose fachsimpeln. Das Umfeld, zeitlich und räumlich, hat jedoch Einfluss darauf, wie das Gespräch selbst läuft. 

4. Und schließlich kommunizieren wir auf der psychosozialen Ebene. Damit betreten wir das weite Feld der Beziehungsebene: Mit welchen Haltungen und Einstellungen wird das Gespräch geführt?

Gefragt nach den häufigsten Kommunikationsherausforderungen, die das Gespräch zwischen Veterinär und Tierbesitzer mitunter schwierig machen, antwortet Trainerin Blumencron: „Oft werden komplizierte Inhalte nicht verständlich erklärt, und beim Überbringen von schlechten Nachrichten, sprich kritischen Diagnosen, beobachte ich häufig, dass von ärztlicher Seite die ganze Palette der nonverbalen Kommunikation, die in diesem Moment das alles Entscheidende ist, vergessen wird.“ Tatsächlich würde die „Macht des Nonverbalen“ zu mehr als 90 Prozent den weiteren Gesprächsverlauf bestimmen, so Blumencron. 

Denn zusätzlich zur Ebene der Krankheit des Tiers und jener der Behandlung gibt es schließlich eine weitere Ebene: Die der persönlichen Betroffenheit der Tier­besitzer – und diese gilt es zu adressieren. Laut einer Studie aus dem Jahr 2013 wird nämlich die Gesamtzufriedenheit von Kunden und Patienten im Gesundheitsbereich zu 60 Prozent durch eine gute Gesprächsqualität bestimmt, und es ist bekannt, dass im Humanbereich 82 Prozent der Klagen wegen Behandlungsfehlern auf Kommunikationsprobleme zurückgehen. 

Zur nonverbalen Kommunikation zählen Körpersprache, Gesichtsausdruck, Augenkontakt und Stimme. Diese schaffen quasi das Fundament, auf dem gute Gespräche überhaupt erst funktionieren: das Vertrauen des Tierbesitzers zu Tierärztin und Tierarzt. Britta Blumencron bringt es auf den Punkt: „Ohne Vertrauen kein Ergebnis.“ Für den Einsatz der nonverbalen Kommunikation sind folgende Aspekte wichtig:

Blickkontakt: Unsere Augen sind der Kanal, der Empathie überhaupt erst ermöglicht. Blickkontakt signalisiert Wertschätzung! 

Eine offene Handhaltung tut dasselbe: Geöffnete Hände signalisieren Einladung – während des gesamten Gesprächsverlaufs vor dem Oberkörper verschränkte Arme zeigen meinem Gegenüber Ablehnung und Blockade.

Als verbale KommunikationsTechniken im Umgang mit Tierbesitzern empfehlen sich besonders:

Nicht unterbrechen: Aus Studien weiß man, dass Betroffene – gleich ob Patient oder Tierbesitzer – nicht gleich zu Beginn die für sie wichtigste Frage stellen oder die für die Tierärztin / den Tierarzt wichtigste Information zum Tier geben. Mit einer zu raschen Unterbrechung geht also wichtige Information verloren, und zudem wird der Arzt weniger wertschätzend wahrgenommen als jener, der aktiv zuhören kann. Dass dieser Aspekt in der Praxis schwierig ist, beweist die Realität: Diverse Untersuchungen kommen unisono zu dem Schluss, dass Arzt-Patienten-Gespräche im Schnitt von Arztseite stets nach kürzester Zeit (22 Sekunden!) zum ersten Mal unterbrochen werden.

• Schließlich eignet sich die Technik der verständlichen Kommunikation, in der Fachsprache auch „Plain Language“ genannt, auch sehr gut für die Tierarztpraxis. Worum geht es hierbei? Kommunikationsexpertin Blumencron rät: „Vermeiden Sie Fremdwörter und Fachausdrücke. Wenn Sie diese verwenden, erklären Sie diese danach in einfachen Worten. Sprechen Sie in kurzen Sätzen. Und insgesamt gilt: Weniger ist oft mehr!“ Soll heißen: Den Tierbesitzern hilft es, wenn die Informationen in kleinen Portionen gegeben werden, weil es sonst passieren kann, dass sie sich rasch überfordert fühlen – und Überforderung sorgt für Stress; Stress wiederum mündet zumeist in eine emotional aufgeladene Situation mit entsprechend emotionaler Kommunikation. 

Dieser Teufelskreis ist berufsgruppenunabhängig und findet im beruflichen Kreis mit Patienten und Kunden genauso statt wie in der Kommunikation mit KollegInnen oder im privaten Bereich. Somit eignen sich diese Techniken auch zum Beispiel in der Kommunikation im Team. 

Denn: Kommunikation verbindet. Und so ist das auch mit der Kommunikation in Zeiten von „4.0“. Trainerin Blumencron: „Die Frage sollte nicht lauten: ‚Worauf setze ich als Tierarzt – die digitale Kommunikation oder doch die persönliche Ansprache?‘ Meiner Erfahrung nach ist das Erfolgsrezept ein Und: digitale Kommunikation und persönliche Gespräche.“

KURZ-CV
Mag.a Britta Blumencron ist seit über 15 Jahren im Gesundheitsbereich tätig und Expertin für Gesprächsqualität in der Medizin. Sie trainiert ÄrztInnen und Gesundheitsfachkräfte in effektiver Kommunikation mit Patienten und Angehörigen und lehrt Gesundheitskommunikation an der Donau-Universität Krems/Zentrum für Management im Gesundheitswesen. 

britta-REMOVE-NOSPAM@blumencron.at

www.blumencron.at