Gerhard Marosi:

Experte für Produktpiraterie im Bundes­ministerium für Finanzen

Mag. Eva Kaiserseder

Medikamentenfälschungen aus dem Internet.

Medikamentenfälschungen sind seit Längerem ein großes Thema in Sachen Produktpiraterie – deren Zahl steigt stetig. Bei den Tierarzneimitteln gibt es aktuell eine interessante Zahl zu vermelden. 

Der aktuelle Produktpirateriebericht für 2017 wurde eben veröffentlicht. Bei gefälschten Medikamenten wurde diesmal ein Rekordwert erzielt. Woran liegt diese Entwicklung?
Die vom Zoll aufgegriffenen Medikamente stehen im Wesentlichen im Zusammenhang mit dem Vertrieb über das Internet. Das Phänomen der Medikamentenaufgriffe beim Zoll hat sich parallel mit der Verbreitung und Nutzung des Internets entwickelt. Das lässt sich anhand der Zollzahlen seit 2004 (siehe Grafik, Anm. d. Red.) sehr gut nachvollziehen – es wurde kontinuierlich mehr und ist stetig gewachsen.  

In welchen Medikamentenbereichen wird besonders oft gefälscht?
Bei den Fälschungen handelt es sich hauptsächlich um Potenzmittel. Wir finden aber auch andere illegale Medikamente, insbesondere Anabolika und Psychopharmaka. Das sind Medikamente, die man beim Arzt nur bei entsprechenden medizinischen Indikationen verschrieben bekommt. Dass wir keine anderen Medikamente aufgreifen, hängt auch mit unserem Gesundheitssystem zusammen: Weil Krankenkassen bis auf die Rezeptgebühr die Kosten von Medikamenten tragen, sind eben genau jene Arzneimittel attraktiv für illegale Einfuhren, die ein seriöser Arzt ohne entsprechendes Krankheitsbild nicht verschreiben würde. Möchte man die Medikamente dennoch haben, wird oft der Weg über eine Internet­bestellung gewählt, bei der ärztliche Verschreibungen nicht geprüft werden.

Stichwort Tierarzneimittel: Gibt es hier konkrete Zahlen?
Ja, gibt es, nämlich null. Wir vom Zoll haben keinerlei Tierarzneimittel aufgegriffen. Das liegt aber möglicherweise an anderen Vertriebskanälen, über die die illegalen Einfuhren in die EU erfolgen. 

Warum werden eigentlich ausgerechnet in Indien so viele Arzneimittelplagiate hergestellt? 
Aufgrund der uns vorliegenden Informationen vermuten wir Indien als Hauptherkunftsort. Die gefälschten Produkte haben natürlich keine Plakette mit Herkunfts­angabe, einiges können wir aber präzise nachforschen, und dabei ist eben Indien ganz vorne dabei. Das hat damit zu tun, dass in Indien auch Originalmedikamente hergestellt werden, weil die Pharmaindustrie dort produzieren lässt. Das heißt, es gibt in Indien einen leichteren Zugang zu Wirkstoffen und anderen Hilfsstoffen, die auch die Fälscher für ihre Plagiate benötigen. Außerdem besteht aufgrund der bereits vorhandenen Infrastruktur auch ein leichterer Zugang zu veralteten und ausrangierten Maschinen, die die Fälscher dann weiter nutzen. 

Seit 2015 kann man rezeptfreie Medikamente im Internet kaufen. Hat das auch den Absatz von illegalen Fälschungen beeinflusst?
Das Verhalten der Konsumenten hat sich im Zuge dessen in Bezug auf Fälschungen nicht verändert und rezeptfreie Medikamente wurden auch schon vorher nicht aufgegriffen. Da ist also explizit kein Zusammenhang zu sehen. 

Wie sieht Ihre Prognose aus – wird es eine weitere Zunahme geben oder ist ein Abklingen in Sicht?
Ich fürchte, es wird weitergehen wie bisher – mit ­einem stetigen Anstieg. 

Wie kann ich mich als Konsument schützen? 
Grundsätzlich gilt es, im Netz ganz besonders vorsichtig zu sein. Es gibt natürlich Angebote, bei denen es schwerfällt, die Fälschung zu erkennen. Mit ein wenig Vorsicht lassen sich dubiose Anbieter aber meist erkennen. Ein fehlendes Impressum oder schlechte deutsche Übersetzungen mit Rechtschreibfehlern im Text sollten immer ein Alarmzeichen sein. Auch Websites, die auf „.at“ oder „.de“ enden, zeigen noch lange nicht an, dass auch wirklich ein österreichisches oder deutsches Unternehmen dahintersteckt. Gerade bei solchen vermeintlich in der EU ansässigen Anbietern ist eines ganz wichtig: Ein Angebot ohne Umsatzsteuer ist ein eindeutiges Indiz, dass kein reeller Anbieter dahintersteckt. Hier kann man durchaus die Augen offen halten und schnell erkennen, dass man betrogen wird. Wenn man sich als Konsument bewusst für den Kauf einer Arzneimittelfälschung entscheidet, sollte man eines bedenken: Gerade bei Medikamenten ist das sehr gefährlich!

 

Wie ist der Stand der Dinge seitens des Gesetzgebers? 
Das Arzneiwareneinfuhrgesetz verbietet es Privat­personen, Medikamente im Netz zu bestellen. Leider halten sich viele nicht daran. Da sind wir aber auch wieder bei genau den Produkten, die man bei einem seriösen Arzt ohne entsprechende Erkrankung nicht verschrieben bekommt.