Arbeiten im Garten

der Tiere

Tierärztin Tanja Warter

Das Erste, was ein Zoobesucher an einem schönen Ferientag zu sehen bekommt, ist eine Schlange, bestehend aus Leuten, die an der Kassa warten. Für die Tierärzte ist der Zoo ein Arbeitsplatz unter den kritischen Augen der Öffentlichkeit.

Einmal war Andreas Ochs dann doch etwas genervt. Der Tierarzt arbeitet seit 1991 im Zoo in Berlin und hat seither fast täglich mit Medien zu tun. Meistens ist das für ihn in Ordnung – dieses eine Mal aber war es anders: „Wir waren beauftragt, einen Elefantenbullen aus den USA zu importieren. Das ist kein leichtes Unterfangen, und wir hatten die Sache strikt geheim gehalten. Aber ein Berliner Lokalreporter, der oft wirklich lästig war, hatte Wind von der Sache bekommen – und als wir in den USA ankamen, stand dieser Mensch schon dort.“

Dem hartnäckigen Reporter war es sogar gelungen, einen Sitzplatz in der Frachtmaschine nach Berlin zu ergattern. „In der Cargo-Maschine hätten nur der Elefantenpfleger, ein weiterer Mitarbeiter des Zoos und ich sein sollen. Bis heute weiß ich nicht, wie er das geschafft hat. Damals war ich doch etwas sauer.“ Ochs erklärt das so: „Medienarbeit wird immer dann anstrengend, wenn man selbst echt im Stress ist, etwas Unvorhergesehenes passiert und man dann noch schnell ein Statement geben soll.“

Bei guten Nachrichten sei das alles freilich kein Problem. Gern berichte man darüber, dass eine Geburt problemlos lief, dass das Jungtier topfit sei oder eine Verstauchung einwandfrei ausheilen konnte. Viele Menschen lieben Geschichten aus Zoos: 2003 startete die Dokusoap „Elefant, Tiger & Co.“, gefolgt von „Pinguin, Löwe & Co.“, „Giraffe, Erdmännchen & Co.“ und vielen weiteren Ausgaben. Andreas Ochs wurde als einer der Hauptdarsteller deutschlandweit bekannt; andere Zootierärzte auch.

 

mit dem Medienrummel umgehen lernen

Auf die Frage: „Was war denn heute bei Ihnen im Zoo alles los?“, sprudelt er los: „15 oder 20 Kamerateams am Vormittag, Liveübertragungen in die ganze Welt, Ü-Wägen von Radiostationen und unzählige Fotografen.“ An diesem Tag Ende Jänner wurden die beiden Pandababys der Öffentlichkeit präsentiert: „Einer der schönen Medientermine.“ Von Politikern weiß man, dass sie sich schulen lassen, um mediale Auftritte souverän zu meistern – bei Ochs ist das anders. „Ich bin da hineingewachsen. Früher mit Vorträgen; dann habe ich viele Führungen im Zoo gemacht.“ So hat er gelernt, pointierte Aussagen zu treffen und dabei eine leicht verständliche Sprache beizubehalten. „Das ist oft das Schwierige: besonders komplexe Sachverhalte möglichst kurz und prägnant darzustellen“, so Ochs.

In die Ära von Andreas Ochs fielen auch Großevents wie Eisbär Knut. Plötzlich hatten sich die Besucherzahlen im Berliner Tiergarten verdoppelt. Heute wird geschätzt, dass Knut dem Zoo Berlin mindestens sechs Millionen Euro eingebracht hat. Ochs durfte regelmäßig Auskunft über den Gesundheitszustand des kleinen Eisbären geben. Viele schmunzelten, als er Knut beispielsweise auf Diät setzte. Medien liebten solche Geschichten.

Ein kleiner Blick zurück in die Historie zeigt übrigens, dass das Phänomen der massenhaften Begeisterung für Zoos gar nicht so neu ist. Schauen wir nach Wien im Jahr 1828: Der Tiergarten Schönbrunn, der älteste Zoo der Welt, hatte seit mittlerweile 50 Jahren die Pforten für Besucher geöffnet – allerdings nur für solche „mit guter Kleidung und gutem Benehmen“. Das war Vorschrift. 1828 also war es, als die erste Giraffe nach Schönbrunn kam – und eine Stadt völlig ausflippte. Die Besucherzahlen explodierten, Schuhe und Handtaschen hatten plötzlich Giraffenmuster, Bäcker erfanden die Giraffentorte und fabrizierten „Giraffeln“ statt Waffeln. Der Wiener Theaterdirektor Adolf Bäuerle, berühmt für sein Kinderlied „Kommt ein Vogel geflogen“, schrieb das Theaterstück „Die Giraffe in Wien“. Aber der Clou war das Parfum „à la Giraffe“.

 

Krisenkommunikation im Zoo

Ein Parfum „à la Eisbär“ kam in Berlin nicht auf den Markt: Knut starb im März 2011, er war ertrunken in seinem Schwimmbecken. Etwa 600 Zoobesucher hatten unmittelbar dabei zugesehen, die Öffentlichkeit war außer sich. Ochs konnte die Sache an die Spezialisten übergeben.

„Es ist gut, dass man gerade in so schwierigen Situationen nicht allein dasteht.“ Nach der Obduktion kam heraus, dass ein epileptischer Anfall, verursacht durch die autoimmune Anti-NMDA-Enzephalitis, zum Sturz ins Wasser geführt hatte. Tragödien wie diese sind zum Glück die Ausnahme. „Aber daran erinnert man sich natürlich für  immer. Positive Erlebnisse vergisst man leider schneller als schlimme Ereignisse“, meint Ochs. Gerade mit den Teams der Doku-Soaps mache die Arbeit auch richtig Spaß.  „Anders als am Anfang kennen sie sich jetzt natürlich viel besser mit den Tieren aus. Und ich nehme es auch viel lockerer, dass natürlich immer dann gern etwas schiefgeht, wenn die Kamera an ist – auch, weil die Tiere teilweise irritiert sind. Aber inzwischen läuft das sehr gut.“    

 

Vor der Kamera zu stehen muss man mögen

Kommt man als Zootierarzt überhaupt durch, wenn man nicht gern in der Öffentlichkeit steht und keine Kameras mag? Ochs hat im Lauf seines Berufslebens bemerkt, dass trotz der Vielzahl der Medien heute einiges leichter geworden ist. „Wir haben seit vier, fünf Jahren eine Presseabteilung im Berliner Zoo, die sich um alle Anfragen kümmert. Die verfassen beispielsweise eine Presseaussendung zum ersten Freigang der Pandas. Sie schreiben gleich gute Zitate von mir hinein, die ich dann noch absegne, und die Meldung wird rausgeschickt. Früher riefen alle Reporter direkt bei mir oder bei der jeweils zuständigen Person an. Da kommt man sonst zu nichts mehr und erzählt x-mal hintereinander die gleiche Geschichte“, schildert Ochs.

Wer gar nicht vor einer Kamera stehen möchte, mache sich das Leben als Zootierarzt auf jeden Fall schwerer, sagt Ochs. Ihm selbst habe es nie etwas ausgemacht, in der Öffentlichkeit zu stehen, „aber ich bekam auch immer positive Rückmeldungen, dass ich es ganz gut machen würde und authentisch rüberkäme.“ So war es für ihn auch kein Problem, mit Bundeskanzlerin Angela Merkel und zig Kameras in China die Pandabären abzuholen – auch so ein schöner Moment im Rampenlicht. „Manchmal muss man sich dann selbst wieder auf den Boden holen“, sagt Ochs, „denn letztlich geht es um die Tiere, und nicht um
einen selbst.“