FSME und Co:

Forscher*innen entdecken in den Alpen neues Zeckenvirus

Mag. Silvia Stefan-Gromen

Eine soeben in der international renommierten Fachzeitschrift „Viruses“ veröffentlichte europäische Studie unter der Leitung der Veterinärmedizinischen Universität Wien weist erstmals ein neues, bislang unbekanntes Zeckenvirus nach. Gefunden wurde der neue Flavivirus-Subtyp in erkrankten Gämsen und anhaftenden Zecken aus Österreich und Italien. An der Studie waren zahlreiche Forschungseinrichtungen aus Österreich, Italien, der Tschechischen Republik und den Vereinigten Arabischen Emiraten beteiligt. Welche Folgen das neu entdeckte Virus für Mensch und Tier haben wird, lässt sich derzeit noch nicht sagen. Um weitere Forschungs­arbeiten zu erleichtern, wurde das Zellkulturisolat des neuen Virus („Alpine chamois encephalitis virus“; ACEV) auf der Plattform des Europäischen Virusarchivs hinterlegt. 

Der europäische Subtyp des durch Zecken übertragenen Frühsommer-Meningoenzephalitis-Virus (FSMEV-Eur; Spezies Orthoflavivirus encephalitidis, Familie Flaviviridae) war bislang das einzige durch Zecken übertragene Flavivirus in Mitteleuropa, von dem bekannt war, dass es neurologische Erkrankungen bei Menschen und verschiedenen Tierarten verursacht. Nun berichten Wissenschaftler*innen erstmals über ein durch Zecken übertragenes Flavivirus, das von alpinen Gämsen (Rupicapra rupicapra rupicapra) mit Enzephalitis und anhängenden Zecken isoliert wurde. Die Fälle wurden 2017 in Salzburg und 2023 in der Lombardei und im Piemont (Italien) festgestellt.

Laut dem Virologen und Studien-Erstautor Norbert Nowotny vom Zentrum für Pathobiologie der Vetmeduni weisen die Virusstämme 94,8–97,3 % Nukleotid-Identitäten zueinander auf und sind enger mit dem vor allem auf den Britischen Inseln vorkommenden Louping-Ill-Virus (Orthoflavivirus loupingi; 90–92 % Übereinstimmungen) als mit FSMEV-Eur (weniger als 88 %) verwandt. „Die von den Gämsen stammenden Virusstämme, die wir vorläufig als ‚Alpine chamois encephalitis virus – ACEV‘ bezeichnen, bilden mit dem Spanischen Ziegenenzephalitis-Virus eine unabhängige genetische Gruppe, die sich deutlich von den anderen Louping Ill-Viren unterscheidet“, erklärt Nowotny. Laut dem Experten spricht dies für die Einstufung als neuer Virus-Subtyp mit dem vorgeschlagenen gemeinsamen taxonomischen Namen „Spanish goat and Alpine chamois encephalitis virus subtype“ innerhalb der Spezies Orthoflavivirus loupingi. 

Die Jahreszeiten, in denen die infizierten Gämsen gefunden wurden, waren mit Februar, Mai und September sehr unterschiedlich. Deutlich weicht auch die Höhe der Fundorte voneinander ab: Sie reicht von 761 über 1.200 bis zu 1.700 Höhenmeter. Außerdem unterschieden sich die Funde hinsichtlich Zeckenbefall: Einmal befanden sich keine Zecken an der Gämse, weshalb die Infektion mehrere Wochen oder sogar Monate zuvor erfolgt sein musste; bei den beiden anderen Fällen hafteten die infizierten Zecken noch an den Gämsen.

Service:
Der Artikel „Neurotropic Tick-Borne Flavivirus in ­Alpine Chamois (Rupicapra rupicapra rupicapra), Austria, 2017, Italy, 2023“ von Norbert Nowotny, Katharina Dimmel, Jolanta Kolodziejek, Davide Lelli, Ana Moreno et al. wurde in „Viruses“ veröffentlicht.
https://www.mdpi.com/1999-4915/17/1/122 

Rückfragehinweise:
Univ.-Prof. Dr. Norbert Nowotny
Veterinärmedizinische Universität Wien (Vetmeduni)
norbert.nowotny-REMOVE-NOSPAM@vetmeduni.ac.at 
+43-699-11301300