Das Frettchen –

eine Betrachtung aus der tierärztlichen Praxis

Mag. Robert Basika

Frettchen sind neben Hund und Katze die einzigen Raubtiere, die als Haustiere gehalten werden – wobei darauf hinzuweisen ist,­ dass Frettchen nie Wildtiere waren, sondern zu Jagdzwecken aus dem Iltis herausgezüchtet wurden. Auch heutzutage werden Frettchen noch hin und wieder für die Jagd verwendet, jedoch hauptsächlich als Haustiere gehalten.

Haltung

Das Wichtigste vorweg: Frettchen sind sehr soziale und gesellige Tiere und dürfen niemals alleine gehalten werden, sondern mindestens zu zweit. Die Haltungsformen sind vielfältig: Von eigenen Zimmern bis zur Außenhaltung findet sich bei Frettchenhaltern so ziemlich alles. Bei der Haltung im Familienverbund muss einem, obwohl viele Frettchen sehr sauber sein können, schon bewusst sein, dass sie nie die Stubenreinheit von Katzen erreichen. Essenziell ist es, die Umgebung „frettchensicher“ zu machen, insbesondere, was die mögliche Aufnahme von Fremdkörpern betrifft. Frettchen knabbern sehr gerne an Kunststoffen (Achtung bei der Auswahl der Spielsachen!) und verschlucken dann nicht selten Teile davon. Auch Ohrstöpsel, In-Ear-Kopfhörer und dergleichen werden so zu tödlichen Gefahren.

Ernährung

Frettchen sind mehr oder weniger reine Fleischfresser, das heißt, sie haben einen wesentlich höheren Eiweißbedarf als Hunde oder auch Katzen. Der Kohlenhydratanteil in der Nahrung sollte nur wenige Prozent betragen – der sehr kurze Verdauungstrakt des Frettchens ist nicht zur Ver­arbeitung von komplexen Kohlenhydraten ausgelegt. Gutes Frettchenfertigfutter enthält meist weniger als 10 % davon. Ungeeignet ist Hundefutter; auch Katzenfutter eignet sich nur bedingt. Frischfleischfütterung ist natürlich auch möglich. Leider sind Frettchen im Hinblick auf die Nahrung Gewohnheitstiere und nur sehr schwer bis gar nicht an neues Futter zu gewöhnen, was bei insuffizienter Zusammensetzung des Futters Probleme bereiten kann.

Impfprophylaxe

Frettchen sind für das Staupevirus sehr empfänglich, daher stellt die Impfung dagegen eine Core-Vakzine dar. Die Grundimmunisierung erfolgt entweder zweimalig in der achten und zwölften Lebenswoche oder ab der zwölften ­Lebenswoche einmalig. Die Auffrischung erfolgt jährlich. Leider ist der einzige für Frettchen zugelassene Impfstoff erst kürzlich vom Markt genommen worden. Die ersatz­weise Impfung mit Hundeimpfstoffen ist weder erlaubt noch zielführend. Für die kommenden Monate hat ein Impfstoffhersteller die Markteinführung eines neuen Staupe­impfstoffs für Frettchen in Aussicht gestellt. Die Tollwutimpfung wurde erst kürzlich von der Stiko Vet von der Liste der Core-Vakzine ge­nommen, allerdings ist für die inner­gemeinschaftliche Verbringung von Frettchen innerhalb der EU eine solche zwingend vorgeschrieben und somit unerlässlich.

Fortpflanzung/kontrolle

Rüde und Fähe weisen einen ausgeprägten Geschlechtsdimorphismus auf, das heißt, dass Rüden sehr viel größer und schwerer als Fähen werden. Frettchen werden im Allgemeinen im Frühjahr nach der Geburt geschlechtsreif, wobei sich nicht alle nach den Lehrbüchern richten, was bei der Haltung gemischter Gruppen von Bedeutung ist, sofern man keinen unerwünschten Nachwuchs produzieren möchte. Es ist unbedingt erforderlich, dass Fähen kastriert werden, weil nicht gedeckte Tiere in eine Dauerranz kommen können, welche zu einer Östrogenintoxikation führen kann – und diese in weiterer Folge im Extremfall zum Tod. Die Kontrolle über das Fortpflanzungsverhalten wird heutzutage nicht mehr über die herkömmliche chirurgische Kastration vorgenommen, da diese sehr häufig zur Aus­bildung einer Nebennierenüberfunktion beiträgt. Die bevorzugte Methode stellt die Implantation eines GnRH-Agonisten dar. Die Wirkungsdauer dieses Implantats beträgt 1,5 bis drei Jahre (im Schnitt zwei Jahre), muss also im Leben eines Frettchens zwei- bis dreimal gesetzt werden. Bei Rüden besteht keine medizinische Indikation zur Kastration, jedoch ist die Geruchsbelastung in der Ranz dermaßen hoch, dass auch diese so gut wie immer hormonell ruhiggestellt werden. Eine Ausnahme stellt hier manchmal die reine Außenhaltung dar.

Untersuchung

Die Untersuchung eines Frettchens gestaltet sich durchaus recht einfach, sofern das Tier mit einer Malz- oder Vitamin­paste abgelenkt wird. Es handelt sich um sehr lebhafte Tiere und die Pasten sorgen für eine gewisse „Sedierung“. Das Vorurteil, dass Frettchen bissig seien, kann von unserer Seite nicht geteilt werden. Es empfiehlt sich aber doch, folgende Vorsichtsmaßnahme zu beherzigen: Niemals einfach so in die Transportbox greifen – Frettchen sehen nicht besonders gut und könnten die Hand als Be­drohung wahr­nehmen und dementsprechend reagieren. Die Tiere sind aber ohne­hin sehr neugierig und kommen in den meisten Fällen freiwillig aus dem Transporter. Wenn nicht, holt entweder der Besitzer das Frettchen aus der Box oder diese wird, wenn möglich, komplett geöffnet. Auch darf im Gegensatz zu Katzen der Nackengriff zur Untersuchung bestimmter Regionen eingesetzt werden und erleichtert diese nicht unerheblich. Zur Probengewinnung aus den Ohren (Ohrmilben!) erweist er sich ebenfalls als hilfreich. Bei der regelmäßigen Gewichtskontrolle darf man nicht auf eine tierartliche Besonderheit vergessen: Frettchen steigern im Herbst die Nahrungsaufnahme und fressen sich quasi Reserven an. Dieser Polster kann 20–30 Prozent des Normal- bzw. Sommergewichts betragen. Das bedeutet, dass Frettchen im Frühjahr wieder an Gewicht verlieren. Das darf aber nicht mit krankheitsbedingten Gewichtsverlusten verwechselt werden und muss insbesondere unerfahrenen Frettchenhaltern auch so kommuniziert werden. Ansonsten unterscheidet sich die klinische Untersuchung nicht weiter von Hund oder Katze.

Die häufigsten Erkrankungen/Tierartliche Besonderheiten

Im Folgenden werden die am häufigsten in der tierärzt­lichen Praxis auftretenden Erkrankungen – bzw. solche, die sich von auch bei anderen Tierarten vorkommenden im Detail unterscheiden – kurz besprochen.

Insulinom:
Durch neoplastische Veränderungen am Pankreas kommt es häufig zu Unterzuckerungserscheinungen wie z. B. Schwäche der Hinterextremitäten, Übelkeitsanzeichen, Zittern etc., weil unabhängig von der Nahrungszufuhr Insulin ausgeschüttet wird. Diese Symptome gepaart mit einem Glukosewert (vier Stunden nüchtern) von weniger als 60 mg/dl sind mehr oder weniger pathognomonisch. Die Zufuhr geringer Mengen an Traubenzucker, Honig oder dergleichen führt im Allgemeinen zu einer sehr schnellen Besserung dieser Symptomatiken, was die Verdachtsdiagnose stützt. Die Behandlung erfolgt vorerst konservativ mittels Di­azoxid oder Prednisolon. Sobald es der Zustand des Patienten erlaubt, sollten eine chirurgische Lösung angedacht und die Insulinome entfernt werden, allerdings sind Rezidive leider nicht selten.

Nebennierenüberfunktion:
Die Nebennierenüberfunktion des Frettchens ist ein häufiges Problem herkömmlich kastrierter Frettchen und unterscheidet sich vom klassischen Cushing anderer Tierarten – insofern nämlich, als dass nicht vermehrt körpereigenes Kortison ausgeschüttet wird, sondern vielmehr Geschlechtshormone. Diese bestimmen auch das klinische Bild. Das eigentlich kastrierte Tier weist Anzeichen der Ranz auf (geschwollene Vulva bei der Fähe, verstärkter Körpergeruch, Verhaltensänderungen); daneben kommt es zu einem diffusen bis großflächigen Fellverlust. Generell ist im Allgemeinen hochgradiger Fellverlust beim Frettchen nicht durch Hauterkrankungen bedingt, sondern hat eben eine hormonelle Ursache. Die Ultraschallunter­suchung zeigt ein- oder manchmal auch beidseits veränderte Neben­nieren. Im Allgemeinen wird konservativ behandelt und versucht, die hormonelle Situation zu regulieren. Hier wird wiede­rum häufig die Implantation von Deslorelin vor­genommen, aber auch das Setzen eines Melatonin­implantats führt in vielen Fällen zur Besserung der Symptomatik; dieses muss allerdings aus den USA importiert werden. Bei einseitig betroffener Nebenniere kann auch eine chirurgische Entfernung angedacht werden, allerdings ist auch hier mit einer hohen Rezidivrate zu rechnen, weil die bis dato nicht betroffene Seite entarten kann.

Fremdkörper:
Wie schon zuvor erwähnt, sind Fremdkörper bei Frettchen eine häufige Ursache chirurgischer Interventionen und führen leider oft zum Tod des betroffenen Tiers, weil durch die unspezifische Symptomatik die Diagnose nicht selten zu spät gestellt werden kann. Daher sollte jedes vor allem junge Frettchen, das mit reduziertem Allgemeinbefinden, Inappetenz, Erbrechen, Durchfällen oder Obstipation vorgestellt wird, auf das mögliche Vorhandensein eines Fremdkörpers untersucht werden. Selbst wirklich frettchen­erfahrene Besitzer, die glaubhaft versicherten, dass ihr Frettchen keinen Fremdkörper gefressen haben kann, mussten zur Kenntnis nehmen, dass in einem unbeobachteten Moment doch z. B. ein Ohropax aus der Handtasche gestohlen wurde.

Durchfallerkrankungen:
Ganz weit oben bei den Ursachen für Durchfälle stehen Giardien. Diese stellen insofern ein größeres Problem als bei Hund und Katze dar, als Frettchen, wie bereits erwähnt, nicht hundertprozentig stubenrein sind und die Umgebungskontamination oft schwer in den Griff zu bekommen ist. Außerdem reagieren Frettchen nicht selten mit vergleichsweise weitaus schwerwiegenderen Allgemein­symptomen als nur mit Durchfall.

Die Behandlung erfolgt aber ähnlich wie bei anderen Tierarten mit Fenbendazol und/oder Metronidazol. Die Hygiene­maßnahmen und die Desinfektion der Umgebung sollten während der gesamten Behandlungsdauer akribisch durchgeführt werden, um den Behandlungserfolg zu gewährleisten und das Auftreten von Rezidiven so weit wie möglich zu verhindern.

Eine weitere Besonderheit bei den intestinalen Erkrankungen stellt die Epizootische katarrhalische Enteritis dar, nach ihrem Erscheinungsbild auch „Green Slime Disease“ genannt. Auslöser ist ein frettchenspezifisches Corona­virus, für das es leider in Europa kein Nachweisverfahren gibt – die Diagnose muss ergo anhand des klinischen Bilds gestellt werden. Die Therapie erfolgt symptomatisch, eine spezifische Behandlung ist nicht vorhanden.

Ohrmilben:
Ohrmilben sind zwar kein schwerwiegendes Problem, sollen aber wegen der Häufigkeit des Auftretens hier Erwähnung finden. Eigenen Beobachtungen zufolge finden sich bei jedem dritten Frettchen Ohrmilben, die Dunkelziffer ist vermutlich noch höher.

Daher sollte jedes neu in der Ordination vorgestellte Frettchen darauf untersucht werden. Bei Vorliegen eines akuten Befalls erweist sich die zweimalige Behandlung mit einem imidaclopridhaltigen Präparat im Abstand von drei Wochen als zielführend.

Weitere häufige Probleme von in der Praxis vorgestellten Patienten sind Herz- und Niereninsuffizienzen, Zahn­erkrankungen und Neoplasien wie z. B. Lymphome. Diese unterscheiden sich allerdings nicht wesentlich von anderen Tierarten und sollen daher nur diese kurze Er­wähnung finden.