Mag. Silvia Stefan-Gromen
Ausgabe 12/2019 - 01/2020
ForscherInnen des CeMM Forschungszentrums für -Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissen-schaften haben in Zusammenarbeit mit der Vetmed-uni Vienna, der MedUni Wien sowie der Medi-zinischen Hochschule Hannover, dem Kantonsspital St. -Gallen und der Firma Bio-Cancer Treatment International Ltd einen Schlüsselmechanismus identifiziert, der erklärt, wie anti-virale Immunantworten den Leberstoffwechsel umprogrammieren können.
Die Untersuchung der Wechselwirkungen zwischen Entzündung und Leberstoffwechsel bei chronischer Virusinfektion zeigte, dass das antivirale Zytokin Typ I Interferon (IFN-I) ein Hauptregulator der Stoffwechselwege in Leberzellen ist. Die ForscherInnen konzentrierten sich insbesondere auf den Harnstoffzyklus, einen zentralen Stoffwechselweg, und stellten fest, dass dieser während einer Virusinfektion durch IFN-I gestört wird. Dies führte zu veränderten Konzentrationen von Metaboliten im Blut, was in weiterer Folge die antivirale Immunabwehr regulierte und den Gewebsschaden in der Leber reduzierte. Die Ergebnisse der Untersuchung wurden vor Kurzem in der international renommierten Wissenschaftszeitschrift „Immunity“ veröffentlicht.
Die Leber sei ein entscheidendes Organ für den systemischen Stoffwechsel in unserem Körper, so die ForscherInnen. Neben dem Umsatz von Biomolekülen und dem Arzneimittelstoffwechsel besteht die Hauptfunktion der Leber im Entfernen giftiger Substanzen aus dem Organismus. Hepatozyten, auf Deutsch Leberzellen, sind der häufigste Zelltyp und die funktionelle Einheit der Leber. Sie sind metabolische Kraftwerke im gesunden Organismus, sind aber auch eine zentrale Schaltstelle der Immunabwehr bei Infektionen. Als solche haben sie das Potenzial, auf eine Reihe von Zytokinen – das sind kleine Moleküle, die für die Koordination von Immunantworten unerlässlich sind – zu reagieren.
Andreas Bergthaler und seine Forschungsgruppe am CeMM konzentrierten sich bei der Untersuchung insbesondere auf die Leber, aufgrund ihrer zentralen Rolle bei der Kontrolle von Metaboliten im Blut und des systemischen Metabolismus. Die komplexen beteiligten Prozesse haben die ForscherInnen anhand des Lymphozytären Chorio-meningitis-Virus (LCMV) analysiert – ein Modellsystem für chronische Virusinfektion und Hepatitis. In den letzten 80 Jahren hat die Forschung mit diesem Infektionsmodell zu bahnbrechenden Erkenntnissen in der Immunologie und zu insgesamt drei Nobelpreisen geführt.
Die vorliegende Studie ist das Ergebnis einer interdisziplinären Zusammenarbeit und verwendete systembiologische Methoden, um möglichst alle molekularen und metabolischen Veränderungen in der Leber während einer chronischen Infektion zu kartieren. Neben den erwarteten entzündlichen Veränderungen identifizierten die WissenschaftlerInnen überraschenderweise starke Veränderungen im Leberstoffwechsel. Sie konnten zeigen, dass viele zentrale Stoffwechselwege, darunter der Harnstoffzyklus, bei einer Infektion unterdrückt werden. Der Harnstoffkreislauf ist wesentlich, um toxisches Ammoniak aus dem Körper zu entfernen und Hirnschäden zu vermeiden. Erstaunlicherweise identifizierten die ForscherInnen den antiviralen Zytokin-Signalweg von Typ-I-Interferonen (IFN-I) als Regulator des Harnstoffzyklus. Dies führte zu veränderten Konzentrationen der Metabolite Arginin und Ornithin im Blut. „Ein Schlüsselexperiment war für uns, dass wir, nachdem wir den Rezeptor für IFN-I auf der Oberfläche von Hepatozyten entfernt hatten, diese metabolischen Veränderungen nicht mehr sahen“, sagt Alexander Lercher, erster Co-Autor der Studie und Doktorand im Labor von CeMM-Forschungsgruppenleiter Andreas Bergthaler. Es zeigte sich, dass die systemischen Veränderungen von Arginin und Ornithin die antiviralen CD8-T-Zellen inhibieren und dadurch Leberschäden reduzieren.
Andreas Bergthaler: „Die Studie leistet einen wichtigen Beitrag auf dem Gebiet des systemischen Immunstoffwechsels, zeigt aber auch die zentrale Rolle der Leber für unser Immunsystem und wie Organe des Körpers über Metaboliten kommunizieren.“ In der Zukunft könnten solche Erkenntnisse therapeutisch genutzt werden, um in die Regulation von Stoffwechselprozessen einzugreifen und gezielt die Funktion von CD8-T-Zellen in verschiedenen Krankheiten wie Infektionen, Krebs und Autoimmunität zu programmieren.
Weitere Infos unter:
www.sciencedirect.com/science/article/pii/S1074761319304583