Fledermäuse in gestörten Ökosystemen

sind häufiger mit Coronaviren infiziert

Dr. Vera Warmuth
Department Biologie II, Fachbereich Evolutionsbiologie, Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU)

Eine aktuelle Studie belegt: Je stärker ein Gebiet durch den Menschen beeinflusst ist, desto mehr Coronaviren finden sich in den dort lebenden Fledermäusen.

Bereits dreimal haben Coronaviren aus wilden Fledermauspopulationen in den vergangenen rund 20 Jahren zu großen Krankheitsausbrüchen beim Menschen geführt: SARS im Jahr 2002, MERS im Jahr 2012 und Covid-19 2019/20. Letzterer Ausbruch zog eine globale Pandemie nach sich, von deren Folgen sich die Menschheit noch immer nicht ganz erholt hat. Das hat auch für eine erhöhte Aufmerksamkeit für Infektionskrankheiten gesorgt, deren Ursprünge im Tierreich liegen – sogenannte Zoonosen.

Eines ist inzwischen klar: Die Wahrscheinlichkeit für sogenannte Spillover-Ereignisse, bei denen Krankheitserreger von Tieren auf den Menschen überspringen, wird umso größer, je stärker der Mensch der Wildnis auf den Pelz rückt. Dabei spielen verschiedene Faktoren eine Rolle, zum Beispiel, wie stark menschliche Invasionen in intakte Ökosysteme die Kontaktraten zwischen Menschen und potenziell infizierten Arten erhöhen oder wie leicht ein Virus sich an einen neuen Wirt anpassen kann.

Weiterer Zusammenhang nachgewiesen

Dr. Vera Warmuth und Prof. Dr. Dirk Metzler aus dem Fachbereich Evolutionsgenetik der LMU München haben nun gemeinsam mit der Fledermausökologin Dr. Veronica Zamora-Gutierrez am CIIDIR Durango in Mexiko einen weiteren Zusammenhang nachgewiesen, der dabei relevant ist: Die Studie konnte klar zeigen, dass Fledermäuse in (vom Menschen) gestörten Habitaten häufiger mit Coronaviren infiziert sind als solche in ungestörten Habitaten.

Dafür haben die Forschenden mittels einer Metaanalyse Informationen zu Infektionsraten bei Fledermäusen aus aller Welt zusammengetragen und diese statistisch analysiert. Dabei sind Daten von über 26.000 Fledermäusen aus über 300 Arten in die Auswertung eingeflossen; diese wurden mit Daten zur Landbedeckung und Landnutzung in Verbindung gebracht.

„Viele Formen der Landnutzung bedeuten einen Verlust von wichtigen Ressourcen für Wildtiere – im Fall von Fledermäusen sind das etwa Jagd- oder Schlafplätze“, sagt Warmuth. Dass ein solcher Ressourcenverlust für Wildtiere zu chronischem Stress führen kann, wurde bereits mehrfach gezeigt. Wenn Fledermäuse aufgrund menschlichen Eingreifens keine Schlafplätze oder weniger Nahrung fänden, könne der damit verbundene chronische Stress zu einer Schwächung der Immunabwehr führen.

Gestörte Ökosysteme begünstigen Coronaviren

„Die negativen Auswirkungen von chronischem Stress auf das Immunsystem von Säugetieren sind gut bekannt. Unsere Ergebnisse zeigen ganz klar, dass Tiere in gestörten Ökosystemen häufiger infiziert sind. Je stärker ein Gebiet durch den Menschen beeinflusst ist, desto mehr Corona­viren finden sich in den dort lebenden Fledermäusen“, meint Warmuth.

Besonders stark stechen dabei drei Formen der Land­nutzung heraus: Landwirtschaft, Abholzung und der Abbau von Bodenschätzen. Sie stellen den Autoren der Studie zufolge die größten Stressfaktoren für die Fledermauspopulationen dar. Durch sie werden Waldhabitate zerstört oder fragmentiert, die Fledermäuse finden wegen des Anbaus von Monokulturen und des Einsatzes von Pestiziden weniger Futter in Form von Insekten und verlieren ihre unterirdischen Schlafplätze, wenn Bergbau betrieben wird.

Ökologischer Stress wirkt sich also signifikant auf die Häufigkeit von Coronaviren in einer Tiergruppe aus, der eine große Bedeutung als Virusreservoir in der Natur zukommt. „Wenn wir das Ausbreitungsrisiko möglicher Zoonoseerreger vorhersagen und eingrenzen wollen, ist es nach unseren Erkenntnissen notwendig, auch ihre Häufigkeit in Wildtierpopulationen zu überwachen; insbesondere, wenn der menschliche Druck auf Öko­systeme weiter steigt“, meint Metzler. „Die Modelle weisen auch auf eine Handvoll Regionen, insbesondere im Osten der Vereinigten Staaten und in Indien, hin, in denen verstärkte Überwachungsmaßnahmen besonders wichtig sein könnten.“

Publikation:
Vera M. Warmuth, Dirk Metzler, Veronica Zamora-Gutierrez; Human disturbance increases coronavirus prevalence in bats. „Science Advances“, 2023