Fische könnten aussterben,

wenn sie aufgrund steigender Temperaturen ihr Jagdverhalten ändern

Mag. Silvia Stefan-Gromen

Fischarten reagieren auf höhere Temperaturen, indem sie leichter verfügbare Beute jagen – dieses Verhalten könnte laut Modellrechnungen zum Aussterben von Arten führen.

Wenn es wärmer wird, verändern Fische ihr Beutejagd­verhalten. Modellrechnungen deuten darauf hin, dass diese Verhaltensänderung das Aussterben von Arten wahrscheinlicher macht, so eine neue Studie in der Fachzeitschrift „Nature Climate Change“.
Forscher*innen unter der Leitung des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) und der Friedrich-Schiller-Universität Jena fanden heraus, dass Fische in der Ostsee auf Temperaturerhöhungen reagieren, indem sie zunehmend die nächstbeste und einfach verfügbare Beute jagen. Das veränderte Jagdverhalten führte dazu, dass die Fische tendenziell kleinere und häufiger vorkommende Tiere fraßen, zum Beispiel kleine Krebstiere, Schlangensterne, Würmer und Weichtiere.

Wie viele andere Tiere brauchen auch Fische mehr Nahrung, wenn die Temperaturen steigen, weil sich ihr Stoffwechsel erhöht. Kleine, häufige Beutetiere sind eine schnell verfügbare Energiequelle. Aber dieses sogenannte „flexible Nahrungsverhalten” kann dazu führen, dass ­Fische ihren langfristigen Energiebedarf schlechter decken als durch den Verzehr größerer und ­kalorienreicherer Beute. Diese Diskrepanz zwischen dem Energiebedarf ­eines Fischs und seiner tatsächlichen Nahrungs­aufnahme könnte laut Modellberechnungen zu einem verstärkten Artensterben führen – die Fische verhungern, weil sie nicht genug Energie aufnehmen. 
Diese Modellberechnungen lassen sich auch auf andere Tiergruppen anwenden. Sie zeigen, dass insbesondere Arten am oberen Ende der Nahrungsnetze gefährdet sein könnten. Die Autor*innen vermuten, dass das flexible Nahrungsverhalten die Lebensgemeinschaften ­anfälliger für den Klimawandel machen könnte. „Man vermutet eigentlich, dass Arten ihre Nahrungssuche so anpassen, dass sie möglichst viel Energie aufnehmen“, erklärt Erstautor Dr. Benoit Gauzens vom iDiv und der Universität Jena. „Aber unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass Fische und auch andere Tiere in unerwarteter und ineffizienter Weise auf den Klimawandel reagieren könnten.“

Die neuen Erkenntnisse zu einem möglichen ­Aussterben von Fischen und anderen Tierarten aufgrund höherer Temperaturen sind bemerkenswert. Allerdings beruhen sie auf Berechnungen theoretischer Nahrungsnetz­modelle. In Zukunft wollen die Forscher*innen ihre Erkenntnisse durch Beobachtungen in natürlichen Ökosystemen überprüfen.

Publikation: 
Benoit Gauzens, Benjamin Rosenbaum, Gregor Kalinkat, Thomas Boy, Malte Jochum, Susanne Kortsch, Eoin J. O’Gorman, Ulrich Brose (2024). Flexible foraging behaviour increases predator vulnerability to climate change, DOI:10.1038/s41558-024-01946-y