Farmwild wird im TGD

gesund erhalten!

Dr. Karl Bauer
ÖTGD-AG Schafe, Ziegen, Farmwild und Neuweltkamele

TierärztInnen, die Farmwild betreuen, müssen je nach Nutzung einige rechtliche Vorgaben erfüllen und tragen auch Sorgfalt für Hygiene, Prävention und Risikominimierung durch Biosicherheit.

Als Farmwild bezeichnet man Wildtiere in landwirtschaftlicher Haltung, d. h. Säugetiere außer Haustiere (v. a. Hirsche, Mufflons, Wildschweine) und Strauße mit dem Ziel der Fleischproduktion bzw. Grünlandpflege. Österreichweit gibt es derzeit circa 2.000 Farmwildbetriebe mit steigender Tendenz, die zur Hälfte von Jägern betrieben werden und wo vor allem Rot- und Damwild gehalten wird. Genetisch gesehen handelt es sich dabei um ­eigene Linien, die durch langfristige Zuchtlenkung gezüchtet wurden und nicht mit der jeweiligen Wildtierpopulation im Austausch stehen. Für den Betrieb eines Farmwild­geheges ist je nach Nutzung die Einhaltung einiger rechtlicher Bestimmungen wichtig: 

• Registrierung der Farmwildhaltung an der zuständigen BH

• Eventuell forstrechtliche Bewilligung bei Rodung

• Bescheide als Schlachtbetrieb, für vorgezogene Schlachttieruntersuchung, für Schießen (Betäubung und Schlachtung am Betrieb durch Gewehr- oder Pistolenschuss) im Gehege und ein Wassergutachten

• Immobilisation von Zuchttieren

• Meldung der Waffen

Gesundheitliche Aspekte

Wildtiere sind aufgrund ihrer Konstitution sowie ihrer Lebensweise sehr widerstandsfähig und relativ resistent gegen Krankheiten. Ein moderner Ansatz ist die systematische Bestandsbetreuung durch Hygiene, Prävention und Risikominimierung durch Biosicherheit. Dies bedeutet auch, Infektionsketten zu unterbrechen, Neuinfektionen zu verhindern und den Tierverkehr zu kontrollieren. Wichtig ist die ständige Einbeziehung von Managementmaßnahmen in Bekämpfungsprogramme, wo Diagnostik, Behandlungen und Nachuntersuchungen vom Betreuungstierarzt unter Einbindung des Tierhalters durchgeführt werden. Die verschiedenen Prinzipien des Arzneimitteleinsatzes wie Prophylaxe, Metaphylaxe und Therapie sollten auf die tatsächlich diagnostizierten Erreger abgestimmt werden. Die Betreuungstierärzte bieten dazu verschiedenste Möglichkeiten an.

Parasitenkontrolle

Das mit Abstand wichtigste Thema zur Gesunderhaltung des Farmwilds ist die regelmäßige Überwachung des (Innen-) Parasitendrucks durch Kotprobenuntersuchungen. Damit kann das Vorhandensein von Einzellern, Magen-Darm-Würmern, Bandwürmern, Leberegeln und Lungenwürmern rechtzeitig erkannt und eine Behandlung eingeleitet werden, solange keine klinischen Symptome zu erkennen sind. Wenn Tiere daran klinisch (d. h. sichtbar) erkranken, zeigen sie Abmagerung, Husten, Durchfall, Mattigkeit, Hautödeme, geringe ­Zunahmen und erhöhte Sterblichkeitsraten. Neben der Kotuntersuchung bieten die Schlachttieruntersuchung und die Sektion verendeter Tiere einen direkten Einblick in gesundheitsrelevante Veränderungen an den Organen. Besondere prädisponierende Faktoren sind hohe Wilddichte und Infektionsdruck, hohe Feuchtigkeit und nasse Stellen (für Zwischenwirte bei ­Leberegeln wichtig, etwa an Tränke- und Futterstellen), Jahreszeit und Klima, Stressoren, Futtermangel, Weide­pflege, Einheitsweide bzw. gemeinsame Haltung von Jung- und Alttieren und eventuelle Zukäufe infizierter Tiere. Jungtiere sind besonders anfällig, da sie noch keine Immunität gebildet haben. Aus strategischer Sicht ist eine Betriebsanalyse mit einem umfassenden Fragebogen ein guter Start zu einer dauerhaften Problemlösung. Gezielte Entwurmung ist nur nach vorheriger Diagnose (d. h. Kotuntersuchung) sinnvoll und verhindert die Resistenz­bildung. Aus heutiger Sicht ist eine leichte Wurmbürde tolerierbar, solange keine wirtschaftlichen Schäden entstehen und die Ansteckungsgefahr minimiert wird.

Schwache und kranke Tiere sind frühzeitig zu behandeln oder aus dem Bestand zu entfernen. Wichtig ist es, die betrieblichen Abläufe zu besprechen und diagnostische Schritte zu setzen, um eine Problematik rechtzeitig zu erkennen. Als diagnostische Schritte kommen die Kotuntersuchung, die Sektion verendeter Tiere und die Schlachttieruntersuchung infrage. Außenparasiten wie Haarlinge, Milben, Zecken, Dasseln und Stechfliegen sind Blutsauger, die man äußerlich an Haar- und Hautschäden, Juckreiz und Abwehrbewegungen erkennt. Sie können auch Krankheiten wie Babesiose (Rotharnen) oder FSME übertragen. Muskelparasiten erkennt man nur durch Fleischuntersuchung auf Trichinen oder Sarkosporidien.

Parasitenbekämpfung

Neben der Optimierung der Weidequalität und -hygiene ist die medikamentöse Behandlung gegen Parasiten bei positiven Befunden eine zentrale Notwendigkeit. Dies ist bei Wildtieren schwierig, da im Gatter eine Einzeltierbehandlung und -kennzeichnung mit Dosierung nach Gewicht nicht möglich ist und Jungtiere bzw. rangniedere Tiere an der Futterstelle eventuell weniger aufnehmen könnten. Dadurch besteht die Gefahr einer Unterdosierung mit Unwirksamkeit und der Entwicklung von Resistenzen. Darüber hinaus ist derzeit in Österreich nur ein Arzneimittel zur Verabreichung über das Futter zugelassen, alle anderen Arzneimittel müssen vom Tierarzt umgewidmet werden, was eine mindestens 28-tägige Wartezeit zur Folge hat. Der Einsatz von Chemotherapeutika sollte dabei nur, wenn notwendig, möglichst gezielt und nach einem genauen Handlungsplan erfolgen. Bei Verdacht auf Unwirksamkeit des Arzneimittels im Rahmen der Nachuntersuchung müssen Applikation und Dosierung überprüft werden. Gibt es einen Verdacht auf Resistenzbildung, sollte ein Test durchgeführt oder ein anderer Wirkstoff ausgewählt werden. Praktikable Erfahrungen mit der Umwidmung und im Einsatz von Entwurmungsmittel bei Hirschen gibt es in der Schweiz.

In Ausnahmefällen haben Zuchtgatter Fangeinrichtungen zum Lebendtierfang, in denen auch über die Haut (spot-on/pour-on), ins Maul (peroral) oder durch Injektion Arzneimittel gezielt an Einzeltiere verabreicht und die Tiere gekennzeichnet werden können (selected/targeted treatment). Beim Arzneimitteleinsatz kann im TGD der Tierhalter in die Behandlung eingebunden werden, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind (Absolvierung des Grundkurses, laufende Weiterbildung von vier Stunden in vier Jahren, jährliche Betriebserhebungen …).

Eine Anwendung von Arzneimitteln bei frei lebenden Wildtieren ist verboten, da kein Tierhalter zur Verfügung steht, der sicherstellt, dass die behandelten Tiere entsprechend gekennzeichnet sind und dass solche Tiere nur nach Einhaltung einer allenfalls erforderlichen Wartezeit in Verkehr und somit in die menschliche Nahrungskette gelangen. 

Zoonosengefahr

Unter dem Begriff Zoonosen werden sämtliche Krankheiten und/oder sämtliche Infektionen verstanden, die auf natürlichem Weg direkt oder indirekt zwischen Tieren und Menschen übertragen werden können. Heute sind über 200 zwischen Mensch und Tier wechselseitig übertragbare Krankheiten bekannt, die durch Viren, Bakterien, Parasiten und Pilze verursacht werden. Farmwild kann sowohl für den Tierhalter als auch für Konsumenten eine Infektionsquelle darstellen. 

Als bedeutendste Zoonosen im Zusammenhang mit Farmwild sind (nach Deutz) Tollwut, Brucellose, Pseudotuberkulose, Leptospirose, Salmonellose, Campylobacteriose, Chlamydiose, Q-Fieber, Trichinose, Tuberkulose und EHEC-Infektionen zu nennen. Wildtiere können auch Indikatoren für das Auftreten von Zoonosen bei landwirtschaftlichen Nutztieren sein, wie dies Fälle von Tuberkulose bei Rotwild oder Salmonellose bei Gamswild in Tirol dokumentierten; dazu tritt bei Farmwild auch Pseudo- und Paratuberkulose auf.

Beim Wildschwein sind besonders Trichinose, Leptospirose, Rotlauf, Campylobacteriose, Salmonellose und Brucellose zu erwähnen. Auf die Trichinose muss besonders im Zusammenhang mit dem steigenden Konsum von Rohwürsten und Rohschinken aus Wildschweinfleisch hingewiesen werden. Der Erreger der Brucellose beim Wildschwein (B. suis) ist ident mit jenem, der auch bei Feldhasen auftritt und der beim Menschen zu -schweren Infektionen mit Leberentzündung sowie Milz- und Lymphknotenschwellung führen kann. Bei Damwild in Gatterhaltung treten relativ häufig Pseudo- und Paratuberkulose, bei Rot- und Muffelwild vereinzelt Tuberkulose und auch Paratuberkulose auf. Aufgrund des Auftretens der klassischen, derzeit insbesondere der Afrikanischen Schweinepest bei Wildschweinen in Europa ist eine Überwachung des heimischen Wildschweinbestandes hinsichtlich dieser Seuchen notwendig. Dies sollte ein Übergreifen der Schweinepest auf die landwirtschaftliche Schweinehaltung und die daraus resultierenden schweren wirtschaftlichen Schäden verhindern. Auch am Betrieblebende Hunde sollten geschützt werden, indem an sie keine Schlacht- oder Speisereste verfüttert werden!

TGD-Leistungsangebote

Im Rahmen des Tiergesundheitsdienstes wird das Farmwild im jeweiligen Länder-TGD betreut, wo immer mehr Betriebe die Angebote nutzen. Fachliche Entwicklungen werden österreichweit in der ÖTGD-AG Farmwild wahrgenommen, wo zuletzt das neue Betriebserhebungs-protokoll erarbeitet wurde. Dies beinhaltet nun neben den Informationen über gültige Rechtsnormen auch tierspezifische Indikatoren zu Haltung, Fütterung und Tierschutz sowie die Einschätzung des Gesundheitszustandes an Einzeltieren und der Herde. 

Das ÖTGD-Programm „Immobilisierung“ gilt als Grundkurs zur Einbindung in die Tierarzneimittelanwendung, die Absolvierung eines dreistündigen Mischkurses ist nur dann notwendig, wenn für mehrere Tage ein Fütterungsarzneimittel gemischt bzw. vorgelegt wird. Im Rahmen der Weiterbildung wird der Sachkundelehrgang „Schießen im Gehege mit vorgezogener Schlachttieruntersuchung“ angeboten und dient als Grundlage zur Schlachtung im Gehege. Der Sachkundelehrgang „Wildwirtschaft“ des Bundesverbandes wird mit seinen neun Modulen ebenfalls als Weiterbildung anerkannt.

Das Herzstück im TGD ist gerade beim Farmwild die Diagnostik von Krankheiten, soweit dies auch am lebenden Tier möglich ist. Dies setzt eine gute tägliche Betreuung und Beobachtung voraus, wo eine geschulte Person ein Fehlverhalten rechtzeitig erkennen und Maßnahmen setzen kann. Gerade die Schlachttier- und Fleischuntersuchung bzw. die Sektion verendeter Tiere hat deshalb größte Bedeutung in der Krankheitsfrüherkennung, und um den Rest der Herde noch rechtzeitig vor einer Krankheit schützen zu können. Dazu stehen dem Betreuungstierarzt alle wesentlichen Laboruntersuchungen zur Verfügung, die auch von den Länder-TGDs gefördert werden. 

In der neuen EU-Förderperiode wurde der Bereich der landwirtschaftlichen Erzeugung neu geregelt und ein Auswahlverfahren festgelegt, das auf die Erreichung einer entsprechenden Punkteanzahl abzielt. Darunter findet sich erstmals ein Kriterium für die Mitgliedschaft beim TGD mit der Möglichkeit, an österreichweiten Gesundheitsprogrammen teilzunehmen. Diese neu gestaltete Investitionsförderung können auch Farmwild-betriebe beantragen und durch eine TGD-Mitgliedschaft die Punkteanzahl und damit die Chance auf Förderzusage erhöhen!

Ausblick

Beispiele ausgewählter Projekte und die Praxis zeigen immer wieder, wie wichtig die Auseinandersetzung mit den Parasiten ist. Eine erfolgreiche Strategie muss ein laufendes Weide- und Herdenmanagement, das frühzei-tige Erkennen durch präventive Diagnostik und eventuell daraus folgende gezielte zyklische Behandlungen umfassen, um wirksam zu sein. Dies ist durch die vertrauensvolle und enge Zusammenarbeit zwischen Landwirt und Betreuungstierarzt im Rahmen des TGD gesichert.

Spezielle Herausforderungen an das Management ergeben sich v. a. für Züchter mit Lebendtierverkauf oder im nationalen und internationalen Handel mit Zuchttieren. Dies betrifft die Vorbereitung, den Fang, die Verladung und den Transport bzw. Gesundheitsstatus und Biosicherheit, um die Zuchttiere möglichst geringen Beeinflussungen auszusetzen. Entsprechende Leitlinien zum Farmwild in Österreich wären deshalb in Kooperation der gesamten Branche mit Behörden, Tierschutz und auch NGOs wünschenswert, um die besonderen, extensiven und bei uns meist biologischen Haltungsbedingungen abzusichern. Der TGD kann dem Farmwildhalter nicht nur als Eigenkontrolle im Sinne der Lebensmittelherstellung dienen, sondern auch als Konsumentenmarke in Gastronomie und Direktvermarktung einen Beitrag zur verbesserten Wertschätzung und Wertschöpfung liefern.

Bundesobmann Mag. Jürgen Laban: „Der große Vorteil für landwirtschaftlich genutztes Wild liegt in der hohen Qualität durch die vorgeschriebenen Hygienemaßnahmen.“ 

Farmwildhaltung ist heute nicht länger ein „Minor-species“-Teil der Nutztierhaltung, sondern vielmehr eine sinnvolle Alternative für eine extensive Nutzung von Grünland zur gesunden Fleischproduktion und somit eine wirtschaftliche Basis für Tausende Bauern in Österreich!