Fallbericht: 3-D-Druck in der Planung und Durchführung

von Korrekturosteotomien

Dr. Georg Haimel 
Dip ECVS, Europäischer Fachtierarzt für Kleintierchirurgie
RCVS Recognized Specialist in Small Animal Surgery
Tierarztpraxis am Stadtpark GmbH 

Für die Korrektur einer Gliedmaßenfehlstellung eines zehn Monate alten Lurchers wurde mithilfe eines CT-Scans eine 3-D-Animation der Gliedmaße erstellt. Mit einem 3-D-Drucker wurden für die OP-Vorbereitung ein Knochenmodell und patientenspezifische Säge- und Reduktionshilfen gedruckt. 

EINLEITUNG 

Die korrekte Planung und Korrektur von Fehlstellungen stellt den orthopädischen Chirurgen aufgrund der Komplexität der Fehlstellung sehr oft vor Herausforderungen. Neben der klinischen Untersuchung müssen für eine operative Korrektur die Ebene und auch Schwere der Fehlstellung berechnet werden. Dies geschieht traditionell mit vergleichenden Röntgenaufnahmen in beiden Ebenen. Viele Knochendeformitäten sind jedoch eine Kombination aus Biegung und Rotation. Hier besteht die Gefahr, dass es mit Röntgenbildern, die ja naturgemäß eine 2-D-Aufnahme sind, zu Fehlberechnungen und Fehlplanung der Operation kommt. Eine große Hilfe in der Planung von komplexen Korrekturosteotomien ist die CT-Untersuchung: Mit den gewonnenen Daten können virtuelle 3-D-Rekonstruktionen durchgeführt und auch Knochenmodelle mithilfe eines 3-D-Druckers angefertigt werden. Anhand dieser Modelle kann die benötigte Korrektur berechnet und ex vivo durchgeführt werden. 

Obwohl 3-D-Modelle bereits eine extreme Verbesserung in der Planung und Behandlung von Fehlstellungen darstellen, ist die Umsetzung im OP-Saal noch immer herausfordernd. Die begrenzte Möglichkeit der chirurgischen Exposition, die intraoperative Beurteilung der Rotationskorrektur und die Reduktion der Osteotomie beim Anbringen der Implantate sind mögliche Fehlerquellen. Eine weitere Verbesserung stellt hier der 3-D-Druck von für den Patienten individuell designten Säge- und Reduktionshilfen dar. Die Anwendung wird hier anhand eines klinischen Falls dargestellt. 

FALLBERICHT

Ein sieben Monate alter weiblicher Lurcher wurde aufgrund einer Lahmheit an der linken Vorderextremität vorstellig. Die Besitzer berichteten von einem Sturz, als der Hund nur wenige Monate alt war. Die danach auftretende Lahmheit besserte sich mit Ruhe und Schmerzmittel (NSAIDs). Obwohl die Lahmheit abgeklungen war, fiel den Besitzern eine beginnende Fehlstellung an der linken Vorderextremität auf und der Hund wurde zur weiteren Abklärung an die Klinik für Orthopädie (Dick White Referrals, UK) überwiesen. 

Bei der klinischen Untersuchung war zuerst eine leichte Lahmheit an der linken Vorderextremität auffällig. Weiters zeigte der Hund eine Gliedmaßenfehlstellung im Sinne eines Carpus Valgus, Procurvatum des Radius und externer Rotation der Pfote. Eine vergleichende Röntgenaufnahme der Vorderextremität zeigte einen verfrühten Physenschluss der linken distalen Ulna. Da beinahe 100 Prozent des Längenwachstums der Ulna aus der distalen Physe kommen, führte dies zu unterschiedlich schnellem Längenwachstum von Radius und Ulna und einer progressiven Fehlstellung. Da der Hund bei der ersten Vorstellung erst sieben Monate alt war, wurde vorerst versucht, mithilfe einer distalen Ulnaostektomie eine weitere Verschlechterung der Fehlstellung zu minimieren. Leider verbesserte sich die Fehlstellung nicht maßgeblich und der Hund wurde im Alter von zehn Monaten aufgrund einer progressiv schlechter werdenden Lahmheit für eine Korrekturosteotomie vorstellig. 

Planung der Korrekturosteotomie: Da die Fehlstellung eine Kombination aus Carpus Valgus, Procurvatum des Radius und externer Rotation der Pfote war, wurde eine Computertomografie der Vorderextremitäten durchgeführt. Die DICOM-Daten wurden an einen 3-D-Dienstleister geschickt und es wurde mithilfe einer Computer-Aided-Design-Software (CAD) eine virtuelle 3-D-Rekonstruktion der Extremitäten durchgeführt. Die Korrektur der Fehlstellung, welche eine Closing Wedge Osteotomy erforderte, wurde virtuell geplant (Abb. 2). Anschließend wurden patientenspezifische Säge- und Reduktionshilfen designt. Die Knochenmodelle, Säge- und Reduktionshilfen wurden mit einem Stereolithografie-3-D-Drucker erstellt. Als Druckmaterial wurde bikompatibles, autoklavierbares Dental-SG-Resin verwendet. 

Operation: Der Patient wurde unter Allgemeinanästhesie in Rückenlage positioniert. Es wurde ein craniolateraler Zugang zum linken Radius gemacht. Eine Tenotomie der Sehne des M. abductor pollicis longus und Mobilisierung der Strecksehnen war notwendig, um die korrekte Position der Sägehilfe zu finden. Da die Sägehilfe der Knochenoberfläche angepasst und gedruckt wurde, gab es nur eine Position, an der sie sich ohne Spaltenbildung oder Aufkanten an den Knochen anlegen ließ. Sobald die optimale Position gefunden war, wurde die Sägehilfe mit vier 2-mm-Steinmann-Pins am Radius fixiert (Abb. 3). Im nächsten Schritt wurden entlang der Sägehilfe die Osteotomien durchgeführt. Danach wurde die Sägehilfe entfernt, wobei alle vier Steinmann-Pins im Knochen verblieben. Um die Fehlstellung zu korrigieren und die Fragmente in Position zu halten, wurden der Osteotomiespalt reduziert und die Reduktionshilfe auf die Pins aufgesteckt (Abb. 4). Die Reduktionshilfe kann nur bei korrekt korrigierter Fehlstellung ohne Probleme über die Pins geschoben werden. Danach wurde die Osteotomie mit einer 3,5-mm- 12-Loch-T-Platte mit sieben Locking-Schrauben stabilisiert. Die Operationswunde wurde routinemäßig verschlossen. Die postoperativen Röntgen ergaben eine gute Position der Implantate, gute Kompression der Osteotomie und zufriedenstellende Korrektur der Fehlstellung. 

Weiterer Verlauf: Der Patient wurde einen Tag nach der Operation mit einem Stützverband und einem nicht steroidalen Antiphlogistikum (NSAID) für zwei Wochen entlassen. Der Verband wurde zwei Tage später beim Haustierarzt entfernt. Die Besitzer bekamen die Anweisung, den Hund für die folgenden sechs Wochen nur an der Leine zu führen und jegliche Aktivität auf ein Minimum zu reduzieren. Bei der Sechs-Wochen-Kontrolle war der Patient lahmheitsfrei. Es waren jedoch ein ggr. verbleibender Carpus Valgus und auch eine Verkürzung der Extremität ersichtlich. Beide Veränderungen wurden gut kompensiert und waren ohne jegliche klinische Konsequenz. Am Kontrollröntgen konnte ein gutes Voranschreiten der Knochenheilung gesehen werden. Der Patient wurde daraufhin mit der Anweisung, die Aktivität in den folgenden sechs Wochen auf normales Niveau zu steigern, entlassen. 10 Monate nach der OP geht es dem Hund sehr gut. 

DISKUSSION 

Patientenspezifisch 3-D-gedruckte Säge- und Reduktionshilfen können dem Chirurgen dabei helfen, zuvor geplante Operationen so exakt wie möglich durchzuführen. Der besondere Vorteil dieser Methode liegt darin, dass die Auflagefläche der Sägehilfe an die Knochenoberfläche des Patienten angepasst ist. So findet der Chirurg beinahe nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip intraoperativ die richtige Position der Sägehilfe am Patientenknochen und es reduziert sich das Risiko, dass die Osteotomie an einer falschen Stelle durchgeführt wird. Das Anbringen der Reduktionshilfe stellt sicher, dass die Korrektur in allen Ebenen ausreichend ist, und hält die Fragmente reduziert, während das Implantat angebracht werden kann. Neben einer deutlich kürzeren OP-Zeit werden bekannte Risikofaktoren wie falsche Position der Osteotomie, Unterkorrektur der Fehlstellung und Verlust der Reduktion minimiert. Neben der Orthopädie werden 3-D-gedruckte „Guides“ auch in der Neurochirurgie als Zielhilfe für Hirnbiopsien oder als Bohrhilfe für Implantate im Bereich der Wirbelsäule verwendet. Essenziell für den Erfolg ist die korrekte Planung, welche mithilfe von CAD-Programmen durchgeführt wird. Der Umgang mit diesen Programmen erfordert einiges an Erfahrung, und zurzeit gibt es leider noch keine anwenderfreundlichen Programme für den Veterinärbereich. Alternativ dazu gibt es jedoch Firmen, die Planung und Druck von Säge- und Reduktionshilfen kommerziell anbieten. Die 3-D-Technologie bringt in allen Schritten der chirurgischen Versorgung von Gliedmaßenfehlstellungen extreme Verbesserungen mit sich, von denen in Zukunft hoffentlich viele Patienten profitieren werden. 

 

LITERATURNACHWEISE 

Tobias, K. M., Johnston, S. A. et al. Veterinary Surgery Small animal, Elsevier Second Edition 2018. 

Oxley, B. A 3-dimensional-printed patient-specific guide system for minimally invasive plate osteosynthesis of a comminuted mid-diaphyseal humeral fracture in a cat. Veterinary Surgery, 2018, 47 (3), 445–453. 

Oxley, B. & Behr, S. Stabilisation of a cranial cervical vertebral fracture using a 3D-printed patient-specific drill guide. Journal of Small Animal Practice, 2016, 57 (5), 277. 

Adrien-Maxence-Hespel, Three-Dimensional Printing Role in Neurologic Disease. The Veterinary Clinics of North America Small Animal Practice, 2018, 48 (1), 221–229.