EINLEITUNG
Die korrekte Planung und Korrektur von Fehlstellungen stellt den orthopädischen Chirurgen aufgrund der Komplexität der Fehlstellung sehr oft vor Herausforderungen. Neben der klinischen Untersuchung müssen für eine operative Korrektur die Ebene und auch Schwere der Fehlstellung berechnet werden. Dies geschieht traditionell mit vergleichenden Röntgenaufnahmen in beiden Ebenen. Viele Knochendeformitäten sind jedoch eine Kombination aus Biegung und Rotation. Hier besteht die Gefahr, dass es mit Röntgenbildern, die ja naturgemäß eine 2-D-Aufnahme sind, zu Fehlberechnungen und Fehlplanung der Operation kommt. Eine große Hilfe in der Planung von komplexen Korrekturosteotomien ist die CT-Untersuchung: Mit den gewonnenen Daten können virtuelle 3-D-Rekonstruktionen durchgeführt und auch Knochenmodelle mithilfe eines 3-D-Druckers angefertigt werden. Anhand dieser Modelle kann die benötigte Korrektur berechnet und ex vivo durchgeführt werden.
Obwohl 3-D-Modelle bereits eine extreme Verbesserung in der Planung und Behandlung von Fehlstellungen darstellen, ist die Umsetzung im OP-Saal noch immer herausfordernd. Die begrenzte Möglichkeit der chirurgischen Exposition, die intraoperative Beurteilung der Rotationskorrektur und die Reduktion der Osteotomie beim Anbringen der Implantate sind mögliche Fehlerquellen. Eine weitere Verbesserung stellt hier der 3-D-Druck von für den Patienten individuell designten Säge- und Reduktionshilfen dar. Die Anwendung wird hier anhand eines klinischen Falls dargestellt.
FALLBERICHT
Ein sieben Monate alter weiblicher Lurcher wurde aufgrund einer Lahmheit an der linken Vorderextremität vorstellig. Die Besitzer berichteten von einem Sturz, als der Hund nur wenige Monate alt war. Die danach auftretende Lahmheit besserte sich mit Ruhe und Schmerzmittel (NSAIDs). Obwohl die Lahmheit abgeklungen war, fiel den Besitzern eine beginnende Fehlstellung an der linken Vorderextremität auf und der Hund wurde zur weiteren Abklärung an die Klinik für Orthopädie (Dick White Referrals, UK) überwiesen.
Bei der klinischen Untersuchung war zuerst eine leichte Lahmheit an der linken Vorderextremität auffällig. Weiters zeigte der Hund eine Gliedmaßenfehlstellung im Sinne eines Carpus Valgus, Procurvatum des Radius und externer Rotation der Pfote. Eine vergleichende Röntgenaufnahme der Vorderextremität zeigte einen verfrühten Physenschluss der linken distalen Ulna. Da beinahe 100 Prozent des Längenwachstums der Ulna aus der distalen Physe kommen, führte dies zu unterschiedlich schnellem Längenwachstum von Radius und Ulna und einer progressiven Fehlstellung. Da der Hund bei der ersten Vorstellung erst sieben Monate alt war, wurde vorerst versucht, mithilfe einer distalen Ulnaostektomie eine weitere Verschlechterung der Fehlstellung zu minimieren. Leider verbesserte sich die Fehlstellung nicht maßgeblich und der Hund wurde im Alter von zehn Monaten aufgrund einer progressiv schlechter werdenden Lahmheit für eine Korrekturosteotomie vorstellig.
Planung der Korrekturosteotomie: Da die Fehlstellung eine Kombination aus Carpus Valgus, Procurvatum des Radius und externer Rotation der Pfote war, wurde eine Computertomografie der Vorderextremitäten durchgeführt. Die DICOM-Daten wurden an einen 3-D-Dienstleister geschickt und es wurde mithilfe einer Computer-Aided-Design-Software (CAD) eine virtuelle 3-D-Rekonstruktion der Extremitäten durchgeführt. Die Korrektur der Fehlstellung, welche eine Closing Wedge Osteotomy erforderte, wurde virtuell geplant (Abb. 2). Anschließend wurden patientenspezifische Säge- und Reduktionshilfen designt. Die Knochenmodelle, Säge- und Reduktionshilfen wurden mit einem Stereolithografie-3-D-Drucker erstellt. Als Druckmaterial wurde bikompatibles, autoklavierbares Dental-SG-Resin verwendet.
Operation: Der Patient wurde unter Allgemeinanästhesie in Rückenlage positioniert. Es wurde ein craniolateraler Zugang zum linken Radius gemacht. Eine Tenotomie der Sehne des M. abductor pollicis longus und Mobilisierung der Strecksehnen war notwendig, um die korrekte Position der Sägehilfe zu finden. Da die Sägehilfe der Knochenoberfläche angepasst und gedruckt wurde, gab es nur eine Position, an der sie sich ohne Spaltenbildung oder Aufkanten an den Knochen anlegen ließ. Sobald die optimale Position gefunden war, wurde die Sägehilfe mit vier 2-mm-Steinmann-Pins am Radius fixiert (Abb. 3). Im nächsten Schritt wurden entlang der Sägehilfe die Osteotomien durchgeführt. Danach wurde die Sägehilfe entfernt, wobei alle vier Steinmann-Pins im Knochen verblieben. Um die Fehlstellung zu korrigieren und die Fragmente in Position zu halten, wurden der Osteotomiespalt reduziert und die Reduktionshilfe auf die Pins aufgesteckt (Abb. 4). Die Reduktionshilfe kann nur bei korrekt korrigierter Fehlstellung ohne Probleme über die Pins geschoben werden. Danach wurde die Osteotomie mit einer 3,5-mm- 12-Loch-T-Platte mit sieben Locking-Schrauben stabilisiert. Die Operationswunde wurde routinemäßig verschlossen. Die postoperativen Röntgen ergaben eine gute Position der Implantate, gute Kompression der Osteotomie und zufriedenstellende Korrektur der Fehlstellung.
Weiterer Verlauf: Der Patient wurde einen Tag nach der Operation mit einem Stützverband und einem nicht steroidalen Antiphlogistikum (NSAID) für zwei Wochen entlassen. Der Verband wurde zwei Tage später beim Haustierarzt entfernt. Die Besitzer bekamen die Anweisung, den Hund für die folgenden sechs Wochen nur an der Leine zu führen und jegliche Aktivität auf ein Minimum zu reduzieren. Bei der Sechs-Wochen-Kontrolle war der Patient lahmheitsfrei. Es waren jedoch ein ggr. verbleibender Carpus Valgus und auch eine Verkürzung der Extremität ersichtlich. Beide Veränderungen wurden gut kompensiert und waren ohne jegliche klinische Konsequenz. Am Kontrollröntgen konnte ein gutes Voranschreiten der Knochenheilung gesehen werden. Der Patient wurde daraufhin mit der Anweisung, die Aktivität in den folgenden sechs Wochen auf normales Niveau zu steigern, entlassen. 10 Monate nach der OP geht es dem Hund sehr gut.