„Nur“ Exoten –

oder wichtig für Tierärzte in Österreich?

Horst Erich König, Peter Paulsen, Miluska Beatriz NavarRete Zamora, Fernando González Schnake und William Perez

Domestizierte Arten wie Lamas und Alpakas sind auch in Österreich zunehmend beliebt. An der Vetmeduni betreibt man Grundlagenforschung bei Neuweltkameliden im Fach Anatomie.

Neuweltkameliden werden für Tierärzte und veterinär­medizinische Kliniken in Europa zunehmend interessanter. Der Verein „Lama und Alpaka Register Österreich“ (www.lamas-alpakas.at) zählt momentan 201 Vereinsmitglieder und führt ein Herdbuch, in dem derzeit mehr als 2.700 Tiere erfasst sind. Die Homepage dieses Vereins bietet einen guten Überblick über die Mitgliedsbetriebe: 42 Mitgliedsbetriebe mit Lama- bzw. Alpakahaltung und -zucht, die teils auch Trekking und/oder tiergestützte Therapie/Pädagogik anbieten; dazu kommen noch sieben Anbieter für Trekking und einer für tiergestützte Therapie. 17 Betriebe bieten Wollprodukte an. Neben ­diesem Verein sind unter anderem die Alpaca Association Austria und der österreichische Alpaka-Zuchtverband sowie der Verein der Tiroler Lama- und Alpakahalter im ­Internet vertreten. Diese Vereinigungen, aber auch die ÖsterreichischeTierärztekammer sowie die Landwirtschaftskammern bieten Fortbildungsveranstaltungen zur Haltung und Gesundhaltung von Neuweltkameliden an. 

Der Schriftführer des Lama und Alpaka Registers Öster­reich, Ing. Gerhard Rappersberger, schätzt den Bestand dieser Tiere in ­Österreich auf derzeit etwa 3.700 Lamas und 3.500  Alpakas.

Das zunehmende Interesse an Neuweltkameliden ist nicht auf Österreich beschränkt. Damit erhält die Bedeutung der anatomischen Grundlagenforschung über diese Tiere einen größeren Stellenwert. Die anpassungsfähigen und liebenswerten Tiere, vor allem die domestizierten Lamas und Alpakas, sind bei der Bevölkerung sehr beliebt. Sie sind nicht nur in zoologischen Gärten zu bewundern, wo auch die wild lebenden Spezies Vikunjas und Guanakos zu finden sind, sondern können auch auf privatem Gelände immer öfter gesehen werden. Dementsprechend werden Neuweltkameliden heute auch vermehrt zur Behandlung zu heimischen Tierärzten und in die Kliniken der Veterinärmedizinischen Universität gebracht. Neuerdings gibt es an der Tierärztlichen Fakultät in Gießen sogar ein Wahlpflichtfach für Neuweltkameliden; Gießen ist damit Pionier im deutschsprachigen Raum.

Vor nunmehr 15 Jahren wurde der Erstautor dieses Beitrags in ein Programm zur Erhaltung und Regulierung der Guanakobestände auf Feuerland mit eingebunden. Es entstanden, zusammen mit südamerikanischen Wissenschaftlern, eine ganze Reihe von Publikationen und eine Dissertation. Die meisten der Aufsätze wurden in der Fachzeitschrift „Lamas“ publiziert. Zudem wurden Manuskripte auch an andere hochrangige wissenschaftliche Journale geschickt und dort veröffentlicht.

Guanako-Populationsdichte auf Feuerland

Nachdem die Populationsdichte der Guanakos, einer geschützten Tierart, auf dem chilenischen Teil von Feuerland derart zugenommen hatte, dass der dortige Waldbestand und auch die Gesundheit der Tiere gefährdet waren, wurden vonseiten der Regierung des Landes Maßnahmen ergriffen, die zu einer Reduktion dieser Dichte, gleichzeitig aber zum Erhalt eines gesunden und zahlenmäßig entsprechenden Tierbestandes führen sollten. Aufgrund der ­hohen Zahl der Guanakos wurde zunehmend eine Invasion der Tiere in die Urwälder von Feuerland festgestellt. Durch diese Tatsache kam es zum Verbiss von jungen, nachwachsenden Bäumen des sowieso sehr langsam nachwachsenden Buchenbestandes. Die hohe Dichte gefährdete auch die Tiere selbst, da diese an Räude erkrankten. 

Fleisch von Neuweltkameliden – ein hochwertiges Nahrungsmittel

Im Zuge des Schlacht- und Zerlegungsvorgangs wurde die Muskulatur der Guanakos eingehend untersucht. Auch die Qualität des Fleisches konnte unter die Lupe genommen werden; diese Tatsache war für den Export des hochwertigen Nahrungsmittels von ausschlaggebender Bedeutung. Dabei konnten vor allem ein niedriger Cholesteringehalt und eine geringe Schadstoffbelastung von Guanakofleisch festgestellt werden.

Wirtschaftliche Bedeutung für einheimische im Hochland der Anden

Bereits für die Urbevölkerung der Anden stellten vor der Invasion der Spanier im 16. Jahrhundert sowohl die wild lebenden Kamelidenarten als auch deren domestizierte Vertreter einen wichtigen Wirtschaftsfaktor dar. Heute werden im Hochland der Anden in verschiedenen weniger gut zugänglichen Regionen weiterhin noch Lamas zu Transportzwecken verwendet. Oft sind solche Lama­karawanen mehrere Wochen unterwegs.

Nicht nur das Fleisch, auch die Sehnen und Häute sowie die Fasern wurden intensiv verwertet. Das Fleisch von Neuweltkameliden wurde bzw. wird sowohl in vorkolumbianischer Zeit als auch heute zu Trockenfleisch (sogenanntes „charqui“) verarbeitet und wird heute in Kaufhäusern und auf Märkten in Südamerika vermarktet. Es war wichtig, dieses Fleisch auf Krankheitserreger zu untersuchen, die die Bevölkerung gefährden könnten. Es ist dabei nicht nur die unmittelbare Gesundheitsgefährdung durch Zoonose-Erreger von Bedeutung, sondern auch erhebliche sinnfällige Veränderungen am Fleisch, die eine Genuss­untauglichkeit bedingen und damit wirtschaftliche Einbußen verursachen. Im Zusammenhang mit Neuweltkameliden sind Sarcosporidienzysten zu erwähnen, die mehrere Zentimeter Durchmesser aufweisen können – die Infektion erfolgt dabei über die Ausscheidungen infizierter Fleischfresser. 

Heute werden vor allem Fasern aus dem Fell von Alpakas für hochwertige Textilien verwendet, die nicht nur der heimischen Bevölkerung ihr Einkommen sichern; sie tragen vor allem durch den Export wesentlich zur Wirtschaft beispielsweise von Peru bei. Neuerdings werden Lamas, vor allem Lama­hengste, nicht nur in Uruguay als Schutz gegen Wildschweine, sondern auch in Tirol und in unserem Nachbarland Schweiz in Schafherden als Schutz gegen Wölfe eingesetzt.

Morphologische Untersuchungen an den Zehen

Für den kargen Boden im Hochland der Anden und in den Steppen Patagoniens war es von Interesse, die Zehen-ballen von Neuweltkameliden in Verbindung mit dem Sehnen- und Bandapparat der Zehen zu untersuchen, weil deren Zusammenspiel die Erosion der oberflächlichen Humusschicht reduziert. Anhand von Präparaten, die von Feuerland stammen, konnten makroskopisch -anatomische Untersuchungen durch histologische Methoden ver-vollständigt werden. An jeder Gliedmaße sind jeweils zwei Zehen ausgebildet, die mit umfangreichen Zehenballen ausgestattet sind. Auf dem normalen Steppen-boden nehmen nur diese Zehenballen während der Lokomotion Kontakt mit dem Boden auf. Die Nägel berühren die Bodenoberfläche lediglich im sumpfigen oder im mit Schnee und Eis bedeckten Gelände. Im Gegensatz zu jenen der Wiederkäuer hinterlassen die Fußabdrücke an der Bodenoberfläche keine tiefen Spuren, die bei Wind und Wasser zu Erosionen führen würden.

Beste Futterverwerter

In Verbindung mit der kargen Vegetation des Hochlandes und der Steppen wurde der Verdauungsapparat von Alpakas untersucht. Im Gegensatz zu Wiederkäuern gliedert sich der Magen von Alpakas in drei Abschnitte. In den beiden ersten Kammern wird der Mageninhalt intensiv durchmischt. Hier sind auch die für Kleinkameliden typischen Drüsensäckchen lokalisiert und es findet eine bakterielle Verdauung statt. Im dritten, schlauchförmigen Magenabschnitt werden dem Nahrungsbrei Säure und Verdauungsenzyme beigefügt, sodass die abgetöteten Mikroorganismen gemeinsam mit der Nahrung im Dünndarm weiter verdaut werden können. Alle diese Eigenschaften führen dazu, dass Neuweltkameliden das Futter effektiver nutzen als Wiederkäuer.

Forschungen an anderen Tierarten

Neben Kleinkameliden wurden zudem andere Tierarten untersucht, die auf Feuerland eingeführt wurden und dort nach menschlichen Maßstäben gravierende Schäden verursachen.

Kanadische Biber etwa, die im Jahr 1945 in die Gewässer Feuerlands gelangten, verändern den Aspekt des Waldes nach ihren Regeln. Nachdem sie auf Feuerland keine natürlichen Feinde besitzen, vermehren sich die Biber ungehindert, bauen Dämme, fällen Bäume und verändern die Landschaft massiv, was oft zu gravierenden Schäden an dem aus Feuerlandbuchen sehr langsam nachwachsenden Urwald der Insel führt. Die Biber sind inzwischen auch auf die Nachbarinsel Navarino hinübergeschwommen. Man befürchtet, sie könnten so auch nach Patagonien gelangen. Auch Untersuchungen am Fleisch der Biber konnten vorgenommen werden, ein Nahrungsmittel, welches im Mittelalter als Fischfleischersatz in Klöstern während der Fastenzeit mit Genuss verzehrt wurde.

Literaturnachweise

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