Erste Hilfe bei Neuweltkameliden

Dr.med.vet. Astrid Nagl

Resistenzen, Unverträglichkeiten, Bluttransfusionen: Parasitenbehandlung bei Neuweltkameliden

Neuweltkameliden gelten als robust und bekommen bei Parasitenbefall nicht so schnell gesundheitliche Probleme wie etwa das Schaf. Das Problem dabei: Die Besitzer*innen bemerken es oft erst spät, wenn ihre Tiere dann doch Symptome entwickeln. Dr. med. vet. Anna Stölzl hat sich auf die Behandlung von Neuwelt­kameliden spezialisiert und züchtet auch selbst Alpakas. Im Interview mit dem Vetjournal erklärt sie, welche diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten uns aktuell zur Verfügung stehen und auf welche Besonderheiten wir bei der Behandlung der Schwielensohler achten müssen. 

Haemonchus contortus und seine Resistenzen
In Österreich und Deutschland ist ein Befall mit Haemonchus contortus, einem blutsaugenden Magen-Darm-Strongyliden, häufig die Ursache des Problems. Theoretisch wäre es einfach, gegen diesen Parasiten vorzugehen, da Avermectine bei Strongylidenbefall gut einsetzbar sind. Doch da H. contortus auch Schafe befällt und schwere Ausfälle in Schafherden verursachen kann, gibt es in Europa große Probleme. „Es wurde jahrzehntelang nach dem ‚Gießkannenprinzip‘ entwurmt – die ganze Herde wurde behandelt, auch wenn nur einzelne Tiere befallen waren“, erklärt Dr. Stölzl. „Daher ist Haemonchus contortus resistent gegen alle für Neuweltkameliden gut verträglichen Avermectine.“

Das genaue Körpergewicht kennen

Ein weiterer leicht erhältlicher und zugelassener Wirkstoff, Albendazol, ist für Neuweltkameliden bei Über­dosierung toxisch. Dr. Stölzl warnt: „Es sind sogar ­Todesfälle möglich! Als Richtwert gilt eine Dosis von 10 bis 15 mg/kg, doch ich halte mich hier eher an die niedrigere Dosierung. Schon eine Dosis an der oberen Grenze des Richtwerts kann meiner Erfahrung nach toxisch sein.“ Die Verträglichkeit ist individuell sehr unterschiedlich. „Ohne Waage und genaues Körpergewicht gebe ich das Medikament gar nicht. Ich möchte hier wirklich aufs Gramm genau dosieren können!“, so Dr. Stölzl. 

Was gut funktioniert

Alternativ kann Moxidectin eingesetzt werden; hier wirkt die dreifache Menge der Dosierung für Schafe gut. Laut einer Studie der Vetmeduni1, in der die Dosierung des Wirkstoffs Monepantel bei Neuweltkameliden getestet wurde, kann auch dieses Medikament in der dreifachen Menge der Dosierung für Schafe angewendet werden. Doch auch hier gibt es bereits Resistenzen, da das Medikament bei Schafen häufig eingesetzt wird. „In Salzburg sehen wir viele Resistenzen, in Oberösterreich ist es noch nicht so schlimm, wie mir Kolleg*innen berichten“, sagt Dr. Stölzl. 

Vorsicht bei oral einzugebenden Medikamenten: Sie werden ausgespuckt!

Bei der Dosierung oral einzugebender Medikamente müssen wir beachten, dass Neuweltkameliden ­diese aufgrund ihres dreigeteilten Magens anders verstoffwechseln als „echte“ Wiederkäuer. Und bei allen Neuweltkameliden gibt es ein weiteres, sehr spezielles Problem: Sie spucken! „Wenn ihnen das Medikament nicht schmeckt oder es ihnen nicht passt, dass sie bei der Eingabe festgehalten werden, wehren sie sich und ­spucken die Hälfte wieder raus – und das mit 100 km/h!“, sagt Dr. Stölzl. „Das müssen wir bei der Dosierung berücksichtigen. Erstens sind die Medikamente nicht billig, zweitens können sie toxisch sein – und drittens sollen sie ja auch wirken!“, betont Dr. Stölzl.

Für gezieltes Monitoring der Parasitenbelastung empfiehlt sie den Besitzer*innen daher, ihre Tiere alle vier bis acht Wochen einzeln zu untersuchen. „Das heißt: Nicht nur anschauen, sondern angreifen. Durch das dichte Fell ist eine Gewichtsabnahme sonst nicht beurteilbar.“ Ist ein Tier mager und/oder sind die Schleimhäute blass, werden Diagnostik und Therapie eingeleitet. 

Diagnostik und Differentialdiagnosen

„Zuerst schicke ich eine Kotprobe ein; immer eine Sammelkotprobe über drei Tage. Dann gilt es, abzuwägen, ob bereits eine Therapie erforderlich ist. Werden zum Beispiel nur mittelgradig Trichostrongyliden-Eier ge­funden, und davon sind nur 5 % Eier von Haemonchus contortus, würde ich beobachten. Wenn 80 % der Strongyliden-Eier von Haemonchus contortus stammen, würde ich entwurmen.“ Die Differenzierung der Eier kann mittels einer Spezialfärbung erfolgen. 
Differentialdiagnostisch kommen bei anämischen Patienten noch Trichuris spp. sowie Mycoplasma haemolamae infrage. Mycoplasmen sind in den europäischen Populationen weitverbreitet und können bei etwa 75 % der Betriebe nachgewiesen werden. Eine klinische Manifestation ist jedoch meistens ein sekundäres Problem: „Sie brechen aus, wenn ein Tier bereits geschwächt ist“, sagt Dr. Stölzl. 

Die Peitschenwürmer hingegen verursachten früher vor allem in den trockenen Gebieten Amerikas Prob­leme. „Sie kamen durch Importe zu uns“, erklärt Dr. Stölzl. ­„Befallene Tiere scheiden die Parasiten aus, es muss also auch bei geringgradigem Befall sofort behandelt werden“, so Dr. Stölzl weiter. Verwendet werden dabei die gleichen Medikamente, die auch bei einem Befall mit H. contortus eingesetzt werden. Noch gibt es bei Trichuris spp. aber zum Glück weniger Resistenzen.

Manchmal geht es nicht ohne Bluttransfusion

Wenn bereits eine hochgradige Anämie vorliegt, ist oft eine Bluttransfusion nötig, berichtet Dr. Stölzl: „Hier ­haben wir den Vorteil, dass es bei Neuwelt­kameliden keine unterschiedlichen Blutgruppen gibt. Als ­Spendertier kommt daher jedes gesunde, nicht in direkter Linie verwandte Tier infrage. Entnommen werden etwa 500 ml. Ich gebe zunächst 10 ml i.v., dann eine Infusion mit NaCl. Wenn innerhalb von 10 bis 15 Minuten keine anaphylaktische Reaktion erfolgt, gebe ich das restliche Blut über 30 bis 45 Minuten.“

Kokzidiosen: Selten, aber doch

Und die Durchfallerkrankungen, die durch Parasiten verursacht werden? „Durchfall sehe ich bei Neuweltkameliden selten“, meint Dr. Stölzl. Meistens liegt in solchen Fällen ein Befall mit Kokzidien, häufig mit Eimeria macusaniensis, vor. Dieser Parasit zerstört die Darmschleimhaut völlig, es kann auch zu Todesfällen kommen. Sekundär kann durch die Zerstörung der Darmschleimhaut eine gefährliche Clostridiose entstehen. Der Kokzidienbefall kann gut behandelt werden: „Toltrazuril wirkt hier gut, es wird über drei Tage in einer Dosierung von 10 bis 20 mg/kg KGW gegeben. Hier halte ich mich meist eher an die obere Grenze des Dosierbereichs. Auch bei Toltrazuril muss nachkontrolliert werden, ob die Behandlung anspricht.“

Damit die wirksamen Antiparasitika noch lange einsetzbar sind …

„Damit wir in Zukunft noch entwurmen können, sollte kein Besitzer ohne vorherige Kotprobe ein Wurmmittel für sein Tier verschrieben bekommen. Es dürfen nur Einzeltiere entwurmt werden, und nur bei nachgewiesenem Befall und klinischen Symptomen!“, so Dr. Stölzl. Außerdem rät sie zu einer Probe als Therapiekontrolle, um erkennen zu können, ob das Medikament auch gewirkt hat. 

„Das langfristige Ziel wäre eine Zucht auf Tiere, die ­robust und quasi resistent gegen die Parasiten sind“, meint sie. In ihrer eigenen Herde hat sie daher strenge Auswahlkriterien und schließt Tiere, die immer wieder gesundheitliche Probleme haben, aus der Zucht aus. 


1 Dadak, A. M., Asanger, H., Tichy, A., Franz, S. (2013): Establishing an efficacious dose rate of monepantel for treating gastrointestinal nematodes in llamas under field conditions. The Veterinary Record, 172(6), 155. 


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