Mag. Silvia Stefan-Gromen
Ausgabe 12/2023-01/2024
Balzen will gelernt sein, und am erfolgreichsten sind nicht unbedingt die größten Angeber. Alternative Flirt-Strategien sind durchaus erfolgversprechend – zum Beispiel macht subtiles, spielerisches Verhalten wie eine vordergründige Schüchternheit neugierig und kann bei potenziellen Sexualpartnerinnen das Interesse erhöhen. Was sehr menschlich klingt, analysierte nun eine aktuelle Studie des Konrad-Lorenz-Instituts für Vergleichende Verhaltensforschung (KLIVV) der Veterinärmedizinischen Universität Wien anhand der Vogelbalz. Veröffentlicht wurde das Review in der renommierten britischen Fachzeitschrift „Proceedings of the Royal Society B“.
Für seine Forschungsarbeit analysierte das dreiköpfige Wissenschaftlerteam bereits veröffentlichte Studien zur Vogelbalz. Demnach dominiert in der Forschung zur sexuellen Selektion die Vorstellung, dass bei der Partnerwahl die stärksten, beeindruckendsten und ausgefallensten Balzhandlungen zum Erfolg führen – diese würden die Qualität des Brautwerbenden am besten widerspiegeln.
Subtil schlägt brachial
Laut den Verhaltensforschern ist die Balz allerdings oft zeitlich strukturiert und enthält verschiedene Elemente mit unterschiedlichem Grad an Intensität und Auffälligkeit. „So sind zum Beispiel sehr intensive Bewegungen oft mit subtileren Komponenten wie statischen Körperhaltungen oder Versteckspielen gekoppelt“, erklärt Thomas MacGillavry. In diesem Zusammenhang bezeichnen die Wissenschaftler solche subtilen Darstellungsmerkmale als „schüchtern“.
Das Forschungsteam untersuchte die Rolle von Intensitätsvariationen innerhalb zeitlich dynamischer Darbietungen und präsentiert drei Hypothesen für die Evolution von „scheuem“ Balzverhalten. Dazu Giovanni Spezie (KLIVV): „Zunächst gehen wir auf die Hypothese der Bedrohungsreduktion ein, die auf sexuellen Zwang und sexuelle Autonomie als wichtige Aspekte der sexuellen Selektion hinweist. Dann schlagen wir vor, dass Variationen in der Größe der Darstellung bereits bestehende Wahrnehmungsvorlieben für zeitliche Kontraste ausnutzen.“ Als dritte Hypothese formulieren die Forscher, dass das Zurückhalten von Informationen die Neigung der Empfänger ausnutzen kann, Informationslücken zu füllen – dieses Phänomen nennen sie „Curiosity Bias“, also das Wecken von Neugier bei den potenziellen Sexualpartnerinnen.
Neue Denkanstöße für ein besseres Verständnis des Balzverhaltens
„Ähnlich wie in der menschlichen Musik oder im Theater können Balzvorführungen echte Darbietungen sein, bei denen verschiedene Elemente zusammenwirken, um das Publikum zu verführen, Spannung aufzubauen, zu überraschen und zu erregen. Die Art und Weise, wie sich solche Darbietungen im Rahmen einer Balz entfalten, stellt eine vielversprechende und neue Richtung für die Erforschung des Balzverhaltens dar“, so Leonida Fusani, Leiter des Konrad-Lorenz-Instituts für Vergleichende Verhaltensforschung der Vetmeduni. Dass solche Aspekte bislang in der Forschung unterrepräsentiert sind, liegt laut den Wissenschaftlern daran, dass Verhaltensweisen in der Verhaltensforschung traditionell in ihre Bestandteile zerlegt und nicht gesamthaft gesehen werden.
Hinweis:
Der Artikel „When less is more: coy display behaviours and the temporal dynamics of animal courtship“ von Thomas MacGillavry, Giovanni Spezie und Leonida Fusani wurde in „Proceedings of the Royal Society B“ veröffentlicht.
When less is more: coy display behaviours and the temporal dynamics of animal courtship | Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences
(royalsocietypublishing.org)
Rückfragen:
Univ.-Prof. PhD Leonida Fusani
Konrad-Lorenz-Institut für Vergleichende Verhaltensforschung (KLIVV)
Veterinärmedizinische Universität Wien (Vetmeduni)
leonida.fusani@vetmeduni.ac.at