Gefährliches Schwitzen –

Elektrolyte beim Pferd

Bettina Kristof

Elektrolyte spielen eine entscheidende Rolle für den Flüssigkeitshaushalt von Pferden – dazu lesen Sie mehr im Interview mit Pferdemediziner Mag. Matthias Koller.

Wenn Pferde schwitzen, verlieren sie Elektrolyte. Damit beginnt ein folgenschwerer Kreislauf: Durch den Verlust von Flüssigkeit und Elektrolyten kann es zu Störungen im Wasserhaushalt des Körpers kommen, was wiederum zu Veränderungen des pH-Werts im Blut führen kann. Auch die Leistungsfähigkeit eines Pferds wird durch einen Mangel an Elektrolyten beeinflusst. Kurzum: Elektrolyte haben eine wichtige Funktion für die Gesunderhaltung von Pferden. Ein Mangel an Elektrolyten kann für Pferde lebensbedrohlich sein. Über deren Bedeutung, vor allem in der Notfallmedizin, sprachen wir mit Mag. Matthias Koller, Leiter der Pferdeklinik Tillysburg in Sankt Florian.

Herr Magister Koller, Sie sind seit vielen Jahren Pferdemediziner und auch im Vorstand der VÖP aktiv. Welche Erfahrungen haben Sie in Ihrer langjährigen Praxis mit Elektrolytmangel bei Pferden gemacht?
Für ein klassisches Freizeitpferd, das moderat bewegt wird, spielt ein Elektrolytmangel in der Regel keine Rolle. Anders sieht es bei Ausdauersportarten wie Vielseitigkeit und Distanzreiten aus. Unter Belastung kann es bei Pferden zu einem Flüssigkeitsverlust von 35 bis 50 Millilitern Flüssigkeit pro Quadratmeter Körperoberfläche kommen. Ein Pferd kann während eines Distanzritts so bis zu 15 Liter Wasser und damit natürlich auch Elektrolyte verlieren. Besonders Natrium und Chlorid gehen verloren.

Dies kann zu einem Leistungsabfall und einer verlängerten Regenerationszeit führen. Werden dem Pferd keine Elektrolyte verabreicht, kann es zu schwerwiegenden Stoffwechselentgleisungen und Herz-Kreislauf-Problemen bis hin zu Nierenversagen kommen. In diesem Fall besteht die Möglichkeit, auf Antrag nach dem Bewerb das Pferd mit Infusionen zu therapieren.

Welche Bedeutung haben Elektrolyte in der Notfallmedizin?
Bei Fohlen kommt es häufig zu Durchfällen, welche zu einem Flüssigkeits- und Elektrolytmangel führen können. Ein nicht sehr oft auftretendes Ereignis ist ein Blasenriss des Fohlens bei der Geburt. Dabei fließt Harn in die ­Bauchhöhle. Da Kalium über den Harn ausgeschieden wird, kommt es durch die Resorption von Kalium über das Bauchfell zu einer Hyperkaliämie.

Chirurgisch ist die Ruptur einfach zu beheben, indem man die Blase verschließt. Das Vorgehen ist allerdings nur dann erfolgreich, wenn vorher die Hyperkaliämie behandelt und damit das Fohlen narkosetauglich wird. Hyperkaliämien führen zu einer supraventrikulären oder ventrikulären ­Tachykardie. Beheben kann man die Hyperkaliämie durch Infusionen und Ablassen des Harns aus der Bauchhöhle.

Gibt es weitere Bereiche in der Notfallmedizin, in denen es zu einem Elektrolytmangel kommen kann?
Wir sehen die meisten Veränderungen beim abdominalen Notfall, klassischerweise bei der Kolik. Bei Obstruktionen und Strangulationen des Dünndarms kommt es zu Reflux mit Verlust von Chlor und Natrium. Bei strangulierenden Prozessen des Dickdarms kommen eher Veränderungen des Kaliumhaushalts vor. Bei Fortschreiten der Erkrankung kommt das Pferd in den hypovolämischen Schock, da sich Flüssigkeitskompartimente verschieben und der osmotische Druck zwischen intrazellulärem, extrazellulärem und intra­vasalem Raum verschoben wird. Durch den anaeroben Stoffwechsel der minderdurchbluteten Gewebeteile entsteht Lactat und in der Folge eine metabolische Aci­dose. Die Veränderungen im Elektrolythaushalt spiegeln die Schwere der Erkrankung wider.

In der akuten Phase ist es daher wichtig, den Flüssigkeits- und Elektrolythaushalt zu stabilisieren. Eine ­erfolgreiche Narkose ist nur mit einem stabilen Elektrolyt- und Flüssig­keitshaushalt möglich. Wenn die abdominalen Veränderungen behoben sind, kann der Organismus seinen Elektrolyt­haushalt mit Unterstützung durch Infusionen wieder sta­bilisieren. Die Colitis kann beim Pferd auch zum Notfall werden, da sehr schnell große Mengen Flüssigkeit verloren gehen können und damit auch ein Verlust von Elektrolyten einhergeht.

Wie gleichen Sie Elektrolytmangel bei Pferden aus?
Nur durch rechtzeitige Substitution mit Ringer-Lactat-Lösungen kann man die Elekrolyt-Imbalance und die metabolische Acidose ausgleichen. Bei jedem Notfallpatienten werden zusätzlich die Elektrolyte, der pH-Wert und der Lactatwert bestimmt. Damit weiß man, in welchem Umfang sich die Elektrolyte verschoben haben. Bei geringgradigen Veränderungen reichen meist Ringerlösungen zur Korrektur aus – bei schwerwiegenden Veränderungen muss das fehlende Elektrolyt unbedingt substituiert werden, zum Beispiel Kalzium bei Hypokalziämien, Kalium bei Hypokaliämien, Magnesium bei Hypomagnesiämien.

Worauf ist bei Pferden zu achten, die auf einer Koppel stehen? Kann hier die Sonneneinstrahlung zu einem Verlust von Elektrolyten führen, und kann das für das Pferd gefährlich werden?
Wenn ein Pferd auf einer Koppel keinen Schatten hat und nur in der Sonne steht, dann ist es eher der Flüssigkeits­mangel, der Probleme macht. Deshalb sollte man auf Koppeln immer Trinkwasser und Schatten zur Verfügung stellen. Grundsätzlich haben Pferde, die keinen Leistungssport betreiben und gesund sind, keinen Elektrolytmangel; Voraussetzung sind natürlich gutes Futter und Mineralstofffutter. Wenn ein Pferd gutes Heu bekommt, hat es eine deutliche Überversorgung mit Kalium. Nur wenn es auf natriumarmem Boden steht, könnte es eine Unterversorgung geben.
  

Wie kann man einem Elektrolytmangel generell vorbeugen?
Die heutige Fütterung besteht zum Großteil aus Raufutter, dadurch könnte es zu einem Mangel an Kochsalz kommen. Da wäre es gut, eine Mineralstoffmischung zuzufüttern.

Sollten Mineralstoffe generell zugefüttert werden oder nur bei Belastung?
Prinzipiell ja, denn es gibt auch mineralstoffarme Böden. Mit dem Zusatzfutter kann man einen Mangel gut aus­gleichen. Wichtig ist, zu kontrollieren, dass der Pferde­besitzer nicht zu viel des Guten gibt. Eine übermäßige Einstellung in Richtung „Nur das Beste für das Pferd!“ kann zur Über­versorgung führen. Bei einigen Mineralien, wie etwa Kupfer und Selen, kann diese aber eine Intoxikation aus­lösen. Eine Blutuntersuchung gibt Sicherheit, welche ­Mineralstoffe fehlen und ergänzt werden sollten.

Welche Tipps oder Empfehlungen haben Sie für Ihre Kollegen in der Pferdemedizin?
Ich empfehle, bei schwerkranken Pferden auf jeden Fall einen Blutstatus mit Elektrolyten und Lactat zu bestimmen. Für die Infusionstherapie empfiehlt sich, eine Ringer-­Lactat-Lösung zu verwenden, um einen Elektrolytmangel und die metabolische Acidose auszugleichen.