Schilf und Rohrkolben säumen die Ufer, ein Himmelblauer Bläuling flattert vorbei. Eine Schar Graugänse, Nachfahren jener Tiere, mit denen einst Konrad Lorenz schwimmen ging, landet auf dem Weiher. Feuerlibellen schwirren umher und Frösche quaken. So muss es wohl im Paradies sein. Möglich – aber diese Idylle findet man in dem kleinen Dorf Billafingen unweit des Bodensee-Nordufers. Hier hat sich Professor Peter Berthold, emeritierter Leiter des Max-Planck-Instituts für Ornithologie in Radolfzell, einen Herzenswunsch erfüllt: Er legte ein Biotop mit einer 1,3 Hektar großen Wasserfläche an. Rundherum ließ er alles kreuz und quer wachsen. Bald überwucherte ein Kraut das andere, blühte und verging ganz ohne menschliche Nutzung. Kurz: Professor Berthold schaffte hier Natur pur! Der bezaubernde Weiher in Billafingen bildet die Keimzelle des Biotopverbunds Bodensee, eines beispielgebenden Naturprojekts.
Ausgerechnet in dieser extrem ländlichen Region, in der ohnehin alles so grün ist, begann er mit seinem Projekt. Das scheint auf den ersten Blick sonderbar. Aber Berthold weiß es besser: Über Jahrzehnte beobachtete er hier die Tier- und Pflanzenwelt, zählte und katalogisierte die vorkommenden Arten. Dabei musste er feststellen, dass in einer intensiv genutzten Kulturlandschaft die Vielfalt schlichtweg auf der Strecke bleibt. Rebhuhn oder Steinkauz wurden ebenso selten wie Storch oder Laubfrosch, wie Erzengelwurz und Brauner Wiesenknopf. Wenn wir die Natur schon für uns nutzen, so dachte sich der hochdekorierte Wissenschaftler, der vor allem wegen seiner Erkenntnisse über den Vogelzug berühmt wurde, dann müssen wir auch ein Gegengewicht schaffen. Sein Lösungsansatz: ein dichtes Netz an Biotopen, in denen sich seltene Arten wieder ansiedeln und vermehren können.
Von der Idee zur Umsetzung
Vor 13 Jahren startete er das Naturprojekt mit dem ersten Weiher in Billafingen, einem im Bodenseekreis gelegenen Örtchen mit gerade einmal 700 Einwohnern. Die Vision von unberührter Natur wurde nach Aushub und Bepflanzung schneller Wirklichkeit, als es sich die Initiatoren erträumt hätten. Anfangs war da nur der Teich, besetzt mit Rotauge, Karausche, Flussbarsch, Moderlieschen und sechs weiteren Arten ursprünglicher Fische aus Baden-Württemberg; daneben ein Ufer, an dem früher vorkommende Pflanzen angesiedelt wurden. Für die entsprechenden Samen heuerte Berthold eigene Gärtnereien an, die genetisches Material archivieren, damit nichts von den einstigen Sorten verloren geht. Und nun? 13 Jahre später zählt Professor Berthold hier im Sommer 30 verschiedene Arten von Schmetterlingen, zehn unterschiedliche Disteln, 340 Arten von Blütenpflanzen, 27 unterschiedliche Schnecken, verschiedene Heuschrecken und Wespenspinnen. Im vergangenen Frühling fand er zudem zentnerweise Laich von Amphibien.
Jahr für Jahr konnte Peter Berthold miterleben, wie die Vogelwelt wieder bunter wurde: „2005 kamen 23 Arten neu hinzu, 2006 sieben Arten, 2008 vier Arten und so weiter.“ Insgesamt sind es heute 165 verschiedene Vogelarten – 50 Arten mehr als vor der Einrichtung des Biotops. Dass sich unmittelbar neben dem Weiher auch noch Störche niedergelassen haben, ist das i-Tüpfelchen für eine beeindruckende Erfolgsgeschichte. Heinz Sielmann, der berühmte Naturfilmer, war schon vor vielen Jahren von der Idee begeistert und unterstützte den Professor mit dem Rauschebart finanziell mit Mitteln aus seiner Stiftung. Inzwischen ist er verstorben; der Weiher von Billafingen trägt ihm zu Ehren den Namen „Heinz-Sielmann-Weiher“. Die Erweiterung des Biotopverbunds Bodensee zählt weiterhin zu den Hauptaufgaben der Stiftung.