Beraten statt strafen

Editorial

Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Der Grundsatz „Beraten statt strafen“ verfolgt einen präventiven und konstruktiven Ansatz, um Regelverstöße und Fehlverhalten anzugehen. Ziel ist es, Verständnis, Einsicht und Verhaltensänderung zu fördern, statt Sanktionen zu verhängen, die oft nur kurzfristige Effekte erzielen. Empathie und Dialog stehen im Mittelpunkt, da hinter jedem Fehlverhalten ein Grund steckt, der es wert ist, verstanden zu werden. Dieser Ansatz stärkt die Eigenverantwortung und fördert ein konstruktiveres Miteinander.

Zwar stoßen solche Methoden bei gravierenden oder wiederholten Verstößen an ihre Grenzen, dennoch bleibt „Beraten statt strafen“ eine sinnvolle Grundlage, um Strafen als letzte Instanz zu betrachten.

Angesichts der wachsenden Gesetzes- und Verordnungsflut ist der Unmut vieler Kolleginnen und Kollegen nachvollziehbar. Ein Beispiel ist die verpflichtende Antibiotikamengenerfassung, mit der sich die Nutztierpraxis seit über sieben Jahren auseinandersetzt. Auch Kleintier- und Pferdepraxen werden hiervon in Zukunft betroffen sein. Doch stellt sich die Frage, ob der Aufwand für diese Sparten verhältnismäßig und zielführend ist – insbesondere angesichts der klaren Unterschiede in den Antibiotikavertriebszahlen: 2022 wurden 34,26 Tonnen Antibiotika im Nutztier­bereich verkauft, aber nur 550 Kilogramm im Kleintierbereich.

Das System der in der Vergangenheit weitestgehend sanktionslosen Verpflichtung hat in den vergangenen Jahren Erfolg gezeigt: Die Reduktion von 53 auf 34 Tonnen Antibiotika in den letzten Jahren ist vor allem dem großen Einsatz und dem verantwortungsvollen Handeln unserer Kolleginnen und Kollegen zu verdanken. Die ­dabei entstandenen Kosten und die Zeit für den Dokumentationsaufwand müssen sie ohne finanzielle Abgeltung selbst tragen.

Dass ein Umdenken und eine Änderung des Therapieverhaltens notwendig sind, steht außer Zweifel. Doch können Sanktionen oder sogenannte „Leermeldungen“ ein solches Umdenken fördern? Maßnahmen, die undifferenziert alle gleichermaßen betreffen – nach dem „Rasen­mäherprinzip“ – erscheinen wenig zielführend.

Die bestehenden Verpflichtungen sollten daher überdacht und angepasst werden. Die Novellierungen zur Antibiotikamengenströme- und Tiergesundheitsdienstverordnung bieten eine Gelegenheit, sinnvolle Änderungen vorzunehmen – und ich werde diese mit Nachdruck einfordern.

Mag. Kurt Frühwirth,
Präsident der Österreichischen Tierärztekammer