In der Umsetzungsphase:

zertifizierte Zusatzausbildung für Reiseveterinärmedizin

Bettina Kristof

Der Mensch ist mobiler geworden – Krankheitserreger leider auch. Durch die gestiegene Reisetätigkeit werden durch Tiere vermehrt Pathogene wie z. B. Parasiten eingeschleppt, die hierzulande früher nicht aufgetreten sind. Damit die Tierärzte auf dem neuesten Stand sind, was Diagnose, Prophylaxe, Behandlung und Nach­behandlung von Reiseerkrankungen bei Tieren betrifft, ist eine Zusatzausbildung zum Reiseveterinärmediziner in Planung. Wir sprachen darüber mit Priv.-Doz. Dr. Georg Duscher, stellvertretender Leiter des Instituts für Parasitologie an der Vetmeduni Vienna.

Wann ist die Idee gereift, eine Ausbildung für Reiseveterinärmedizin anzubieten?
Vor circa einem Jahr. Geplant sind Schulungsmaßnahmen für Tierärzte in der Praxis, die wir auf verschiedene Reiseerkrankungen hinweisen wollen. Wenn das Konzept erfolgreich ist und wir auf Resonanz stoßen, wäre der Versuch einer Etablierung einer Zusatzausbildung der nächste Schritt. 

Warum ergibt es Sinn, eine eigene Weiterbildung in diesem Bereich zu etablieren?
In unserer Gesellschaft gibt es eine intensive Reise­tätigkeit. Menschen nehmen aus dem Urlaub Hunde und Katzen mit, oftmals ohne Genehmigung und ohne Einhaltung behördlicher Auflagen, und importieren Tiere, die mit lokalen Erregern infiziert sein können. Andere Parasiten kommen mit offiziell eingeführten Tieren zu uns, etwa mit Pferden. Außerdem gibt es Erreger, wie etwa ­Hepatozoon canis, die durch natürliche Migration – diesfalls von Schakalen – eingeschleppt werden können. Es kann aber auch passieren, dass das eigene Tier in einem fremden Land von einem Erreger befallen wird. In der Folge werden die Tierärzte und Tierärztinnen in Österreich mit neuen Parasiten, Bakterien und Viren konfrontiert. Gerade in der Parasitologie gibt es bei uns immer öfter Anfragen von Tierärzten im Hinblick auf exotische Erreger. 

Während des Studiums wurde dieser Bereich zwar schon angeschnitten, aber in Österreich hatten wir davor nie in der Praxis damit zu tun. Es ist daher theoretisches Wissen, das jetzt vertieft respektive aktualisiert werden sollte. Das wäre sowohl in der Diagnose und der Prophylaxe als auch in der Behandlung und Nachbehandlung hilfreich. 

Aus welchen Ländern werden denn besonders viele Parasiten eingeschleppt?
In den ost- und südosteuropäischen Ländern sind unterschiedliche Krankheitserreger aktiv, die häufig ­importiert werden. Dazu kommt, dass die Verbreitung der Erreger immer schneller fortschreitet. Manche Parasiten, die in südlichen, mediterranen Gebieten nachgewiesen wurden, sind mittlerweile schon weiter nördlich, vor den Toren Österreichs, anzutreffen. Da muss es Updates geben, ­damit die Tierärzte auf dem Laufenden sind. Wir an der Vetmed­uni bekommen auch aktuelle Informationen, ­beispielsweise über neueste Herzwurmbehandlungen,

Auf welche Schwierigkeiten stoßen Tierhalter derzeit, wenn sie an ihrem Tier verdächtige Symptome entdecken und damit zum Tierarzt gehen?
Derzeit passiert es immer wieder, dass der Tierarzt zwar Proben eines Tieres an ein Labor zur Abklärung einschickt, das aber nur bedingt hilft, weil beispielsweise gar nicht alle Labors Tests haben, mit denen diese Erreger nachgewiesen werden können. Es gibt also noch einiges zu tun, damit österreichische Tierärzte eine abgesicherte Diagnose erstellen und eine erfolgreiche Behandlung durchführen können.

Sie besuchen auch internationale Tagungen. Sind da exotische Krankheitserreger ein Thema?
Natürlich! Wir von der Vetmeduni erfahren zwar viel bei den internationalen Tagungen, aber das ist theoretisches Wissen. Wie und wann ein Erreger in der Praxis auftritt und wie sich das genau zeigt, wissen wir nur zum Teil. Die Kliniker am Vetmed-Spital haben diesbezüglich Erfahrung, aber wir haben wenig Überblick darüber, wie es im Süden oder Westen Österreichs aussieht. Ein Austausch wäre wichtig: Die Uni sollte neueste Erkenntnisse aus den Fachkreisen liefern, und die Tierärzte sollten ­tatsächliche Daten über aktuelle Fälle von Reiseerkrankungen aus den betroffenen Gebieten zur Verfügung stellen, das wäre ­optimal.

Gibt es auf europäischer Ebene eine Zusammenarbeit in Sachen Reisekrankheiten bei Tieren?
Bezüglich Parasiten gibt es die Website www.esccap.org, dort kann man sich darüber informieren, wo welche E­r­reger vorkommen und wo es Risikogebiete gibt. Die Website ist aber nicht umfassend aufbereitet. Sie warnt lediglich vor den Parasiten, aber es geht ja auch um die Diagnostizierung und die Behandlung – auch von Bakterien und Viren. Wir an der Uni haben schon internatio­nale Kontakte, aber die beschränken sich auf die einzelnen Abteilungen. Es gibt leider keinen klinik- und tierart­über­greifenden Austausch. Kompaktere Informationen, Zusammenarbeit der einzelnen Fachdisziplinen, auch auf internationaler Ebene – das sind Schritte, denen wir nach- und die wir angehen werden. 

Wird der Bereich Reiseerkrankungen bei Tieren derzeit noch gar nicht abgedeckt?
Es gibt von verschiedenen Firmen Schulungen und ­Webinare, aber auf unabhängiger Universitätsebene wird noch nichts angeboten.

Wie soll das Projekt der zertifizierten Zusatzausbildung für Reiseveterinärmedizin umgesetzt werden?
Es ist geplant, dass wir Schulungen anbieten, die wir in ­weiterer Folge als Webinare zur Verfügung stellen könnten. Wir haben unser Projekt bei der Forschungsförderungsgesellschaft FFG eingereicht und vor Kurzem eine Zusage bekommen.

Welchen Part haben Sie dabei übernommen?
Ich bin Teil des Konsortiums dieser neuen Ausbildung und war für die Einreichung bei der FFG zuständig. Dabei musste ich nicht nur das Projekt inhaltlich vorstellen, sondern gleichzeitig einen Versuchsballon starten. Das war ziemlich aufwendig, aber es hat sich gelohnt.

Welche Bereiche soll die Ausbildung beinhalten?
Derzeit ist geplant, dass die Tierärzte Informationen aus folgenden Bereichen erhalten: öffentliches Veterinär­wesen, Flughafentierarzt/Einreisebestimmungen, Viro­logie, Bakteriologie, Mykologie, Parasitologie, Chancengleichheit/Genderausbildung, Kleintierklinik und Pferdeklinik. Eventuell werden die Wissensbausteine um den Bereich Nutztiere erweitert. Außerdem haben wir vor, internationale Vortragende einzuladen, die uns ihr Fachwissen zur Verfügung stellen.

Wird die Ausbildung auch auf Seuchenbekämpfung eingehen?
Die Seuchenbekämpfung ist vom Ministerium und der AGES abgedeckt. Die Ausbildung, die wir ­anbieten ­möchten, betrifft Erkrankungen, die nicht unter das Seuchen­gesetz fallen, und sollte keinesfalls eine Konkurrenz zu bestehenden Regelwerken bilden. Das neu gegründete Netzwerk soll dazu dienen, im Fall von Auffälligkeiten gleich den richtigen Ansprechpartner zu finden. Wenn Symptome bestimmter Erkrankungen gehäuft auftreten, ist es wichtig, mit den entsprechenden Stellen zu kooperieren. Der Zeitfaktor ist da entscheidend!

Haben Sie einen Zeitplan für die Umsetzung?
Wir haben den Herbst 2018 als Startpunkt angedacht und lösen gerade die logistischen und organisatorischen ­Pro­bleme.