„Als Tierarzt

habe ich durchaus eine gewisse Bringschuld!“

Mag. Eva Kaiserseder

Das Thema Kommunikation war lange ein Stiefkind in der Tierarztpraxis. Dr. Birgit Hladschik-Kermer über den Wandel, der hier derzeit stattfindet, klassische Gesprächsfallen und einen Survival-Guide für das leidigste aller ­Themen: die Bezahlung. 

Sie zeichnen im aktuellen Curriculum an der Vetuni für den Bereich Kommunikation verantwortlich, gemeinsam mit Michael Leschnik (Anm. d. Red.: Interne Medizin). Was sind da die Schwerpunkte?
Wir haben dieses Thema auf Initiative der damaligen ­Vize­rektorin für Lehre und jetzigen Rektorin Petra ­Winter erarbeitet, mein Part war die didaktische und inhaltliche Planung. Es geht hier zum Beispiel um Anamnese­erhebung und Diagnosemitteilung, später im Studium auch um Euthanasie, ungewisse Prognosen – und immer wieder um das Thema Kosten und darüber, wie ich es am besten kommuniziere. 

Welche Fragen sind studierendenseitig am drängendsten? 
Vorab möchte ich sagen, dass das Thema allgemein auf sehr großes Interesse stößt, was wir unter anderem aus den Evaluierungsergebnissen wissen. Allgemein ist die Frage, wie man mit Emotionen umgeht, für die Studierenden sehr interessant, etwa: Was mache ich, wenn jemand aggressiv reagiert? Wie gehe ich damit um, wenn jemand sehr traurig ist? Auch, inwieweit man sich in die psycho­soziale Situation des Patientenbesitzers einfühlen soll oder ob man besser distanziert bleibt, sind Fragen; oder etwa, was ich mit Tierbesitzern machen soll, die eine ganz andere Vorstellung davon haben, wie das Tier behandelt werden soll. Wie bleibe ich hier professionell, nehme ich den Tierbesitzer ernst – wie kann ich die mir wichtigen ­Infos so vermitteln, dass mein Gegenüber sie auch versteht und die Information auch umgesetzt werden kann? 

Es geht ja nicht zur um Zustimmung, sondern vielmehr darum, dass jede Nachricht für den Tierbesitzer eine Mitteilung ist, die er ganz konkret umsetzen soll, damit der Behandlungserfolg eintreten kann. Nachdem im ­Veterinärbereich natürlich immer über Dritte agiert wird, ist das Thema Kommunikation ein extrem relevantes für eine gute Behandlung. Denn schlussendlich erfahre ich zum Beispiel auch nur so, ob der Tierbesitzer die vereinbarten Schritte auch korrekt erledigt hat, damit es dem Tier besser geht. 

Was muss im Kommunikationsprozess besonders beachtet werden?
Ein gutes Gespräch braucht immer eine Struktur: Worum geht es heute? Was will ich vermitteln? Wozu will ich den Tierbesitzer veranlassen? Welche Informationen muss ich einholen? Und eine gute Beziehung ist wichtig, denn ist die Beziehungsebene gestört, funktioniert auch der Nachrichtenfluss nicht. Was die Strukturierung von Gesprächen betrifft, gibt es in der Kommunikation viele Modelle, etwa den Calgary-Cambridge-Guide. Grund­voraussetzung für den Aufbau einer vertrauensvollen Beziehung sind Wertschätzung, Akzeptanz und Echtheit. Das heißt, dass der andere mit seinen Anliegen, seinen Vorstellungen, Meinungen zunächst so akzeptiert wird, wie er ist. Es geht um einen ­respektvollen Umgang mit den Patientenbesitzern und den Tierpatienten. Echtheit bedeutet, dass auch der Tierarzt sich nicht verstellt; nicht so tut, als wüsste er alles oder habe ewig Zeit. Wichtig ist, dass das am besten in Form von Ich-Botschaften kommuniziert wird. Die Gratwanderung, das zu sagen, was ich wirklich meine, und gleichzeitig die Bedürfnisse des Tierbesitzers nicht zu vergessen, fällt oftmals nicht leicht. Das wird aber im Unterricht an der Vetmed ganz konkret geübt. Es geht aber natürlich auch um Kundenbindung, und die kann nur dann passieren, wenn der Tierarzt sich als Vertrauens­person etabliert. Dazu gehört es auch, unangenehme Themen nicht zwischen Tür und Angel noch irgendwie am Schluss eines Gesprächs hineinzuquetschen, sondern sie offen anzusprechen. Etwa das Thema Kosten: Hier kann und soll proaktiv agiert werden, es sollte auch unbedingt erklärt werden, warum etwas passiert und dass die Behandlungsschritte einen Wert für das Tier haben und eben Geld kosten. Wir alle tendieren dazu, Dinge, die unangenehm sind, aufzuschieben, aber es ist wichtig, das klar anzusprechen. Schlussendlich wird es darum gehen, ­etwas zu verstehen, nachvollziehen zu können; einfach, weil wir Menschen so sind. Das kann durchaus in ­einfachen ­Worten passieren.

Gibt es eine Empfehlung, wie man das Thema Kostenfaktor bestmöglich kommuniziert? 
Ich glaube, Transparenz ist wie erwähnt das Wichtigste. Schon auf der Website lassen sich ja die Preise für verschiedene Leistungen vermerken. Das zeigt: Ich verstecke nichts, sondern agiere hier ganz offen. Im Gespräch kann man das Thema dann ankündigen und nachhaken, ob der Patientenbesitzer einen ungefähren Preisrahmen wissen möchte oder detailliertere Infos braucht, wobei man das oft ja nicht von Anfang an konkretisieren kann. Auch das muss man klarmachen. Wichtig ist, sich dabei nicht in einer Abwehrhaltung einzuigeln, sondern sich bewusst zu machen, dass es bei dem Thema eine gewisse Bringschuld des Tierarztes gibt. Der Wunsch nach Kalkulierbarkeit ist ja verständlich und nicht böse gemeint. Bei Unklarheiten ist es außerdem gut, den Patientenbesitzer umgehend zum Nachfragen zu ermuntern, etwa zu sagen: Erscheint Ihnen das zu viel? Möchten Sie vielleicht genauer wissen, wie diese Summe zustande kommt? Auf jeden Fall sollte an das Thema proaktiv herangegangen werden. 

Gibt es klassische Fehler, die man im Gespräch unbedingt vermeiden sollte?
Ja. Weit verbreitet ist etwa der Versuch, kompetenter zu wirken, indem man viele Fachwörter verwendet. Das geht aber meist nach hinten los, weil der Patienten-besitzer nur Bahnhof versteht. Auch beliebt ist es, extrem schnell zu sprechen, wenn man unangenehme Dinge vor sich hat. Ein ganz großes Problem ist das Zuhören und das -Pausen-Einhalten. 

Die Patientenbesitzer brauchen Zeit, um das Gehörte zu verarbeiten. Auch, wenn ich aufgefordert werde, eine Frage zu stellen, muss ich kurz nachdenken, was ich fragen will. Dafür braucht man etwas Zeit. Meist wird diese Zeit aber nicht gegeben und der Tierarzt schickt eine nächste Frage hinterher. Das führt dazu, dass die Patienten die Informationen nicht verarbeiten können und deswegen später viel öfter Fragen haben oder den Empfehlungen nicht nachkommen können. Auch ein „Das hat mir keiner gesagt“ kann das Resultat sein, wenn der Patientenbesitzer keine Zeit zur Verarbeitung hat. Es gibt Autoren, die sagen, das Wichtigste, was man in der Kommunikation können muss, ist das Zuhören. Und da ist viel Wahres dran. Die Tierärzte haben Sorge, dass die Patienten-besitzer ewig reden, wenn sie sie nicht unterbrechen. In Wahrheit hören Menschen nach spätestens zwei Minuten auf, zu erzählen, wenn man ihnen mit Interesse zuhört. In dieser Zeit haben sie in der Regel alles gesagt, was sie beschäftigt. Durch aktives Zuhören erhalten die Tierärzte viele relevante Informationen, die sie später dann nicht extra einholen müssen. Generell bemerke ich, dass sich in Bezug auf die Wichtigkeit des Gesprächs mit dem Tierbesitzer viel geändert hat.

Was bedeutet diese Entwicklung in der Praxis? 
Den Tierärzten ist nun viel besser bewusst, dass das Gespräch eigentlich schon Teil der Behandlung ist. Dadurch geht man viel strukturierter an das Ganze heran. Man kann sich überlegen, was ich als Tierarzt vom Patientenbesitzer brauche: Infos für die Anamnese oder etwas ganz anderes? Und ich kann mir überlegen, wozu ich selbst den Tierbesitzer veranlassen möchte. Zu mehr Compliance etwa – oder schlicht zur pünktlichen Zahlung? 

Unvorbereitete Gespräche haben zu wenig Struktur und die Verständigung passt dann nicht. Das ist für beide Seiten nicht gut und den Kunden sehe ich dadurch womöglich nie mehr. Als Leitfaden gilt also: einerseits den Patientenbesitzer zu fragen, was ihm wichtig ist, andererseits zu überlegen, was ich als Tierarzt überhaupt von meinem Kunden brauche. 

Das positive Feedback zum Thema Praxismanagement und Kommunikation haben wir ja eingangs schon erwähnt. Woran liegt das Ihrer Meinung nach? 
Genau, wir bekommen auch schon Feedback aus den Kliniken und Praxen, dass das Miteinanderreden einfach viel besser funktioniert. Und was mich besonders freut und erstaunt: Im Rahmen von Vetmed on Tour bereisen wir die Bundesländer und stellen den Tierärzten, wo die Studierenden Praktika machen können, das Curriculum vor. Anfangs habe ich vermutet, der Kommunikationsteil, der wird die erfahrenen Tierärzte sicherlich nicht interessieren. (lacht) Aber weit gefehlt, sie reagieren eigentlich durchwegs sehr positiv, sogar begeistert, und nehmen das Thema bestens an. Hier ist wirklich ein Wandel passiert.

Nehmen Sie etwaige Unterschiede punkto Kommunikation zwischen Kleintier- und Nutztierpraktikern wahr?
In der Kleintierpraxis ist der Tierarzt natürlich mit einem hohen emotionalen Stellenwert des Tieres konfrontiert. Es menschelt, es geht darum, dass das häufig als Familienmitglied betrachtete Haustier in besten Händen ist und liebevoll betreut wird. Die Kosten spielen da meist nicht die übergeordnete Rolle. 

In der Nutztierpraxis geht es selbstredend auch um den wirtschaftlichen Nutzen, um Rentabilität und Leistbarkeit. Diesen Aspekt muss der Tierarzt mitdenken und darf dabei nicht vergessen, dass Bauern und Züchter trotzdem eine sehr enge Beziehung zu ihren Tieren haben können. 

Wie soll der Tierarzt mit der Infoflut aus dem Web umgehen und sich selbst als Wissensträger positionieren? 
Da gilt es ebenfalls wieder, proaktiv zu sein, etwa zu sagen: Ich könnte mir vorstellen, Sie haben dazu schon nach Informationen gesucht; würde es Sie interessieren, wie meine Meinung dazu lautet? Oder: Würden Sie mir sagen, was Sie zu diesem Thema wissen, damit wir einen gemeinsamen Nenner finden können? Vorab zu googeln ist Realität, wir alle machen das. Und das ist ja per se nichts Schlechtes, sondern zeigt nur, dass jemand Interesse hat und etwas wissen möchte. Davor muss man weder Angst haben noch mit Ablehnung reagieren, im Gegenteil, das sollte wertgeschätzt werden. Generell gilt: Menschen sind überflutet mit Information. Deswegen brauchen sie eine Vertrauensperson, mithilfe derer sie diese Infos einordnen können. Ob der Patientenbesitzer die Meinung des Tierarztes akzeptiert, hängt davon ab, welche Beziehung die beiden haben. Ohne vertrauensvolle Beziehung verpufft die Information.

Gibt es einen Goldstandard für die gelungene Kommunikation seitens des Tierarztes? 
Wichtig ist es, sich in die Lage des Patientenbesitzers zu versetzen, sich zu fragen, was IHN interessieren würde. Sobald ich das herausgefunden habe, versuche ich, -die betreffenden Infos so zu formulieren, wie ich sie einem Zwölfjährigen vermitteln würde – also einem reflektierten, interessierten Menschen ohne großes Vorwissen. 

Es geht darum, den Patientenbesitzer dort abzuholen, wo er sich gerade befindet. Das mag einfach klingen, ist aber der große Knackpunkt, weil gerne vergessen wird, dass das Gegenüber nicht exakt denselben Wissensstand haben kann. Mit der Frage „Was beschäftigt Sie denn am meisten, was würden Sie denn gerne wissen?“ ist viel gewonnen. Das kann auch die Frage nach dem Preis sein, völlig egal – Hauptsache, der Tierbesitzer bekommt Gelegenheit, das anzusprechen. Und erst dann, wenn die -drängendsten Fragen des Tierbesitzers beantwortet sind, ist er auch aufnahmefähig und kann etwa einem Diagnose-gespräch aufmerksam folgen. Wenn ich gefragt werde, welche -Frage mich jetzt besonders beschäftigt, dann fühle ich mich wahrgenommen, und das fördert wiederum die Beziehung. Es hat also viele positive Effekte, wenn die Anliegen des Patientenbesitzers konkret erfragt werden. Das trifft aber nur dann zu, wenn man zuhört und auf die Bedürfnisse konkret eingeht.