Ute Grundt
Kommunikationsexpertin
Ausgabe 04/2022
Negative Kommentare auf Facebook und Co können ungerechtfertigt und verletzend sein – wie man trotzdem professionell bleibt und wie man am besten damit umgeht, erfahren Sie im vorliegenden Artikel.
Unsere Kommunikationsformen und der Austausch mit unseren Kund*innen haben einen starken Wandel vollzogen. Früher waren die Herausforderungen für Sie als Tierärzt*innen, sich beschwerende Kund*innen am Telefon und in der Praxis zu beruhigen; ebenso stand Ihr Expertenwissen nicht in Konkurrenz mit Dr. Google. Manche Kund*innen bringen ihre Internetdiagnose mit in die Praxis und konkurrieren mit Ihrer Diagnose und Ihren Behandlungsansätzen.
Die digitalisierte Kommunikation hat auch dazu geführt, dass Gespräche und Erfahrungen aus der Praxis ungefiltert in die digitale Welt und die sozialen Medien verlagert werden. Ich begegne Tierärzt*innen, die bei einer Unstimmigkeit mit Kund*innen sofort befürchten, dass eine negative Bewertung im Netz landet.
Die Schwerpunkte der negativen Kommentare liegen bei …
• den Kosten
• den Wartezeiten
• der Kommunikation mit den Praxismitarbeiter*innen
Für die Kommunikation haben Computer meiner Meinung die gleiche Wirkung wie Alkohol – beides enthemmt viele Menschen. Wären Sie sehr betroffen, wenn eine betrunkene Person im berauschten Zustand deplatzierte Kommentare zu Ihnen sagen würde? Wohl kaum.
Lesen Sie darum negative Kommentare unter diesem Fokus und nehmen Sie diese bitte nicht so auf, als wären sie Ihnen ins Gesicht gesagt worden. Es gibt ein sehr interessantes Zitat: „Die Art, wie dich jemand behandelt, sagt aus, was für ein Mensch er oder sie ist, und nicht, was für ein Mensch du bist.“ (Autor unbekannt)
Kund*innen, die nicht in der Lage sind, ihre Unzufriedenheit direkt mit Ihnen zu besprechen, nutzen sehr gerne die sozialen Medien, um ihrem Ärger Luft zu machen. Dieser Personengruppe fehlt das menschliche Vermögen für ein Konfliktgespräch.
Was passiert nun, wenn die Kund*innen ihre Unzufriedenheit und Frustration mit diffamierenden und geschäftsschädigenden Kommentaren in Google, Facebook und weiteren Plattformen ausdrücken?
Es führt zu Irritationen und Unruhe innerhalb des Teams. Die Gefahr ist groß, dass ungerechtfertigt Schuld zugewiesen wird. Tatsächliche Vorgänge können vielleicht nicht mehr komplett nachvollzogen werden. Die betroffenen Mitarbeiter*innen werden zumeist ausführlich über den Vorgang befragt – hier zeigt sich dann oft, dass in den Kommentaren wichtige Aspekte fehlen und vieles frei erfunden ist.
In solchen Situationen ist Ihre ganze Impulskontrolle gefordert. Es ist sinnvoll, nicht sofort auf so einen Kommentar zu antworten und den Verfasser*innen keine Kommentare einer Gegendarstellung entgegenzuschleudern. Nur allzu leicht läuft in solchen Situationen das Zeitmanagement mit Diskussionen, Recherchen und extrem aufwendigen Antworten aus dem Ruder. Ich frage mich, ob die Verfasser *innen der Kommentare es wirklich wert sind, so viel Zeit Ihres Teams zu bekommen.
Ideal ist es, wenn Sie für den Bereich der digitalisierten Kommunikation Mitarbeiter*innen einsetzen, die das Know-how und Fingerspitzengefühl haben, welche Konsequenzen eine Gegendarstellung und rechtfertigende Antworten haben. Oft werden die Verfasser*innen durch rechtfertigende Antworten eben genau ermutigt, nochmals nachzutreten. Bedenken Sie, wenn Sie diese Aufgabe an Ihre Mitarbeiter*innen geben: Es geht um das Image und die Außenwirkung Ihrer Praxis.
Gleichermaßen bedeutsam ist, dass Ihre Mitarbeiter*innen wissen, dass die Antwort nicht den Verfasser*innen der Kommentare gilt – die Antwort zielt auf die potenziellen Kund*innen Ihrer Praxis ab, die sich vor einem Besuch über Ihre Praxis informieren möchten.
Die tierärztliche Schweigepflicht verbietet es Ihnen, in einer Gegendarstellung zusätzliche Informationen zu den Verfasser*innen ins Web zu stellen. Dies ist etwas, das schwer zu ertragen ist, denn es bedeutet, dass Sie angeschuldigt werden und Vorgänge kaum richtigstellen dürfen. Lenken Sie ihren Fokus genau in diesen Momenten auf Ihre erfolgreichen Fälle und Ihre zufriedenen Kund*innen. Das ist die viel größere Gruppe, und diese verdient Ihre volle Aufmerksamkeit!
Generell ist es wichtig zu wissen, dass es Kund*innen von Unternehmen gestattet ist, ihre subjektive Meinung zu äußern. Der Gesetzgeber gestattet, dass Kund*innen schreiben: „Die Mitarbeiter*innen waren unfreundlich und arrogant.“ Die rote Linie im Gesetz ist jedoch mit einer sogenannten Tatsachenbehauptung überschritten. Ein Beispiel hierfür wäre: „Mein Hund war nach der stationären Behandlung total blutig und dreckig“ – hierfür müsste der Kunde, die Kundin einen Beweis erbringen.
Ohne Ausnahme ist es verboten, Namen der beteiligten Mitarbeiter*innen im Netz zu nennen. Es ist auch problematisch, wenn die Kund*innen ihre subjektiven Meinungsäußerungen mit Tatsachenbehauptungen vermischen. Im Falle einer gerichtlichen Auseinandersetzung müssen Richter*innen dann entscheiden, ob die Äußerung mehr subjektive Meinungsäußerung als eine Tatsachenbehauptung ist.
Wenn Sie sich entscheiden, wegen eines Kommentars rechtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, haben Sie einen hohen zeitlichen und finanziellen Aufwand. Sie sind dann deutlich länger und intensiver mit der Niveaulosigkeit beschäftigt. In dieser Zeit können Sie und Ihre Mitarbeiter*innen sich nicht um die Kund*innen und Patienten kümmern, die Ihre Leistung und Ihr Wissen schätzen und bezahlen.
Meinen Kund*innen empfehle ich, zunächst zu entscheiden, ob sie diesen Kunden, die Kundin weiterhin in ihrer Praxis haben möchten. Wird dies verneint, kann auf eine verdrehte Darstellung der tatsächlichen Vorkommnisse mit dem folgenden (etwas verkürzten) Schema geantwortet werden:
1. Nennen Sie in der Anrede immer den Google-Namen der Verfasser*innen.
2. Stellen Sie klar, ob sich der Kommentar innerhalb oder außerhalb des gesetzlichen Rahmens befindet.
3. Befindet sich der Kommentar außerhalb des gesetzlichen Rahmens, können Sie erwähnen, dass Sie sich rechtliche Schritte vorbehalten.
4. Äußerst wirksam ist es auch, auf aggressive Kommunikation gewaltfrei zu antworten.
Hier zwei Beispiele:
Sehr geehrte Frau Mäusezahn,
sehr geehrter Herr Mäusezahn,
wir haben Ihren Kommentar gelesen. Leider fehlen wichtige Aspekte in Ihren Aussagen. Die tierärztliche Schweigepflicht verbietet es uns, den Vorgang klarzustellen.
Ihr Kommentar befindet sich außerhalb des gesetzlich erlaubten Rahmens. (Wir behalten uns rechtliche Schritte vor).
Alles Gute für Sie.
Das Praxisteam
Alternativ:
[Anrede],
wir haben Ihren Kommentar gelesen. Schade, dass Sie nur mit Laptop und Maus zu uns sprechen. Es fehlen wichtige Aspekte in Ihrem Kommentar. Sie haben eine Gesetzeslinie übertreten.
Sollten die Verfasser*innen innerhalb des gesetzlichen Rahmens geblieben sein, ist es sehr wirksam für Ihr Image, wenn Sie ein Gesprächsangebot machen. In all den vielen Beratungen habe ich es nur einmal erlebt, dass die Kund*innen sich dann wirklich gemeldet haben.
Eine hilfreiche Vorgehensweise beim Umgang mit ungerechtfertigten Kommentaren ist es, ausgiebig den Punchingball in der Praxis zu bearbeiten oder Holz für einen arktischen Winter zu hacken. Anschließend fällt es Ihnen leichter, auf einen Kommentar mit „Wir haben Ihren Kommentar gelesen und möchten uns dazu nicht äußern“ zu antworten.
Web-Kommentare führen aber nicht nur zu Problemen, sondern bieten auch Chancen: Wenn zufriedene Kunden im Netz positive Erfahrungen, die sie mit Ihrer Praxis gemacht haben, teilen, kann Ihnen das eine große Anzahl neuer Kund*innen erschließen. Dies ist besonders vorteilhaft für Sie, wenn es darum geht, dass Sie einen speziellen Schwerpunkt in der Praxis voranbringen möchten – dann sind die Erfahrungen zufriedener Kund*innen ein großer Vorteil für Ihre Praxis. Hat eine Praxis viele Google-Rezensionen, zeugt dies auch davon, wie routiniert sie ist.
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