Die Bedeutung

des Miau

Tierärztin Tanja Warter

Susanne Schötz, eine schwedische Professorin für Phonetik an der Universität Lund, entschlüsselt die Sprache der Katzen. Bis 2021 möchte sie den Katzencode knacken. Kürzlich ist ihr erstes Buch darüber erschienen.

Katzenfreunde kennen das Phänomen: Das Miauen der Stubentiger klingt unterschiedlich, wenn Mieze ins Freie möchte, wenn sie Lust zum Spielen hat oder wenn sie hungrig ist. Das ist auch Susanne Schötz aufgefallen. Sie ist Phonetikerin und Professorin am medizinischen Institut der Universität Lund (Schweden). Normalerweise arbeitet sie mit menschlicher Sprache, vor allem Dialekten. Über ihre eigenen fünf Katzen kam sie auf das Thema der Katzensprache – und damit zu einem neuen Forschungsprojekt: Sie untersucht die Vokalisation von Samtpfoten. Genannt hat sie das Projekt „Meowsic“ – in Anspielung auf Musik. 

Frau Schötz, in Ihrem Beruf widmen Sie sich normalerweise menschlicher Sprache, den Aktionen der Zunge beim Reden, der Melodie, dem Rhythmus und der Lautstärke. Wieso haben Sie angefangen, zusätzlich die Katzensprache zu untersuchen? 
Ich kann meine phonetisch geschulten Ohren zu Hause nicht einfach ausschalten, und so ist mir schnell aufgefallen, dass die Vierbeiner in verschiedenen Situationen ganz unterschiedliche Variationen von Miaus von sich geben. Die Tonhöhen sind verschieden, ebenso die Melodien. Genau das sind Punkte, die wir bei menschlicher Sprache mit Apparaten analysieren. 

Aber Katzen kommunizieren ja auch mit dem Körper, nicht nur mit Lauten.
Das stimmt. Katzen untereinander kommunizieren sogar auf vier verschiedene Arten. Erstens mit Berührungen. Wenn zwei sich gern haben, kuscheln sie sich eng zusammen und pflegen gegenseitig ihr Fell. Zweitens über Körperhaltung und Bewegung: Sie machen sich groß oder klein, gehen einander aus dem Weg oder blockieren sich. Drittens, und das ist sehr entscheidend, über Gerüche und Düfte. Sie beschnuppern sich gegenseitig im Gesicht oder am Hinterteil und erkennen auch an Duftmarken, wer vor ihnen da war und ob es dem Artgenossen gut geht oder nicht. Diese Welt ist uns Menschen beinahe verborgen. Erst an vierter Stelle kommt die Vokalisation bei Katzen. 

In welchen Situationen findet sie Verwendung? 
In der Mutter-Kind-Beziehung zum Beispiel sind Laute wichtig. Auch im Sexualverhalten von Katzen spielen sie eine wichtige Rolle. Dann gibt es noch Vokalisation bei Aggressionen. Ansonsten ist Lautsprache der Katze-­Mensch-Kommunikation vorbehalten. Die Tiere dürften schon früh gelernt haben, dass es nichts bringt, lautlos vor einem leeren Fressnapf zu sitzen. Das kriegt der Mensch nicht mit. Wer intensiv miaut, findet hingegen Beachtung. Das ist auch nicht verwunderlich, denn die Miau-Frequenz ist dieselbe wie bei einem Baby, wenn es weint. Wir reagieren einfach schnell darauf.

Sind die Tonhöhen und Melodien bei Katzen von Situation zu Situation verschieden – oder auch von Tier zu Tier? 
Beides. Einerseits klingt es anders, ob eine Katze Hunger hat oder ob sie Kontakt will. Andererseits hat zusätzlich jede Katze ihre ganz persönliche Note. Ich kann bei jedem Miau sagen, welche meiner Katzen das war. Es gibt Katzen, die grundsätzlich viel gesprächiger sind als andere. Siamesen oder Bengalen geben beispielsweise gern viele Laute von sich. Aber auch unter den Hauskatzen gibt es Plaudertaschen und schweigsame Wesen. Immer wieder höre ich auch von Katzen, die ihr Leben lang ruhig waren und erst nach einem außerordentlichen Erlebnis anfangen, zu sprechen. Vielleicht begreifen sie erst dann, dass es sich lohnt, dem Menschen etwas mitzuteilen. Genaues wissen wir darüber noch nicht.   

Katzen schnurren ja auch. Lassen sich die Laute klassifizieren? Welche gibt es? 
Seit wir die Daten kontrolliert sammeln, ordnen wir sie in neun Kategorien: Miauen, Gurren, Gurr-Miauen, Heulen, Knurren, Fauchen, Kreischen, Schnattern und Schnurren. Das Miauen, egal in welcher Variation, heißt beispielsweise immer: „Ich will deine Aufmerksamkeit!“ Das Gurren ist eine freundliche Form der Begrüßung. Wir haben jeder Kategorie ein paar Deutungen zugeteilt. Außerdem unterteilen wir in Laute, für die sich das Maul öffnen und schließen muss, und solche, die bei geschlossenem Maul erzeugt werden können.

 
 

Und wie unterscheiden sich Tierlaute von Menschenlauten? 
Tiere geben nur einfache, unteilbare Wörter von sich, die gerade im Vergleich zu unserer komplexen menschlichen Sprache wenig variabel sind. Wir können beim Wort Maus das M wegnehmen und durch ein H ersetzen. Dann bekommt es eine völlig andere Bedeutung. Aber aus einem Miau machen Tiere kein Hiau, mit dem sie etwas anderes ausdrücken wollen. 

Wie kommen Sie denn zu Ihren Tonaufnahmen? 
Leider kann man einer Katze ja nicht das Mikrofon unter die Nase halten und sie auf Kommando miauen lassen. Wir sind also, so oft es geht, neben den Katzen mit Kameras unterwegs und haben einigen der Tiere auch kleine Kameras an das Halsband gehängt. Die Bilder zum Ton sind wichtig, denn wir wollen wissen, in welchen Situationen die Katze einen Laut von sich gibt. Die aufgezeichneten Laute übertragen wir auf den Computer, erheben die Dauer, die Frequenz, die Lautstärke, den Rhythmus und vor allem die Melodie. Auf der Melodie liegt unser Augenmerk, denn Worte und Grammatik haben die Tiere ja nicht. Es könnte sogar möglich sein, dass die Sprachmelodien von Katzen aus verschiedenen Regionen unterschiedlich klingen – so, wie auch menschliche Dialekte ihre eigenen Melodien haben. 

Im Ernst? Soll das heißen, die Wiener Katze maunzt anders als die in Bregenz?
Wir wissen es noch nicht, aber die Möglichkeit besteht. Immerhin haben Katzen gelernt, wie sie mit uns Menschen in Kontakt treten können. Da ist es naheliegend, dass sie von der menschlichen Sprachmelodie etwas übernommen haben.

Schaffen Sie spezielle Situationen oder erfolgen die Aufnahmen im Alltag? 
Wir machen beides. Zum Füttern oder beim Bürsten filmen wir regelmäßig. Das sind spezielle Situationen. Auch beim Spielen oder wenn wir Katzen mit einem Leckerli locken, sind wir gezielt mit den Kameras dabei. Andererseits versuchen wir auch, unverhoffte Laute im Alltag aufs Band zu bekommen. Es soll ein möglichst großes Spektrum sein.  

Welchen Nutzen kann es Ihrer Meinung nach haben, wenn wir die Katzen besser verstehen?
Es gibt einige Kritiker, die den Sinn dahinter nicht erkennen. Aber für die Veterinärmedizin ist es immens wichtig, genau zu wissen, was die Katze sagen will. Außerdem werden Katzen immer öfter als Therapeuten eingesetzt, beispielsweise in Seniorenheimen oder bei Kindern, um sie beim Lernen zu unterstützen. Je besser wir die Katze verstehen, desto besser das Leben, das wir ihr bieten können. Ich bin mir übrigens recht sicher, dass jedes Mensch--Katze-Team seine ganz individuelle Sprache miteinander hat. Auch das ist sehr spannend.

BUCHTIPP: 

Susanne Schötz,
Die geheime Sprache der Katzen,
ECOWIN 

Internet-tipp: 

Mehr Infos über das Projekt unter www.meowsic.info