Mag. Silvia Stefan-Gromen
Ausgabe 04/2025
Anlässlich unseres Nutztier-Schwerpunkts im Vetjournal hat sich Mag. Silvia Stefan-Gromen unter den Landesstellenpräsidenten zur aktuellen Lage der tierärztlichen Notdienstversorgung umgehört und folgende Statements eingeholt:
„In Tirol wird gerade eine Wochenend- beziehungsweise Feiertagsunterstützung für die Kolleg*innen implementiert. Das Land Tirol gibt dafür im heurigen Jahr ab Juli circa 800.000 € und im nächsten Jahr dann 1.600.000 € frei. Es werden sogenannte Versorgungs- und Seuchentierarztregionen (entsprechen in etwa den alten Sprengeltierarzteinteilungen) definiert, wo dann die Tierärzt*innen, die dort den Dienst verrichten, unterstützt werden.
Weiters hat das Land Tirol einen Fonds eingerichtet, um Praxisgründungen zu unterstützen und auch die Anstellung von neuen Kolleg*innen in bestehenden Praxen zu fördern. Auch kann in bestimmten Notfällen bei Ausfall der tierärztlichen Versorgung in einer Region eine Sonderförderung in Anspruch genommen werden, um z. B. Nachbarpraxen zu motivieren, dieses Gebiet zu versorgen. Im Raum stehen zudem geförderte Studienplätze für Student*innen, die sich verpflichten wollen, für eine gewisse Zeit in der Verwaltung amtstierärztlich zu arbeiten.
Parallel dazu erkennen immer mehr Bürgermeister*innen, Landwirtschaftsfunktionäre etc., dass es eine zusätzliche Förderung braucht, um junge Kolleg*innen in die Nutztierpraxis zu bringen. Es werden Wohnungen und Dienstautos zur Verfügung gestellt, teils wird auch gutes Kilometergeld bezahlt.“
„Trotz der demografiebedingt schwieriger werdenden Versorgungssituation wird die Akut- und Notversorgung im Nutztierbereich von den Tierärzt*innen mit viel Engagement und der Bereitschaft, die Landwirt*innen im Notfall nicht ‚hängen zu lassen‘, aktuell aufrechterhalten. Wie lange das in der Steiermark noch flächendeckend möglich sein wird, bleibt vorerst nur abzuwarten. In acht von 13 Bezirken sind freiwillige Notdienste für Wochenenden und Feiertage eingerichtet (in der Stadt Graz nur für Kleintiere). Die Bereitschaft der Landespolitik, langfristig haltbare Lösungen mit allen relevanten Stakeholdern/Institutionen ‚an einem Tisch‘ zu erarbeiten, war bisher nicht gegeben. Es gibt seitens des Landes zwar Einzelinitiativen (z. B. Förderung von Studienplätzen für Studierende, die sich verpflichten, nach Abschluss des Studiums im Landesdienst zu arbeiten); diese werden meiner Meinung nach aber zu keinen dauerhaft haltbaren Lösungen für das komplexe (und nicht auf den tierärztlichen Beruf beschränkte) Versorgungsproblem führen.
Die Problematik der tierärztlichen Versorgung (und damit auch der tierärztlichen Versorgung im Nutztierbereich, der Betreuung im Rahmen des TGD und der Akut- und Notversorgung) wurde der steirischen Landespolitik mehrfach (u. a. 2018 und 2021) zur Kenntnis gebracht. Bereits beginnend mit dem Jahr 2013 wurde auf Initiative der Veterinärdirektion gemeinsam mit der ÖTK-Landesstelle Steiermark an einer vertraglichen Lösung für die Tätigkeit von Tierärzt*innen bei Ausbruch gefährlicher Tierseuchen gearbeitet. Diese Initiative wurde nach mehreren Anläufen im Jahr 2020 aus rechtlichen und finanziellen Gründen (Verpflichtung der ÖTK, Tierärzt*innen zur Bestellung zu Seuchentierärzt*innen zur Verfügung zu stellen; finanzielle Vergütung nur im Tierseucheneinsatzfall) eingestellt. Eine vertragliche Regelung zur Erbringung von tierärztlichen Leistungen im Zusammenhang mit Bekämpfungsmaßnahmen im Tierseuchenfall wurde nicht weiter angestrebt.
Im Mai 2024 wurde ein Antrag der Neos in den Ausschuss Landwirtschaft des Steiermärkischen Landtags eingebracht: Es sollte geprüft werden, inwiefern eine Förderung des tierärztlichen Notdiensts ‚nach dem Vorbild Salzburgs möglich und sinnvoll wäre‘, und es sollte ‚bei positivem Ergebnis eine solche ausgearbeitet‘ werden. In der Stellungnahme und im Beschluss der steiermärkischen Landesregierung zu diesem Antrag vom 10. September 2024 stellte die Landesregierung fest, dass ‚zielführender als unterschiedliche Lösungsvarianten in jedem Bundesland … eine bundeseinheitliche Regelung unter Einbeziehung der Tierärztekammer und aller Bundesländer anzustreben‘ sei und ‚dazu (…) Gespräche mit dem zuständigen Bundesministerium geführt‘ werden. Der Bericht des Ausschusses für Landwirtschaft betreffend die Absicherung des tierärztlichen Notdiensts und die Orientierung am Beispiel Salzburgs wurde mit ‚zur Kenntnis genommen‘ vermerkt. Bisher wurde kein Kontakt mit der ÖTK-Landesstelle Steiermark aufgenommen; von einer bundesländerübergreifenden Initiative zur Lösung des ‚Problems tierärztlicher Akut- und Notversorgung im Nutztierbereich‘ ist in der Landesstelle bis dato nichts bekannt.“
„Im Burgenland kann auf eine langjährige erfolgreiche Durchführung des Nutztiernotdiensts zurückgeblickt werden. Als erstes Bundesland in Österreich wurde hier ein solcher Dienst erfolgreich etabliert. Der Nutztiernotdienst ist von Montag bis Freitag in der Zeit von 19:00 bis 23:00 Uhr, am Samstag von 12:00 bis 23:00 Uhr sowie am Sonntag von 08:00 bis 23:00 Uhr verfügbar.
Besonders erfreulich ist, dass sowohl die Organisation als auch die Auszahlung des Dienstes über das Land Burgenland und die burgenländische Landessicherheitszentrale abgewickelt werden.
Trotz dieser positiven Entwicklungen muss jedoch erwähnt werden, dass die Situation aufgrund des akuten Mangels an Tierärzt*innen angespannt bleibt. Besonders problematisch wird es, wenn eine oder zwei Tierärzt*innen ausfallen, da dann die Notdienstversorgung nicht mehr aufrechterhalten werden kann.“
„Im November 2022 wurde aufgrund der unbedingten Notwendigkeit eines tierärztlichen Notdiensts zur Versorgung der Groß- und Kleintiere an Wochenenden, Feiertagen und in den Nachtstunden mit dem Land Salzburg eine Vereinbarung getroffen.
Ein solcher Notdienst wurde seither etabliert und aus Landesmitteln unterstützt. Leider erfolgte bei den angeführten Tarifen seither keine Indexierung – diese sind daher immer noch unverändert gültig.
Es wurden folgende Rahmenbedingungen einvernehmlich erarbeitet:
Nutztierpraktiker
Bereitstellung von 13 tierärztlichen Wochenendnotdiensten (1 × Lungau, 2 × Pongau, 4 × Pinzgau, 2 × Tennengau und 4 × Flachgau). Der Wochenenddienst dauert von Freitag, 19:00 Uhr, bis Montag, 07:00 Uhr, (60 Stunden). Der Feiertagsnotdienst umfasst mit der Dauer vom Vortag, 19:00 Uhr, bis zum Tag danach, 07:00 Uhr; 36 Stunden. Es wird durchschnittlich von 15 Feiertagen pro Jahr ausgegangen.
Kleintierpraktiker im Zentralraum (Stadt Salzburg, Flachgau, Tennengau)
Für die Versorgung der Kleintiere im Zentralraum soll sowohl in den Nächten unter der Woche als auch an Wochenenden ein Notdienst eingerichtet werden. Somit wäre eine Versorgung von 168 Stunden (24/7) pro Woche gegeben. Der Wochenenddienst umfasst den Zeitraum von Samstag, 12:00 Uhr, bis Montag, 07:00 Uhr (43 Stunden), weil samstagvormittags einige Praxen Ordinationszeiten anbieten. Somit sind 52 Wochenenden, 15 Feiertage und 230 Nachtdienste (Fünf Nachtdienste pro Woche × 52 ergibt 260; abzüglich zweier Nächte pro Feiertag bleiben 230 Nachtdienste) zu unterstützen. Der Feiertagsnotdienst dauert vom Vortag, 19:00 Uhr, bis zum Tag danach, 07:00 Uhr (36 Stunden).
Im Jänner 2023 wurde eine zentrale Notrufnummer für den Kleintiernotdienst im Zentralraum eingerichtet. So muss nicht die lange Liste der Notdienste in den Medien bekannt gegeben werden – Patientenbesitzer können einfach die Notrufnummer wählen und der Anruf wird automatisch an den diensthabenden Tierarzt weitergeleitet. So kann auch auf kurzfristige Änderungen, etwa bei Krankheitsfällen, reagiert werden. Die Kosten für den Betrieb der Rufnummer übernimmt die Salzburger Tierärztekammer. Die Eingabe der Daten erfolgt durch Mitarbeiter*innen der Landesveterinärdirektion, da die Dienstpläne dort als Grundlage für die Verrechnung aufliegen.
Kleintierpraktiker in den Gebirgsgauen (Pongau, Pinzgau, Lungau)
Für die Versorgung der Kleintiere in den Gebirgsgauen soll für Wochenenden ein Notdienst eingerichtet werden, wobei für diese drei Bezirke je eine tierärztliche Praxis diesen Notdienst übernimmt. Die Versorgung in den Nächten unter der Woche wird durch den normalen Bereitschaftsdienst der freiberuflichen Tierärzte sichergestellt. Der Wochenenddienst dauert von Freitag, 19:00 Uhr, bis Montag, 07:00 Uhr, (60 Stunden). Der Feiertagsnotdienst für die maximal 15 Feiertage pro Jahr dauert vom Vortag, 19:00 Uhr, bis zum Tag danach, 07:00 Uhr (36 Stunden).
Vom Land Salzburg wird für diese zentrale Maßnahme zur Notversorgung von Groß- und Kleintieren eine Summe von ca. 750.000 € aufgewendet. Mit dieser Initiative von Landesrat Dipl.-Ing. Dr. Josef Schwaiger sollte die tierärztliche Gesundheitsbetreuung auch außerhalb der normalen Ordinationszeiten sichergestellt werden."
„Im Bundesland Kärnten wird von der Landesstelle Kärnten ein freiwilliger Notdienst an Wochenenden und Feiertagen organisiert, in aufwendiger Arbeit wochenaktuell koordiniert und in den relevanten Printmedien (‚Kleine Zeitung‘, ‚Krone‘, ‚Kärntner Woche‘, ‚Unterkärntner Nachrichten‘ und ‚Kärntner Bauer‘) veröffentlicht sowie auf der von der Landesstelle eingerichteten Homepage tierarzt-ktn.at angezeigt.
Auf diese Weise kann bis auf zeitweise Lücken in den Bezirken Spittal/Drau und Feldkirchen in ganz Kärnten für Tierhalter in der Groß- und Kleintierpraxis eine Ansprechstelle für eine kompetente tierärztliche Notversorgung angeboten werden.
Darüber hinaus sind viele Praxen erreichbar – meist für ihr eigenes Klientel –, haben sich jedoch aus den uns allen bekannten Gründen und Erfahrungen dazu entschlossen, nicht öffentlich als dienstbereit aufzuscheinen.
Die Verhandlungen mit der öffentlichen Hand gleichen im Ergebnismuster dem der Steiermark: Vonseiten des Agrarreferenten wird verlautbart, dass alles in bester Ordnung sei, die Tierärzte – ihrer ethischen Verpflichtung gemäß – den Notdienst versehen würden und keine Versorgungsprobleme bekannt seien.
Die Landwirtschaftskammer als Interessenvertretung scheint auf Tauchstation zu sein, die Reaktion beschränkt sich auf das Verfassen von Resolutionen. Als ‚effiziente Soforthilfemaßnahme‘ wurde von der LWK und dem Agrarreferat ein Vorbereitungskurs für das Aufnahmeverfahren an der VMU organisiert.
Wir haben im Nutztierbereich bereits Versorgungsprobleme, nicht nur im Notdienst, sondern generell im Lesachtal und in den oberen Bereichen des Drau-, Lieser- und Maltatals; diese werden sich in den nächsten drei bis fünf Jahren massiv verstärken. Eine nachhaltige Reaktion der Entscheidungsträger der Landes- und Standespolitik im Agrarsektor ist dringend gefordert!“