Dr. Astrid Nagl
Ausgabe 02/2025
Sie zeigen erst, dass etwas nicht stimmt, wenn es gar nicht mehr anders geht, und dann ist es oft schon zu spät: Die Besitzer*innen finden die Behandlung zu teuer und/oder können sie zu Hause nicht durchführen, weil die Medikamenteneingabe schwierig ist. Kleine Heimtiere gelten daher als besonders herausfordernde Patienten in der Kleintierpraxis. Viele Tierärzt*innen gehen deshalb dazu über, diese Tiere gleich an Spezialist*innen zu überweisen. Doch das muss nicht sein, sagt Dr. med. vet. Katarina Reitl, Fachtierärztin für Kleintiere sowie für Zoo- und Wildtiere. Sie erklärt, wie weiterführende Diagnostik auch bei Meerschweinchen, Hamstern, Mäusen oder Chinchillas gut gelingen kann.
Blutprobe – aber wie?
Eine Blutentnahme beim Meerschweinchen oder Chinchilla gehört meist nicht zu den Tätigkeiten, die Kleintierpraktiker*innen routinemäßig durchführen – mit etwas Übung und ein paar Tricks kann sie trotzdem gut gelingen. „Verwenden Sie eine Nadel mit 27 oder 29 G und brechen Sie den Konus ab, damit das Blut in der Nadel nicht so schnell gerinnt“, rät Dr. Reitl. „Ich selbst gebrauche gerne Spritzen-Nadel-Kombinationen.“ Auch eine Insulinspritze kann verwendet werden. Beim Kaninchen wird in der Regel die Arteria auricularis caudalis, also die mittig liegende Ohrarterie, für die Blutentnahme gewählt. Die Vena cephalica oder V. saphena können ebenso herangezogen werden wie die V. femoralis; bei Ratten auch die ventrale Schwanzvene.
Da die Blutentnahme selbst für gesunde Tiere sehr stressig sein kann, sollte eine Sedierung in Betracht gezogen werden. Während ein Hautgeschabsel beim Kaninchen oder beim Meerschweinchen meist auch im Wachzustand gelingt, ist für Feinnadelaspirationsbiopsien oft schon eine Sedierung notwendig – für tiefe Hautbiopsien sowieso. Die Sedierung sollte mithilfe von Isofluran schonend durchgeführt und kurz gehalten werden. „Für eine Hautbiopsie sollte außerdem eine Lokalanästhesie durchgeführt werden“, fügt Dr. Reitl hinzu. „Die Isoflurannarkose reicht für einen solchen Eingriff nicht aus.“ Wichtig ist, dass die Wärmeversorgung gesichert ist und die Patienten auch in der Sedierung durchgehend gut überwacht werden.
Hören Sie dazu auch unsere Podcast-Folge:
Die Lösung heißt nicht mehr Enrofloxacin
Angesichts der neuen Regelungen zur Abgabe von Antibiotika ist der Einsatz von Enrofloxacin als „schnelle Lösung vieler Probleme“ bei Kaninchen und Meerschweinchen keine Option mehr. Eine bakteriologische Untersuchung und die Erstellung eines Antibiogramms sind somit in vielen Fällen unerlässlich. Immerhin wird der gefürchtete Satz „Hören Sie, um so viel Geld kann ich mir ja ein neues kaufen!“ immer seltener ausgesprochen. „Die Wahrnehmung der Tierbesitzer*innen hat sich in den letzten Jahren zum Glück verändert, was die Behandlung der kleinen Heimtiere betrifft“, meint Dr. Reitl. „Viele Menschen sind durchaus bereit, Zeit und Geld in die Diagnostik und die richtige Therapie zu investieren, um ihrem Tier zu helfen.“
Diagnostisch aufarbeiten, gezielt behandeln
Das Ergebnis beeinflusst nicht nur die Wahl der Medikamente, sondern auch die Prognose. „Werden zum Beispiel bei einer Hautveränderung maligne Zellen gefunden, schränkt das die Behandlungsmöglichkeiten natürlich ein. Es erspart dem Tier aber auch wochenlange unnötige Therapie mit wechselnden Antibiotika und anderen Medikamenten“, so Dr. Rietl. Die Spezialistin sieht solche Patienten oft, nachdem schon eine zweite oder dritte Meinung eingeholt wurde. „Aus meiner Sicht wäre es gut, den Besitzer*innen möglichst beim ersten Termin zu erklären, welche diagnostischen Möglichkeiten es gibt. So erhalten die Tiere schneller eine gezielte und sinnvolle Therapie.“
Diese Therapie ist nämlich oft aufwendiger als bei Hund und Katze. Die Dosierung der Medikamente muss genau berechnet und oft müssen diese auch selbst angemischt werden, weil sie nicht in der passenden Dosierung zur Verfügung stehen. Die Eingabe stellt die Besitzer*innen oft vor eine große Herausforderung und muss vielleicht mehrmals gezeigt und erklärt werden. Doch alle Patienten haben ein Recht auf unsere Zeit und eine korrekte Fallaufarbeitung, meint Dr. Reitl: „Nur weil sie klein sind, ist unsere Expertise ja nicht weniger wert!“
Weiterführende Literatur:
Praxisbuchreihe „Kleintier konkret“, Enke Verlag:
Ewringmann, A. (2016): Leitsymptome bei Kaninchen
Ewringmann, A., Glöckner, B. (2012): Leitsymptome bei Meerschwein, Chinchilla und Degu
Ewringmann, A., Glöckner, B. (2014): Leitsymptome bei Hamster, Ratte, Maus und Rennmaus
Keeble, E., Meredith, A. (2009): BSAVA manual of rodents and ferrets.
Redrobe, S., Paterson, S. (Ed.) (2006): Skin diseases of exotic pets. Oxford; Blackwell Science.
Dr. med. vet. Katharina Reitl ist Fachtierärztin für Kleintiere und Fachtierärztin für Wild- und Zootiere. Sie ist in der Tierärztlichen Ordination Tiergarten Schönbrunn in 1130 Wien tätig und hat sich auf die Behandlung von kleinen Heimtieren und Exoten spezialisiert.