Der Stör

als Nutztier

Dr. Heinz Heistinger
Vorsitzender der ÖTK-Fachtierarztprüfungskommission Fische

Kaviar blickt auf eine lange und geschichtsträchtige Vergangenheit zurück. Doch die Kaviar liefernden Störe können erst seit einigen Jahren in Aquakulturanlagen herangezogen werden. Auch  diese – wiewohl außergewöhnliche –  Art der Nutztierhaltung kann  ein interessantes Aufgabengebiet für den tierärztlichen Beruf sein.

Störe werden erst seit einigen Jahren in Aquakultur gehalten bzw. zur Geschlechtsreife herangezogen. In ganz Europa sind zurzeit 30 Aquakulturbetriebe, die Kaviar erzeugen, registriert; in Österreich sind es derzeit fünf. Während im vorigen Jahrhundert verschiedene Stör-­Hybriden in Warmwasseranlagen und Teichen aufgezogen wurden, werden nun zunehmend wieder reine Arten mit dem Ziel der Kaviargewinnung gehalten. Letztlich haben sich von diesen vor allem der Sibirische Stör (Acipenser ­baerii) und der Russische Stör (Acipenser gueldenstaedti) als für die Aufzucht in Teichen und technischen Kreislaufanlagen geeignet durchgesetzt. 

Ökonomischer Hintergrund

Das ursprüngliche Ziel der Fischzüchter war die Erzeugung von Stören für den direkten Konsum und für Besatzzwecke zur Vergesellschaftung mit anderen Fischarten, da zu diesem Zeitpunkt die Kaviarernte aus wild lebenden Fischen rentabler erschien, als in die angewandte Forschung zur Störhaltung in Aquakulturanlagen zu investieren. Vor etwa 20 Jahren wurden deshalb im internationalen Handel noch 120 Tonnen Wildkaviar abgesetzt. 

Durch den Rückgang des Aufkommens an Wildkaviar aus den Haupterzeugerländern am Kaspischen Meer, durch die weitere Verringerung des Angebots durch die Listung aller 27 Störarten in den Anhang 2 des Washingtoner Artenschutzabkommens im Jahr 1997 sowie durch die weitgehende Unterbindung des Handels durch die Exportkontrolle nach CITES 1 hat sich aber seit einigen Jahren die Störhaltung in Aquakulturanlagen mehr und mehr dem Zweck der Kaviarerzeugung zugewandt. 

Von damals bis heute ist die weltweite Menge an jährlich geerntetem Wildkaviar auf deutlich unter zehn Tonnen gesunken. Demgegenüber ist die jährliche Erzeugung von Farmkaviar auf 50 Tonnen gestiegen. 

Physiologie und Haltungsbedingungen

Alle Störarten, die für die Kaviarerzeugung infrage kommen, brauchen an die zehn Jahre bis zur Geschlechtsreife. Auf eine Überwinterungsperiode (Winterruhe) kann aufgrund der Physiologie dieser Fische nicht verzichtet werden, sodass sich diese Aufzuchtdauer bis zur Ovarialreife auch unter konstanten Warmwasserbedingungen in Kreislaufanlagen nicht wesentlich verkürzen lässt. Um Kaviar zu erzeugen und schließlich zu ernten, ist also eine lange Aufzucht erforderlich, die entsprechend lange Kapital­vorlagen des Aquakulturunternehmens erfordert. 

Bis heute haben sich kombinierte Teich/Kreislauf-Aquakultursysteme bewährt, in denen sich – bedingt durch die lange Aufzucht und Haltung der Fische bei möglichst ­naturnahen Verhältnissen – auch die Kaviarqualität gegenüber der reinen Kreislaufanlagenhaltung signifikant steigern ließ. 

Kaviarqualität – Größe und Geschmack

Als „Kaviar“ dürfen nur unovulierte Eier von Fischen der Familie der Acipenseridae bezeichnet werden, die vom Bindegewebe der Ovarien getrennt wurden. Zur Konservierung sind in Europa nur Salz und/oder Borax zulässig, wobei der Salzgehalt des Endprodukts 5 % nicht überschreiten darf. Kaviar vom Sibirischen Stör (Acipenser baerii) hat bei der Ernte einen Eidurchmesser von etwa 2,5 bis 3,2 Millimetern, Kaviareier vom Hausen (Huso huso) können sogar bis zu vier Millimeter erreichen. 

Der Fettgehalt von Kaviar aus Aquakulturfischen unterscheidet sich unwesentlich von Wildkaviar und kann zwischen zehn und zwanzig Prozent betragen. Allerdings war die Fettsäurezusammensetzung in Kaviar aus Aquakulturen lange Zeit eine deutlich andere und konnte nur durch die Entwicklung eigener Futtermittel sowie durch eine Verbesserung und Weiterentwicklung der Haltungsbedingungen nahezu ausgeglichen werden. 

So enthielt bis vor Kurzem der Kaviar aus Aquakultur­fischen einen signifikant höheren Gehalt an Linolen­säure und einen niedrigeren Gehalt an Arachidonsäure als der Kaviar von Wildfängen. Da aber gerade das Fettsäuremuster den Geschmack erheblich beeinflussen kann, wird weiterhin angestrebt, Fettgehalt und Fettsäure­zusammensetzung so weit wie möglich den Eigenschaften des Wildkaviars anzugleichen. Da zur Kaviargewinnung gemäß Tierschutzgesetz und Tierschutzschlachtverordnung Störe betäubt, getötet und entblutet werden müssen, hat die Optimierung der eingesetzten Futtermittel auch den Marktwert des Fischfleisches deutlich gehoben. 

Aufgaben des Betreuungstierarztes 

Neben der klassisch tierärztlichen Bestandsbetreuung im Rahmen des Aquakulturprogramms im Österreichischen Tiergesundheitsdienst ist für den Kaviarproduzenten die Zusammenarbeit mit seinem Betreuungstierarzt vor allem hinsichtlich aktueller Wissensvermittlung und Eigenkontrolle der nationalen und internationalen Veterinärrechtsvorschriften von größter Bedeutung. Eine große Gewichtung wird deshalb vor der Ernte auch auf Qualitätskontrollen und Präventivmedizin gelegt. 

Kaviar wird international gehandelt und erfreut sich als sinnliche Delikatesse weltweit zunehmender Beliebtheit bei herausragenden Gourmetköchen und deren Gästen. Das Gramm Kaviar in Premiumqualität kostet derzeit etwa zwei Euro. Zwar wäre dieser Preis bei mehrfacher Kaviarernte pro Tier niedriger, jedoch ist die chirurgische Entnahme der Eier bei anschließender Wundversorgung tierschutzrechtlich verboten. Dementsprechend hoch ist die Verantwortung bei der Entscheidung, einen Rogner – also einen weiblichen Fisch, der Rogen enthält – nach zehnjähriger Lebensdauer der Schlachtung zuzuführen.

Ob ein Störweibchen Kaviar hat, kann veterinärmedi-zinisch einwandfrei mittels Ultraschall festgestellt werden. Diese Untersuchung ist entweder über das Wannenwasser oder direkt durch ventrales Anlegen des Schallkopfes leicht caudolateral des Brustflossenpaares möglich. Nach sonographischer Ortung der Ovarien lässt sich der reife Kaviar als Ansammlung regelmäßiger und homogener, echodichter Kugeln bestimmter Größe darstellen. Bei sehr wertvollen Tieren wird der Ultraschallbefund noch zusätzlich durch eine Biopsie-Probe mit anschließender sensorischer Ei-Beurteilung bestätigt. Entscheidet man sich zur Schlachtung und Entnahme des Kaviars, sollten aus geschmacklichen wie auch lebensmittelhygienischen Gründen nicht mehr als 25 Minuten zwischen Entnahme und Abfüllung vergehen. 

Die Sonographie hat sich auch als zuverlässigste Methode zur Geschlechtsdifferenzierung der Tiere im dritten oder vierten Lebensjahr etabliert. Diese Untersuchung ist allerdings nur beim sedierten Fisch möglich.