Bettina Kristof
Ausgabe 10/2019
Frau Professor Iben, wieso ist die Ernährung für die Darmgesundheit von Tieren so wichtig?
Die Hauptaufgabe des Darms ist es, die Nahrung zu verdauen und zu absorbieren. Das Darmepithel ist die Schnittstelle zwischen Innenwelt und Außenwelt des Körpers. Damit ist das Darmepithel ständig mit großen Mengen von Antigenen von außen, die mit der Nahrung in den Körper kommen, mit der Mikrobiota und mit -potenziell pathogenen Bakterien konfrontiert. Das intestinale Immunsystem ist das größte Reservoir an T- und B-Lymphozyten – Memory Cells –, das angepasste Immunantworten im Gastrointestinaltrakt geben kann. Es spielt eine zentrale Rolle gegen Infektionen, muss aber tolerant gegen harmlose Antigene im Futter sein. Es findet ständig eine Interaktion zwischen der Nahrung, den Mikroben und dem darmassoziierten Lymphgewebe statt. Eine gesunde Bakterienvielfalt im Darm ist notwendig, um besser resistent gegen Pathogene zu sein, eine gewisse Robustheit gegen sich ändernde Bedingungen und ein starkes Immunsystem zu haben. Nützliche Bakterien können antimikrobielle Substanzen wie Bacteriocine -bilden und auch kurzkettige FS, welche wiederum die Immunantwort fördern.
Kann man einen gesunden Darm durch Zusatzstoffe in der Ernährung fördern?
Man kann die Darmbakterien durch bestimmte Stoffe -beeinflussen, etwa durch Prebiotika. Prebiotika müssen folgende Eigenschaften haben: Sie sind resistent gegen die Magensäure, gegen die körpereigenen Enzyme im Darm und gegen Resorption. Sie sind durch nützliche Darmbakterien fermentierbar und sie sind fähig, die Vermehrung und die Aktivität spezieller Mikroben, die eben mit Gesundheit und Wohlbefinden des Wirtsorganismus in Zusammenhang stehen, zu fördern. Die meisten verwendeten Prebiotika sind Fructooligosaccharide, Galactooligosaccharide, Mannan-Oligosaccharide, Inulin, Polydextrose, Ballaststoffe wie Flohsamen oder auch resistente Stärke. Dass Prebiotika einen günstigen Effekt auf die Darmgesundheit haben, weiß man schon lange, allerdings wird derzeit versucht, herauszufinden, auf welcher Wirkungsweise dies beruht. Es gibt zahlreiche aktuelle Forschungsarbeiten auf diesem Gebiet. Daraus geht beispielsweise hervor, dass Prebiotika verschiedene Komponenten des Immunsystems beeinflussen können und die Immun-antwort durch Förderung verschiedener Komponenten des Darmimmunsystems verbessern. Sie erhöhen die anti-inflammatorische Cytokinexpression und regulieren die Expression von proinflammatorischen Cytokinen.
Prebiotika modulieren die Immunantwort durch Verhinderung der Anhaftung von Pathogenen an die Schleimhaut, das heißt, das reduziert die Invasion von Pathogenen in die Schleimhaut. Sie sind auch hilfreich in der Aktivierung von dendritischen Zellen und verstärken so die spezifische zelluläre Immunabwehr. Prebiotika verbessern die dichte Verbindung – Tight Junction – zwischen den Epithelzellen, was ebenfalls das Durchdringen von Pathogenen durch die Mukosabarriere reduziert. Eine aus unserem Institut stammende Metaanalyse zum Thema Wirkung resistenter Stärke beim Schwein hat kürzlich gezeigt, dass der pH-Wert im Darm gesenkt und die Anzahl der Bifidobakterien und Laktobazillen erhöht wird, was wiederum potenziell pathogene Bakterien verdrängen kann. Ein Einsatz von zehn bis 15 Prozent resistenter Stärke ist notwendig, um diesen Effekt zu erreichen. Resistente Stärke zählt zu den Ballaststoffen, ist also eine nicht im Dünndarm -abbaubare, aber von Darmbakterien fermentierbare Stärke. Der Einsatz von Hefezellwänden, die hauptsächlich aus Mannan-Oligosacchariden und Glucan bestehen, verursacht bei Katzen dosisabhängig einen Anstieg an nützlichen Darmbakterien – Laktobazillen, Bifidobakterien – und eine Abnahme von Clostridium perfringens.
Können Sie mir ein Beispiel nennen, wo der Einsatz von Prebiotika geholfen hat?
Neben Lactulose, die zwar nur ein Zweifachzucker, aber resistent gegen die körpereigenen Verdauungsenzyme ist und die vielfach therapeutisch bei Hund und Katze eingesetzt wird, kann man oft Verbesserungen von Verdauungs-störungen durch Zusatz von Ballaststoffen wie etwa Flohsamenschalen oder Rübenfasern erreichen. Die tägliche Gabe von Flohsamen führt nach eigenen Erfahrungen bei Katzen, die häufig erbrechen, zu einer Verminderung der Häufigkeit des Erbrechens. Oft kann durch -derartige Zusätze die Kotkonsistenz verbessert werden, und bei Darmentzündungen wirken Prebiotika unterstützend.
Gibt es außer den Prebiotika weitere Zusatzstoffe, die sich günstig auf das Darmmilieu auswirken?
Probiotika sind lebende Bakterien, die normalerweise im Darm vorhanden sind und eine günstige Wirkung ausüben. Probiotika müssen resistent gegen Magensäure und Gallensäuren sein, im Darm eine metabolische Aktivität entfalten können, sie sollen die Gesundheit fördern und sie müssen sicher sein, also keinesfalls pathogen, und genetisch stabil. Die ersten Arbeiten zu Probiotika gab es bereits im Jahr 1906, und immer noch wird diesem Bereich viel Forschungsarbeit gewidmet. Eine kürzlich veröffentlichte Arbeit beschäftigt sich mit der Wirkung eines Lactobacillus johnsonii–Stammes beim Ferkel. Der Stamm wurde aus mehreren Isolaten nach In-vitro-Untersuchung seiner Säure- und Gallensäurenresistenz, seiner Adhäsionsfähigkeit an die Darmschleimhaut von Ferkeln und der Produktion von kurzkettigen Fettsäuren ausgewählt. In einem Infektionsversuch mit Salmonella infantis konnte deutlich die protektive Wirkung des Probiotikums gezeigt werden.
Beim Hund zeigt eine aktuelle Studie, dass Probiotika – Laktobazillen, Bifidobakterien – die Gesundheit von Hunden mit Durchfall durch eine Beeinflussung der Darmmikrobiota verbessern. Bei den behandelten Hunden zeigte sich eine signifikant höhere Diversität. Die Häufigkeit einiger nützlicher Bakterien nahm zu, während fakultativ pathogene wie Clostridium perfringens und andere abnahmen. Auch auf verschiedene Stoffwechselwege wurden mittels einer metagenomischen Analyse günstige Einflüsse nachgewiesen. Bei älteren Hunden führte eine tägliche Probiotikagabe – Lactobacillus casei Zhang, Lactobacillus plantarum P-8 und Bifidobacterium animalis subsp. lactis V9 – zu einer Förderung günstiger Darmbakterien. Außerdem wurden die Futteraufnahme und die Gewichtszunahme gefördert, Immunparameter und Entzündungsfaktoren -wurden ebenfalls günstig beeinflusst. In dieser Studie wurde auch gezeigt, dass die positive Wirkung der Probiotika bei älteren Hunden stärker ausgeprägt war als bei jüngeren Tieren. Eine weitere Studie an Hunden zeigte, dass Kefir einen ähnlich günstigen Effekt auf die Darm-mikrobiota bewirkte. Synbiotika sind schließlich -Zusätze, die Pre- und Probiotika enthalten, sodass die Vorteile beider Zusätze zur Verfügung stehen.
Was kann man noch tun, um die Darmgesundheit zu fördern?
Funktionelle Pflanzenstoffe können ebenfalls positiven Einfluss auf die Darmgesundheit haben. Es gibt ein von der EU genehmigtes botanisches Futterzusatzmittel, bestehend aus Carvacrol, Zimtaldehyd und Paprika-Oleo-resin, das bei Broilern getestet wurde. Bei Masthühnern hat es die Leistung verbessert, und es konnte ein Einfluss auf die intestinale Mikrobiota nachgewiesen werden. Es gibt eine Vielzahl von Studien zu den unterschiedlichen funktionellen Pflanzenstoffen, und das Thema wird auf der Suche nach Alternativen zu Antibiotika auch in Zukunft vermehrt bearbeitet werden.