Dass alle Erkrankungen im Darm beginnen, hat schon Hippokrates vor knapp 2.500 Jahren prophezeit, wohl ohne die genaue Zusammensetzung des Darms und der Nahrung zu kennen. Heute wissen wir, dass das Mikrobiom des Darms aus Milliarden von Mikroorganismen besteht und für die Gesundheit von Mensch und Tier von großer Bedeutung ist. Ein Ungleichgewicht dieses mikrobiellen Ökosystems durch falsche Ernährung und Stress ist für unterschiedliche Krankheitsbilder bis hin zu chronischen Entzündungen und systemischen Erkrankungen verantwortlich. In Nutztierbeständen sind Darmgesundheitsstörungen die häufigste Erkrankung. Gesunde und leistungsfähige Nutztiere sind jedoch für die Produktion hochwertiger und sicherer Lebensmittel sowie eine wirtschaftlich erfolgreiche Landwirtschaft extrem wichtig. Um die Darmgesundheit von Nutztieren zu erforschen, wurde vor Kurzem ein neues Christian-Doppler-Labor (CD-Labor) für Innovative Darmgesundheitskonzepte bei Nutztieren an der Vetmeduni Wien eröffnet. Wir sprachen darüber mit Univ.-Prof. Dr. Qendrim Zebeli, dem Leiter dieses neuen CD-Labors.
Herr Prof. Zebeli, was genau ist die Zielsetzung des neuen CD-Labors für Innovative Darmgesundheitskonzepte bei Nutztieren?
Wir haben drei grundlegende Ziele: Zum einen wollen wir ein besseres Verständnis für das gigantische Organ Darm schaffen. Wir haben den Darm bis jetzt nur als Verdauungsorgan betrachtet, das in der Lage ist, aus dem Futter Energie und Nährstoffe zu gewinnen, damit das Tier wächst und produziert. Wir wissen aber mittlerweile, dass der Darm viel mehr kann: Im Darm lebt das Mikrobiom, das ein unglaubliches Potenzial für die Tiergesundheit hat. Im Darm liegt auch das wichtigste Immunorgan des Körpers, welches durch das Mikrobiom moduliert werden kann. Einfach ausgedrückt wollen wir durch Grundlagenforschung ein besseres Verständnis über dieses Superorgan gewinnen. Das zweite Ziel ist es, die Diagnostik bei Darmstörungen zu verfeinern und zu verbessern. Dazu werden wir innovative Biomarker entwickeln, mit deren Hilfe Darmstörungen frühzeitig erkannt werden können; lange bevor der Darmstoffwechsel entgleist.
Darauf aufbauend wollen wir als dritten Schwerpunkt neue Präventionsmaßnahmen erarbeiten. Wenn ich schneller diagnostizieren kann, kann ich Entgleisungen gezielt vorbeugen. Derzeit ist es so, dass erst behandelt wird, wenn das Tier krank ist. Vorbeugung greift mit den bisherigen Methoden viel zu kurz, wäre aber wichtig. Dafür braucht man gezielte Fütterungsstrategien, die wir jetzt erarbeiten.
Aus welchen Disziplinen setzt sich Ihr Forschungsteam zusammen?
Wir haben ein relativ großes Labor, das aus zwei Modulen besteht: Das Hauptmodul ist am Campus an der Vetmeduni Vienna, ein zweites Modul forscht im Interuniversitären Department für Agrarbiotechnologie in Tulln, das zur Boku gehört. Das Team setzt sich aus unterschiedlichen Fachleuten zusammen: TierärztInnen, TierernährungsspezialistInnen, MikrobiologInnen, PhysiologInnen, analytische ChemikerInnen und StatistikerInnen, also ein wirklich breites Spektrum an ForscherInnen, die gemeinsam arbeiten und die Sache aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchten. Unterstützt wird das Labor von der Biomin GmbH, einem forschungsorientierten Unternehmen, das in Niederösterreich ansässig und weltweit aktiv ist.
Wie gehen Sie bei der Forschung vor?
Wir haben eine Strategie entwickelt, die auf mehreren Stufen basiert. Wir arbeiten zum einen mit In-vitro-Modellen. Da haben wir verschiedene Darmmodelle etabliert, bei denen wir gezielt isolierte Stoffwechselvorgänge betrachten können. Außerdem haben wir sogenannte Ex-vivo-Modelle, bei denen wir mit isolierten Darmgeweben arbeiten können. Dann forschen wir noch direkt an Nutztieren wie Rindern und Schweinen auf unseren Höfen.
Wie sieht Ihr Forschungsansatz aus?
Um tief greifende Erkenntnisse und Wissen zu generieren, verwenden wir molekularbiologische und computergesteuerte physiologische Methoden. Wir gehen dabei ziemlich tief und können die Mikroben und den Wirt auf Molekül- und Metabolit-Ebene durchleuchten. Das hilft, um zu verstehen, welche Mikroben und deren kleine Metaboliten für das Tier nützlich oder aber schädlich sein können. Dieses Wissen, das da generiert wird, wird mit bioinformatischen Methoden verknüpft und anschaulich gemacht. Die Ergebnisse werden wir TierärztInnen und der interessierten Öffentlichkeit zur Verfügung stellen.
Wann rechnen Sie mit Ergebnissen?
Unser Forschungsprojekt wird sieben Jahre dauern. Unsere Teams arbeiten sehr eifrig und die ersten Erkenntnisse werden bald kommuniziert.