Cerebrale Dermoidzyste

bei der Katze

Dr. Dietmar Schnötzinger
Dipl. Tzt. Franz-Pius Traintinger

Tierklinik Schwanenstadt

Unseres Wissens ist dies der erste beschriebene Fall einer primär intrakranial gelegenen Dermoidzyste bei einer Katze, welche erfolgreich entfernt werden konnte. Ab dem ersten Tag post-OP wurden bei der Katze nie wieder epileptische Anfälle beobachtet.

Einleitung

Erkranken ältere Katzen an Epilepsie, so ist diese zumeist sekundären Ursprungs. Im vorliegenden Fallbericht konnte mittels MRT eine Dermoidzyste als seltene Ursache diagnostiziert werden. Nach chirurgischer Resektion der Zyste zeigte die Katze keine epileptischen Anfälle mehr. Mittels MRT und CT konnte die Rezidivfreiheit nach drei und 15 Monaten bestätigt werden.

Anamnese und klinische Untersuchung

Eine zehnjährige, weibliche, kastrierte EKH-Katze wurde vorstellig. Die Besitzerin berichtete, dass die Katze in den vergangenen drei Monaten immer seltener Harn abgesetzt und in den letzten vier Tagen gar keinen Versuch mehr dazu unternommen hatte. Auch das Allgemeinverhalten war zunehmend vermindert. Des Weiteren zeigte die Katze seit zwei Jahren trotz Therapie mit Phenobarbital drei bis vier epileptische Anfälle pro Monat. Bei der klinischen Untersuchung, welche ansonsten ohne Auffälligkeiten war, konnte eine stark gefüllte Blase palpiert werden, die sich abgesehen von der Größe sonographisch unauffällig darstellte. Ein erniedrigter Hämatokritwert sowie eine erhöhte ALT waren die einzigen, jeweils geringgradig abnormen Blutbefunde.

MRT

Da verändertes Verhalten (Harnabsatz) und Epilepsieerkrankung eine Ursache im Encephalon vermuten ließen, wurde eine MRT-Untersuchung durchgeführt (T2, FLAIR, T1 prä und post Kontrastmittel, je in verschiedenen Körperebenen).

Im Bereich des linken Riechhirns und Frontallappens war eine unregelmäßig geformte, aber gut abgrenzbare Masse feststellbar, welche sich in die Nasenhöhle sowie den Sinus sphenoidalis ausdehnte und kaudal bis an den Thalamus reichte. Die Läsion stellte sich in T1 wie T2 sehr inhomogen mit hyper- wie hypointensen Anteilen in beiden -Sequenzen dar. Peripher war eine zarte ringförmige Kontrastmittelanreicherung feststellbar.

Auffällig war weiterhin eine tubuläre Struktur von homogenem hyperintensem Signal in den T1-Sequenzen, welche entlang der Falx cerebri den rostralen Anteil der Masse mit dem Scheitel verband. Dort endete sie, ohne durch den Knochen nach dorsal zu treten. Außerdem war eine rechtsseitige mittelgradige Ventrikulomegalie mit Midline-Shift nach links vorhanden.

Die rostral und ventral gelegene Masse wurde für die klinisch relevantere Veränderung gehalten. Überschneidende Bereiche deutlicher Hyperintensität in T1 und T2 bei gleichzeitig ausgeprägter Heterogenität und ringförmiger Kontrastmittelanreicherung ließen eine Dermoidzyste vermuten. Differenzialdiagnostisch kam vor allem ein neoplastisches Geschehen infrage. Da sich keine Hinweise auf eine Infiltration des umgebenden Nervengewebes fanden, entschlossen wir uns zur chirurgischen Entfernung der Masse.

Chirurgie und Pathologie

Mithilfe pneumatischer Fräse und Luer-Zange wurde eine modifizierte transfrontale Kraniotomie mit Erweiterung Richtung Nasenhöhle durchgeführt. Durch die innere Lamina des Os frontale und die Lamina cribrosa wurde die große Schädelhöhle eröffnet.

In Übereinstimmung mit der MRT fand sich eine umkapselte Masse im Frontallappen und im Riechhirn. Der Inhalt der Läsion wurde mittels Pinzette, Stieltupfer und scharfen Löffels möglichst vollständig entfernt. Im kaudalen Bereich geschah dies zur besseren Visualisierung unter Zuhilfenahme eines Arthroskops. Der Inhalt stellte sich von weißgräulicher Farbe und teigig-bröckeliger Konsistenz ohne festen Zusammenhang in sich oder mit der Kapsel dar. Stellenweise hatte man den Eindruck eines feinen Flaums, Blutungen oder Verkalkungen ließen sich makroskopisch nicht feststellen.

Die Wand der Zyste konnte durch vorsichtiges Aufwickeln auf Wattestäbchen entfernt werden. Der Wundverschluss erfolgte ausschließlich durch Naht von Unterhaut und Haut. Die zur Pathohistologie eingesandte Zystenwand wurde als mehrschichtiges, verhornendes, epidermisartiges Epithel mit darunterliegenden Haarschäften, talg- und schweißdrüsenähnlichen Strukturen beschrieben. Dieser Befund bestätigte die Verdachtsdiagnose einer Dermoidzyste.

Weiterer Verlauf

Binnen dreier Tage normalisierte sich der Harnabsatz, und die Katze wurde nach Hause entlassen. Die Besitzerin berichtete von einer stetigen Besserung des Allgemeinzustandes gegenüber der Zeit vor der Operation. Ab dem ersten Tag post-OP wurden bei der Katze nie wieder epileptische Anfälle beobachtet, die Antiepileptika wurden ausschleichend eingestellt.

Drei Monate postoperativ wurde eine Kontrollunter-suchung der nun beschwerdefreien Katze mittels CT und MRT durchgeführt: Im Bereich der resezierten Läsion fand sich eine flüssigkeitsgefüllte Zyste ohne Hinweis auf verbliebenes fettreiches Dermoidmaterial. Die kontralaterale Ventrikulomegalie hatte sich zurückgebildet, und auch die Verbindung der Läsion nach dorsal war im Ausmaß deutlich reduziert. Neu war eine Erweiterung des Cornu rostrale des rechten Lateralventrikels.

15 Monate später wurde die Katze aufgrund verminderten Allgemeinverhaltens, Abmagerung und Anorexie wieder vorstellig. Mittels klinischer und weiterführender Untersuchung konnten keine spezifischen Hinweise für eine Ursache des Verfalls gefunden werden. Im Kopf-CT wurden keine wesentlichen Änderungen gegenüber dem Befund der letzten Untersuchung festgestellt. Nachdem symptomatische Therapie und Umstellung des Futterregimes keine signifikante Besserung des Zustandes erzielten, entschied sich die Besitzerin acht Tage später zur Euthanasie des Tieres.

Diskussion

Unseres Wissens ist dies der erste beschriebene Fall einer primär intrakranial gelegenen Dermoidzyste bei einer Katze, welche mittels MRT diagnostiziert und anschließend operativ entfernt wurde. In der Literatur findet sich ein Fallbericht einer nasalen Dermoidzyste bei der Katze. Im Gegensatz zum vorliegenden Fall handelte es sich um ein juveniles Tier mit akut auftretender neurologischer Klinik. Während bei unserem Patienten die Zyste hauptsächlich intrakranial gelegen war, reichte dort nur ein kleiner Teil der nasalen Zyste durch die Lamina cribrosa in die große Schädelhöhle. Eine aufgetretene Epilepsie konnte trotz Resektion der Zyste nicht ohne medikamentöse Therapie unter Kontrolle gebracht werden. Ein weiterer Fallbericht beschreibt eine intrakraniale Dermoidzyste bei einer vier Monate alten Katze, welche aufgrund neurologischer Symptome euthanasiert wurde. Die Zyste lag bei diesem Tier ebenfalls im Bereich des Frontallappens.

Dermoidzysten enthalten Fett und weisen daher Bereiche hyperintensen Signals in T2- und T1-Sequenzen auf. Dies ermöglicht eine Unterscheidung zu Epidermoidzysten, welche keine Adnexe bilden. Der Signalreichtum in beiden Sequenzen kann auch bei Melanomen, fetthaltigen Tumoren (z. B. atypischen Meningeomen) oder Blutungen angetroffen werden. Weitere Charakteristika der Dermoidzyste sind eine ausgeprägte Heterogenität sowie fehlende Anreicherung von Kontrastmittel im Inneren und das Vorhandensein einer Kapsel. Die Kombination der Befunde erlaubte uns eine fundierte Verdachtsdiagnose und nachfolgend eine Abwägung von Risiko und Nutzen zugunsten einer chirurgischen Maßnahme.

Im Zuge des Eingriffs bekräftigte die ausschließlich nicht zusammenhängende, bröckelige Struktur des Inhalts die Primärdiagnose. Da sich die Kapsel ohne signifikante Blutung oder Substanzverlust an Nervengewebe ablösen ließ, konnte eine vollständigere Entfernung als durch Kürettage der Wandung erzielt werden.

In der Human- wie Veterinärmedizin wird der Verschluss der Kraniotomiewunde mittels Dural-Patches oder Knochenzement empfohlen. Dieses Vorgehen erschien uns aufgrund der hohen Infektionsgefahr als kontraindiziert, da Nasen- und Stirnhöhle immer mit Keimen besiedelt sind. Weil es dazu an unserer Klinik schon beste Erfahrungen aus der zerebralen Tumorchirurgie gab, entschieden wir uns zum alleinigen Verschluss von Haut und Unterhaut. Wenige Tage tropften daher geringe Mengen an Liquor durch die Nase ab, ohne dass sich daraus Probleme ergeben hätten. Da die klinischen Beschwerden – Epilepsie und Harnretention – mit dem ersten Tag post-OP verschwanden, ist der ätiologische Zusammenhang der Dermoidzyste mit der neurologischen Funktions-störung bewiesen. Bei der Kontrolluntersuchung nach drei bzw. 15 Monaten konnte nachgewiesen werden, dass sich kein Rezidiv gebildet hatte. Dieser Fall ist ein Beispiel, wie Magnetresonanztomographie bei vermuteter zerebraler Pathologie zu korrekter Diagnose und erfolgreicher Therapie verhelfen kann.

Literaturliste

Brady, S. et al. Nasal dermoid cyst with intracranial extension in a cat. Journal of Feline Medicine and Surgery Open Reports 2019

Chénier, S. et al. Intracranial teratoma and dermoid cyst in a kitten.
J Vet Diagn Invest 1998; 10: 381–384

MacKillop, E. Magnetic resonance imaging of intracranial malformations in dogs and cats. Vet Radiol Ultrasound 2011; 52: 42–51

Targett, M. P. et al. Magnetic resonance imaging of a medullary dermoid cyst with secondary hydrocephalus in a dog. Vet Radiol Ultrasound 1999; 40: 23–26