Beziehung Tierarzt und Tierhalter

Konfliktmanagement in der Tierarztpraxis

Bettina Kristof

Wer als Tierarzt erfolgreich sein will, benötigt nicht nur veterinärmedizinisches Fachwissen, sondern außerdem die sogenannten „Soft Skills“. Tierärzte, die über ausgeprägte persönliche, soziale und methodische Kompetenzen verfügen, haben es in der Kommunikation mit Tierhaltern leichter. Sie treten souverän auf, sind belastbar und gehen mit Einfühlungsvermögen und Fingerspitzengefühl mit schwierigen Menschen, Tieren und Situationen um.

Aber was genau macht eine gute Kommunikation zwischen Tierarzt und Tierhalter aus? Und wie kommuniziert man professionell, besonders bei schwierigen Themen? 

Wertvolle Tipps für den stimmigen Umgang mit Tierhaltern gibt Psychologe, Kommunikationsexperte und Persönlichkeitstrainer Mag. Sebastian Körper (www.sekoerber.com).

Wie formuliert der Tierarzt am besten eine Diagnose, sodass sie vom Tierhalter verstanden wird?

Die oberste Maxime ist Einfachheit und Klarheit. In der Kommunikation ist es wichtig, sich zu überlegen, was für eine Sprache das Gegenüber spricht. Denn es geht nicht darum, was man aussendet, sondern darum, was ankommt. Deswegen ist es gerade im medizinischen Umfeld wichtig, nicht zu viele Fachbegriffe zu verwenden. Wenn sie verwendet werden, sollte man sie sofort erklärend in einfache Worte übersetzen.

Wie geht man am besten mit emotionalen Themen um, etwa einer schweren Erkrankung des Tieres oder der Mitteilung, dass das Tier eingeschläfert werden muss?
Was nach meiner Erfahrung besonders gut wirkt, ist, negative emotionale Nachrichten einzuleiten. Das heißt, bevor ich die schwierige Nachricht kommuniziere, einen Satz darauf zu verwenden, dass ich jetzt etwas vielleicht Schmerzhaftes oder Schwieriges sagen werde. Dadurch kann sich das Gegenüber emotional vorbereiten und die Nachricht trifft den Menschen nicht so heftig. 

Wie fängt man den Tierhalter auf, wenn er traurig ist?
Ich denke, dass es die Pflicht des Tierarztes ist, behutsam zu informieren, aber auch ganz klar nicht, Psychologe zu sein. Der eine oder andere Tierarzt wird die soziale Kompetenz haben, darauf sehr gut zu reagieren. Wenn diese aber nicht vorhanden ist, ist es wichtiger, authentisch nachfolgende Regeln einzuhalten, anstatt Mitgefühl vorzuspielen. Der Mensch merkt das sofort und Authentizität wird mehr belohnt. Generell hilft es, Verständnis zu zeigen, ganz einfach den Satz zu sagen: „Ich sehe, Sie sind traurig.“ Oder: „Ich verstehe Ihren Schmerz.“ Das hilft schon einmal sehr stark. Dadurch fühlt sich der Tierhalter emotional verbunden. Mehr fällt meiner Meinung nach nicht mehr in den Tätigkeitsbereich des Tierarztes, sondern schon in den des Psychologen. Wenn der Tierarzt sieht, dass der Tierhalter besonders betroffen ist, kann er ihm Anlaufstationen nennen, bei denen er psychologische Unterstützung erhält. Allein das Interesse an der Verbesserung des psychologischen Zustandes des Tierhalters wird als sehr positiv empfunden. Dabei hilft es, sich Folder von verschiedenen Einrichtungen zu besorgen und diese in der eigenen Praxis aufzulegen. Menschen möchten sich an etwas Konkretem festhalten, wenn es ihnen schlecht geht. Da hilft schon ein Folder.

Manche Themen oder Reaktionen gehen dem Tierarzt selbst nahe. Wie geht man am besten mit seinen eigenen Emotionen um?
Da entwickelt jeder seine eigene Strategie. Vielen hilft es, ein Ritual zu benutzen. Das heißt, jedes Mal, wenn er oder sie die Praxis verlässt, etwas zu tun, das auch eine emotionale Grenze zwischen Berufs- und Arbeitsleben bedeutet. 

Deswegen empfehle ich auch ganz stark, Berufs- und ­Privatleben örtlich zu trennen, da es sonst auch sehr schwierig ist, emotional eine Grenze zu ziehen. Meine persönliche Strategie zur Distanzierung ist Sport und Natur. Viele Leute meinen, dass sie dafür keine Zeit haben. Ein Spruch meines Vaters lautet: „Du hast Zeit, wofür du dir Zeit nimmst.“ Und diese Zeit sollten Sie sich wirklich nehmen, denn wenn Sie sich nicht um sich selbst und Ihre Psychohygiene kümmern, ist das auf lange Frist schädlich für Sie, dadurch indirekt für Ihr Geschäft, dadurch indirekt für die Familie. Das heißt, alle verlieren. Kümmern Sie sich um Ihre Psyche. Kümmern Sie sich um Ihre Distanzierung. Dadurch kümmern Sie sich indirekt auch um Ihren Umkreis.

Wie reagiert man, wenn sich der Tierhalter über die Höhe des Honorars beschwert?
Das Wichtigste ist, ruhig zu bleiben. Aufgeregt werde ich nur, wenn ich mich bedroht fühle. Ganz wichtig ist die innere Überzeugung, dass die Höhe der Honorarnote gerechtfertigt ist. Im zweiten Schritt kann man Verständnis zeigen, meiner Meinung nach sollte man aber den Preis nicht reduzieren. Honorarnoten haben sehr viel mit Selbstwert zu tun. Bin ich mir sicher, dass meine Leistung dem Rechnungsbetrag entspricht, wird das mein Gegenüber auch spüren. Umgekehrt wird es mein Gegenüber aber auch merken, wenn ich selbst daran Zweifel habe. Deswegen empfehle ich ganz stark eine Auseinander­setzung mit sich selbst und dann ein überzeugtes und überzeugendes Auftreten.

Wie verhält man sich gegenüber Tierhaltern, die sich im Internet über medizinische Themen informieren und dann die tierärztliche Diagnose infrage stellen?
Ich kann mir vorstellen, dass das extrem nervig für Tierärzte ist. Ich kenne das aus der Psychologie. Jeder ist heutzutage schon Psychologe, weil man ja sehr viel darüber im Internet lesen kann. Wichtig ist es, dieses Genervtsein nicht zu zeigen und im besten Fall auch nicht zu fühlen. Wie geht das? Es gilt, dies innerlich als einen Ausdruck der Besorgnis über das geliebte Tier zu interpretieren und nicht als besserwisserisches Einmischen.

Wie gehe ich mit Beschwerden um?
Der Umgang mit Beschwerden gleicht dem Umgang mit Feedback sehr stark. Im ersten Impuls ist man immer versucht, eine Beschwerde abzuwerten, um seinen professionellen Selbstwert zu schützen. Man denkt sich: Die haben ja keine Ahnung! Jetzt gilt es, genau gegen seine Intuition zu handeln. Denn so funktionieren Selbstentwicklung und persönlicher Fortschritt. Das heißt, das Feedback oder die Beschwerde absolut ernst zu nehmen und sich im ersten Impuls auch zu fragen, ob vielleicht etwas Wahres dran ist. Sehr oft, wenn ich mich über etwas ärgere, gibt es einen wahren Kern in mir, gegen den ich mich wehre. Gehen Sie sofort dagegen, wird die Situation ziemlich sicher konflikthaft. Und aus konflikthaften Situationen, die nicht gut aufgelöst werden, gibt es sehr oft nur einen Gewinner und einen Verlierer und nicht zwei Gewinner. Wenn Sie hingegen das Feedback ernst nehmen, wird die Situation wahrscheinlich nicht eskalieren und Sie haben zusätzlich auch noch die Möglichkeit, davon zu profitieren. Genau das ist mein Spezialgebiet als Persönlichkeitstrainer. In meinen Seminaren lernen die Teilnehmer den Umgang mit schwierigen Persönlichkeiten, Leuten, die verbal an- und übergriffig werden. Vor allem der eigene Selbstwert ist ein zentrales Thema. Wie verkaufe ich mich? Wie glaube ich an mich (… und an meine Honorarnote)? Wie bleibe ich souverän, wenn ich unter Druck stehe? Durch das, was Sie in meinen Seminaren lernen und erleben, reagieren Sie anders unter Stress. Sie erkennen sich selbst nicht wieder –

Im Sinne einer erfolgreichen Praxisführung macht es also durchaus Sinn, nicht nur in fachspezifische Ausbildungen zu investieren, sondern auch an der eigenen Persönlichkeit zu arbeiten. Die dabei erlernten Tools helfen im Umgang mit schwierigen Menschen und Situationen. Das ist nicht zu unterschätzen, denn es ist leichter, einen bestehenden Kunden zu halten, als einen neuen zu gewinnen!

Buchtipp für den Tierarzt:

„Kommunikations-Skills: Erfolgreiche Gesprächsführung in der tierärztlichen Praxis“ von Guido Bentlage

Buchtipp für den Tierhalter:

„Abschied nehmen – Trauer um ein geliebtes Tier: 

Ein Begleit- und Praxisbuch“ von Eva Dempewolf