Mag. Silvia Stefan-Gromen
Ausgabe 10/2024
Eine neue Studie des Messerli Forschungsinstituts (MFI) der Veterinärmedizinischen Universität Wien untersuchte die aktuellen Entwicklungen rund um die Hospiz- und Palliativversorgung in der modernen Kleintiermedizin. Im Rahmen qualitativer Interviews mit Tierärzt*innen aus Österreich, Deutschland und der Schweiz, die sich auf die palliative Betreuung von Tieren am Lebensende spezialisiert haben bzw. diese explizit anbieten, wurden sowohl die Motivation als auch die zentralen Herausforderungen identifiziert.
Ausgangspunkt der Studie: Heimtiere sind für viele Menschen enge Wegbegleiter und tierische Familienmitglieder. Rückte bei einer schweren bzw. unheilbaren Krankheit von Hund oder Katze bislang oftmals die Option der Euthanasie schnell in den Vordergrund, zeigt sich gegenwärtig unter Tierhalter*innen eine wachsende Nachfrage nach einer Hospiz- und Palliativversorgung ihrer Gefährten. Die Palliativmedizin zielt darauf ab, Schmerzen und andere klinische Symptome zu lindern, um eine bestmögliche Lebensqualität zu erreichen – und zwar auch dann, wenn eine Heilung nicht mehr möglich ist. Eine zentrale Erkenntnis der Studie liegt im folgenden Satz: „Für mich ist die Tiermedizin nicht erledigt, wenn ich eine Diagnose habe, dass es unheilbar ist, sondern da geht es für mich erst los“ – diese Aussage spiegelt laut der Erstautorin Svenja Springer vom MFI eine weitverbreitete Einstellung unter den befragten Tierärzt*innen wider.
Die Studie zeigt, dass persönliche Erfahrungen mit eigenen Haustieren oder während der Ausbildung bzw. im Berufsleben wesentlicher Antrieb für eine Spezialisierung bzw. Fokussierung auf Palliativmedizin sind. Ein beispielhaftes Zitat einer Tierärztin lautet: „Wir haben alle gelernt − auch ich –, keine Geschichten daraus zu machen, loszulassen, vernünftig zu entscheiden. Und dann habe ich festgestellt, wie sehr ich unter der Euthanasie meiner eigenen Tiere gelitten habe.“
Die Studie zeigt, dass persönliche Erfahrungen mit eigenen Haustieren oder während der Ausbildung bzw. im Berufsleben wesentlicher Antrieb für eine Spezialisierung bzw. Fokussierung auf Palliativmedizin sind. Ein beispielhaftes Zitat einer Tierärztin lautet: „Wir haben alle gelernt − auch ich –, keine Geschichten daraus zu machen, loszulassen, vernünftig zu entscheiden. Und dann habe ich festgestellt, wie sehr ich unter der Euthanasie meiner eigenen Tiere gelitten habe.“
Das moralische Leitprinzip dieses „Begleitens“ kreist dabei vorwiegend um die Lebensqualität des individuellen Patiententiers: Solange diese ausreichend gegeben ist, sehen viele der Befragten eine Euthanasie als nicht notwendig an. Für die spezialisierten Tierärzt*innen ändere sich damit ein Stück weit ihr Selbstverständnis, so die Autor*innen der Studie: „Die zentrale Frage lautet in diesen Situationen nicht mehr ‚Wie können wir das Tier heilen?‘ sondern ‚Wie können wir das Tier bestmöglich begleiten und für dieses sorgen?‘“ Hierbei rücken notwendigerweise auch die Tierhalter*innen in den Blick, wie Svenja Springer näher ausführt: „Eine vertrauensvolle, empathische, aber zugleich professionelle Beziehung zwischen Tierärzt*innen und Tierhalter*innen ist das A und O. Vor allem erfordert eine gute Palliativversorgung aber eines: Zeit. Fast alle Befragten kommen immer wieder auf diesen Faktor zu sprechen und betonen, dass sie sich ausreichend Zeit für das Tier, aber auch für die Tierhalter*innen nehmen.“ In diesem Zusammenhang wird auch immer wieder Kritik am zunehmenden Zeitdruck im üblichen Praxisalltag in der tiermedizinischen Versorgung laut.
Ethische Fragen
Die Hospiz- und Palliativversorgung von Heimtieren stellt dabei „klassische“ Abwägungsfragen mit neuer Vehemenz: Ab wann ist die Lebensqualität nicht mehr ausreichend vorhanden, sodass schließlich aus Gründen der Leidvermeidung doch zu euthanasieren ist? Anders formuliert: Ab wann ist ein Leben nicht mehr „lebenswert“? Und wie kann hier innerhalb der „Trias der Veterinärmedizin“ zwischen Patiententier, Tierhalter*in und Tierärzt*in empathisch und doch fachlich basiert eine Entscheidung getroffen werden, die im mutmaßlich besten Interesse des Tiers ist? Daten dieser Studie zeigen, dass insbesondere die Palliativversorgung von Heimtieren sich dieser ethischen Fragen annimmt, bei der nicht das Heilen, sondern das Begleiten von Patiententieren und deren Halter*innen im Fokus steht.
Quelle:
Der Artikel „‚Veterinary medicine is not finished when I have diagnosed an incurable disease, that’s when it starts for me‘ – a qualitative interview study with small animal veterinarians on hospice and palliative care“ von Svenja Springer, Shannon Axiak Flammer und Christian Dürnberger erschien in „Frontiers in Veterinary Science“.
Frontiers | „‚Veterinary medicine is not finished when I have diagnosed an incurable disease, that’s when it starts for me‘ – a qualitative interview study with small animal veterinarians on hospice and palliative care“ (frontiersin.org)
Rückfragehinweis:
Dr. med. vet. Svenja Springer, PhD
Messerli Forschungsinstitut (MFI)
Veterinärmedizinische Universität Wien (Vetmeduni)
T: +43 664 602576249
Svenja.Springer@vetmeduni.ac.at