Augentumore –

Extraokuläre und intraokuläre Neoplasien

Dr. Hannes Meißel
Fachtierarzt für Kleintiere, ÖTK – Diplom Kleintieronkologie
Tierärzte Oberalm

Die Diagnostik sollte mit FNAB, Biopsien, Tonometrie, Ultraschall und CT frühzeitig erfolgen. Die empfehlenswerteste Möglichkeit danach ist eine frühzeitige chirurgische Intervention. Hier ein Überblick über unterschiedliche Tumorerkrankungen am Auge.

Klinisch unterscheiden wir zwischen extra- und intra­okulären Neoplasien, wobei neben den primären ­Tumoren nicht selten sekundäre als okuläre Metastasen anderer Primärlokalisationen oder Folge systemischer Krebs­erkrankungen (z. B. hämatopoietische Neoplasien) auftreten. Anatomisch angrenzende Tumore können sekundär durch Infiltration oder Einbruch in die Orbita negative Auswirkungen auf das Auge ausüben (z. B. Nasentumore: Fibrosarkom/Neurofibrosarkom/osteoblastisches Osteosarkom, oft vergesellschaftet mit ulzerativ-nekrotisierender und proliferativer Rhinitis). Während die okulären Tumore beim Hund vorwiegend benigne sind, müssen wir bei Katzen meist mit malignem Charakter rechnen.

Extraokuläre Tumore 

Tumore der Lider

Bei älteren Hunden finden wir häufig gutartige Lidrandtumore (meist Adenome der Meibomschen Drüsen oder Papillome), wo es durch die oft unpigmentierten höckrigen Wucherungen zu Irritationen der Hornhaut kommt.

Bei jungen Hunden finden wir virale Papillome (meist als multiple Warzen, auch in der Maulhöhle) oder gerötete, haarlose Histiozytome längs des Lidrandes.

UV-Licht-assoziierte Plattenepithelkarzinome der ­Katzen (Prädisposition: weiße Katzen) als krustig-ulzerative Veränderungen am Lidrand erscheinen zusätzlich häufig am Nasenspiegel, am Nasenrücken und an den Ohrrändern, sind maligne, wachsen primär lokal invasiv und metastasieren nur selten. Mastzelltumore der Katze als ­solitäre kutane Form im Periokularbereich einschließlich der ­Augenlider als häufige Primärlokalisation hat eine bessere Prognose als multiple oder systemische Formen; die beim Hund verwendete Gradeinteilung wird wegen geringer prognostischer Wertigkeit bei der Katze nicht durchgeführt. 

Oft ist die Abgrenzung gegenüber dem eosinophilen Granulomkomplex bei plaqueartigem Aussehen schwierig. Neben Basalzellkarzinomen, Adenomen, Adenokarzinomen, Fibromen und Fibrosarkomen findet man bei der Katze auch Hämangiosarkome, Neurofibrosarkome und Xanthome. Die bei Perserkatzen gelegentlich vorkommenden apokrinen Hydrozystome werden zur Gruppe der Talgdrüsenadenome gezählt (früher Retentionszysten).

Tumore der Konjunktiven

Plattenepithelkarzinome als isolierte konjunktivale ­Tumore sind selten; sie treten vor allem bei hellen, unpigmentierten Katzen, seltener bei Hunden auf. Konjunktivale Melanome, Hämangiome, maligne Hämangiosarkome sind ebenso selten wie Lipome, Histiozytome oder Lymphome.

Tumore der Nickhaut

Am häufigsten finden wir Adenokarzinome der Nickhautdrüse bei älteren Hunden und bei der Katze. Auch die anderen Tumore der Katze sind fast ausschließlich maligne: Plattenepithelkarzinome, Lymphome, Fibrosarkome. Bei den Hunden sind sie ebenfalls bösartig: maligne Melanome, Hämangiosarkome, Lymphome, Mastzelltumore und Plattenepithelkarzinome. Nur vereinzelt benigne ­Melanome, Hämangiome, Adenome oder Histiozytome.

Tumore des Tränenapparates

Ergänzend zu den bisher beschriebenen Tumoren finden wir Adenokarzinome anderer Tränendrüsen typisch am oberen Orbitalrand (je nach Ausmaß führen sie zu En- oder Exophthalmus) oder subpalpebral. Differenzialdiagnostisch kommen Abszesse, Mukozelen, Dermoide oder ein Prolaps von Fett infrage.

Tumore der Kornea und des Limbus

Diese Tumore sind bei Hund und Katze sehr selten: vereinzelt limbale Melanome beim Golden Retriever und Labrador Retriever und beim Deutschen Schäferhund.

Intraokuläre Tumore

Primäre intraokuläre Tumore werden zum Glück wegen ihres originären Wachstums im Bulbus von den lokalen Abwehrmechanismen nicht als Fremdkörper erkannt und wachsen langsam und relativ ruhig im Gegensatz zu den metastatischen intraokulären Neoplasien: Dem Tierbesitzer fallen die meist geringgradigen Symptome erst spät auf; Drucksteigerungen und Viruseinschränkungen werden erst im fortgeschrittenen Stadium erkannt.

Beim Hund und bei der Katze werden neben Adenomen und Adenomen des Ziliarkörpers melanozytäre Tumore am häufigsten diagnostiziert. Seltener sind Gliome, Leiomyome der Iris, primäre intraokuläre Osteosarkome oder histiozytäre Sarkome. Die intraokulären Tumore der Katzen sind meist maligne: Am häufigsten ist das posttraumatische Sarkom.

Intraokuläre Tumore beim Hund

Melanozytäre Neoplasien sind am häufigsten und entstammen fast immer der Iris und dem Strahlkörper; sie wachsen infiltrativ und zerstören den Bulbus. Sie verhalten sich überwiegend benigen, nur ein geringer Anteil ist maligen und zeigt Metastasenbildung.

Seltener werden chorioidale Melanome gesehen, die auch oder ausschließlich die posteriore Uvea befallen. Im Gegensatz zum Menschen wachsen sie langsam und zeigen erst im fortgeschrittenen bis Endstadium Metastasenbildung, infiltrieren jedoch je nach Lage in Sklera, Ziliarkörper oder Sehnerv. Die Tendenz zum bösartigen Verhalten nimmt in der Reihenfolge spindelzellig, gemischtzellig bis epitheloidzellig zu.

Ebenfalls häufig sind iridoziliare Adenome und Adenokarzinome, welche anfangs ebenfalls keine oder wenig klinische Symptomatik zeigen; sie werden erst sichtbar, wenn sie in die Pupillarebene eintreten oder in die Iris infiltrieren. Adenome mit ihrem endophytischen Wachstum wachsen in die Hinterkammer oder um die Linse herum und in den anterioren Glaskörper. Adenokarzinome dagegen wachsen exophytisch und infiltrieren die Irisbasis. Die häufigsten sekundären Veränderungen sind Uveitis, Hyphäma, (Sub-)Luxatio lentis, Synechien, fibrovaskuläre Membranbildung, Sekundärglaukome, Katarakte, Keratiden asteroide Hyalose und Ablatio retinae.

Medulloepitheliome sind benigne Tumore, die dem neuronalen Ektoderm entstammen. Sie sind nicht pigmentiert, haben ein weißlich-noduläres Aussehen und infiltrieren in die Pupillarebene oder Vorderkammer. Sie kommen v. a. beim Junghund vor. Die ebenfalls beim Junghund auftretenden Astrozytome sind Tumore des neuronalen Gewebes, insbesondere der Retina oder des N. opticus, und gleichen in ihrem Erscheinungsbild den Medulloepitheliomen. Maligne Histiozytäre Sarkome kommen v. a. beim Rottweiler und Retriever vor: Sie neigen zu Metastasierung und Infiltrierung.

Intraokuläre Tumore bei der Katze

Wegen des unterschiedlichen klinischen Erscheinungsbildes und des biologischen Verhaltens werden die häufigsten primären intraokulären Neoplasien als felines diffuses Irismelanom bezeichnet.

Im Frühstadium fallen dem Tierbesitzer unterschiedlich gefärbte Irisareale auf: Mit der Spaltlampe erfolgt die genauere Diagnostik: Diese nicht erhabenen Areale bezeichnet man als Naevi, sie können über Monate und Jahre hinweg unverändert bleiben. Erst eine Verdickung der Iris ist als klinisches Anzeichen einer möglichen Transformation der Naevi in einen melanozytären Tumor zu interpretieren. Dieser tritt in den meisten Fällen als diffuses Irismelanom auf, kann jedoch auch die klassische Form des intraokulären malignen Melanoms annehmen: Sie können pigmentiert oder amelanotisch sein. Tumor-infiltration des Kammerwinkels führt meist zu Sekundärglaukomen; die zum Hund verhältnismäßig häufigen Metastasen findet man in Leber und Lunge.

Bei den felinen intraokulären posttraumatischen Sarkomen hält man die Linsenepithelzellen als Ausgangsbasis der Tumorgenese nach Zerstörung der Linse. Die auslösenden Trauma können mehrere Jahre zurückliegen. Die Tumore bestehen meist aus anaplastischen Spindelzellen, aber auch primäre intraokuläre Osteosarkome oder Osteochondrosarkome werden beschrieben. Auch ossäre Metaplasien von Weichteilsarkomen sind möglich.

Sekundäre intraokuläre Tumore

Solide Metastasen mit Ursprung aus anderen Organen können gelegentlich Folge einer neoplastischen System-erkrankung sein (z. B. malignes Lymphom oder systemisches histiozytäres Sarkom beim Berner Sennenhund). Da diese Metastasen aber als Fremdgewebe angesehen werden, kommt es zu frühzeitigen und ausgeprägteren Sekundärerscheinungen: intraokuläre Blutungen, Uveitis, Sekundärglaukom und sichtbare Umfangsvermehrungen.

DIAGNOSTIK

Die Diagnostik soll frühzeitig mit FNAB, Biopsien, Tonometrie, Ultraschall und CT erfolgen. Erst die daraus gewonnenen Ergebnisse machen das richtige therapeutische Vorgehen nach genauer Besprechung mit dem Tierbesitzer möglich. Im Mittelpunkt sollte das Wohlbefinden des Tieres stehen, d. h., manchmal ist eine Enukleation die beste Lösung für ein anschließend schmerzfreies und problemloses Leben.

THERAPIE

Die häufigste Möglichkeit ist nach der Diagnostik eine frühzeitige chirurgische Intervention: Zuwarten ist fast immer eine falsche Entscheidung! Dies ermöglicht auch eine genauere pathologische Untersuchung des gesamten Tumors. Bei der Enukleation werden orbitale Strukturen belassen und mittels Nähten der Orbitalfaszie unter Einbeziehung der Muskulatur das Einsinken der Haut großteils verhindert: Es ergibt sich ein besseres optisches Bild. Diese Technik ist aber beim Vorliegen von tumorösen Prozessen in der Orbita kontraindiziert.

In diesen Fällen wird eine Exenteration bevorzugt: Hier wird die Orbita radikal von allen Weichteilen befreit.

Die Bulbus erhaltende Technik mit Einsetzen einer intraokulären Silikonprothese (bis zu einem Drittel Komplikationen) wird von mir abgelehnt. Für die Resektion der extraokulären Tumore stehen uns zahlreiche chirurgische Techniken zur Verfügung, wobei diverse einfache Methoden (Keilresektion) bis, je nach Größe und Lokalisation, kompliziertere Hautverschiebetechniken angewendet werden: Individuelle Anpassungen der Techniken sind hier gefordert; die verschiedensten Blepharoplastiken bis hin zur Nutzung des Lippenrandes zur Deckung des resezierten Defektes können zur Anwendung kommen.

Leider haben wir ergänzend mit einer Chemotherapie nur ganz beschränkte Möglichkeiten. Oft wäre eine adjuvante Strahlentherapie eine sinnvolle und lebensverlängernde Alternative: Kosten, Aufwand und ausschließliche Durchführung in Universitätskliniken begrenzen aber den Einsatz dieser sehr erfolgreichen Therapieform.

Bei wenigen Tumoren (z. B. Plattenepithelkarzinom) werden große Hoffnungen in die Fotodynamische Lichttherapie gesetzt: Nach lokaler Applikation von Fotosensitizer (z. B. 5-ALA) als Katalysator regt Rotlicht mit einer Wellen-länge von 630 nm die lichtinduzierte Radikal-bildung an. Erste Erfolg versprechende Ergebnisse aus der Humanmedizin liegen bereits vor. Mittels Diodenlaser können dunkle oder stark pigmentierte Tumore reseziert oder zum Schrumpfen gebracht werden; das Melanom wäre eine ideale Anwendungsmöglichkeit. Hier sind aber spezielle Kenntnisse erforderlich. Bei Lidrandtumoren wird die Kryotherapie in Form von Aufsprühen (Spray Freezing) oder Kontakt des Gewebes mit Metallapplikatoren (Contact Freezing) angewendet. Am Auge sind einige Vorsichtmaßnahmen unbedingt notwendig: Erfahrung ist hier ganz wichtig.

Maligne Lymphome können als systemische Erkrankung behandelt werden: Dafür vorgesehen sind unterschiedlichste Protokolle, z. B. COP-Protokoll mit Vincristin, Cyclophosphamid und Prednisolon oder CHOP-Protokoll (zusätzlich Doxorubicin) oder das Madison-Wisconsin-Protokoll (Vincristin, L-Asparaginase, Cyclophophamin, Doxorubicin und Prednisolon); außerdem existieren weitere noch umfangreichere Protokolle.

Quellenangabe

M. Kessler: Kleintieronkologie; 3.,vollständig überarbeitete Auflage, Enke Verlag 2013
C. Naranjo, R. Dubielzig: ESVO meeting Lisbon 2015: Ocular oncology
ECVO meeting 2016 Budapest
ECVO meeting 2018 Florenz