Catarina Pietschmann
Ausgabe 07-08/2024
Heidrun Gehlen und ihr Team arbeiten an einem Schnelltest, der Asthma bei Pferden erkennt.
Wenn sich die Lunge eines Pferds beim Atmen aufbläht, strömen 40 bis 55 Liter Luft hinein und wieder hinaus; im Ruhezustand acht bis 16 Mal pro Minute, bei einem Rennpferd unter Höchstbelastung sind es bis zu 150 Mal pro Minute. Das geschieht ausschließlich durch die Nüstern, denn Pferde können nicht durch das Maul atmen – kein Wunder, dass Atemwegserkrankungen die Leistungsfähigkeit der Tiere massiv beeinträchtigen. Typische Asthma-Anzeichen sind Husten, Nasenausfluss und in schweren Fällen auch Gewichtsverlust.
Zivilisationskrankheit beim Pferd
Laut einer Umfrage des Fachbereichs Veterinärmedizin der Freien Universität Berlin an deutschen Pferdekliniken leiden bis zu 90 Prozent der dortigen Patienten mit Atemwegserkrankungen unter Equinem Asthma – Pferdeasthma. Studien zufolge sind fast 80 Prozent aller Pferde auf der nördlichen Halbkugel von gering- bis mittelgradigem Asthma betroffen, weshalb Fachleute schon von einer Zivilisationskrankheit sprechen.
Wie die Krankheit genau entsteht, ist unklar. „Aber ganz sicher spielen Staubbelastung und Haltungsbedingungen eine Rolle, möglicherweise auch Schimmelpilzsporen“, sagt Lars Mundhenk, Privatdozent am Institut für Tierpathologie der Freien Universität. Die beste Intervention sei – neben der medikamentösen Therapie –, die Pferde an die frische Luft zu bringen und auf gute Heuqualität zu achten, um die Staubbelastung zu reduzieren. Asthma von einer Lungeninfektion unterscheiden zu können ist für die Therapie wichtig, denn bei Asthma ist Kortison das Mittel der Wahl, bei einer bakteriellen Infektion sind es meistens Antibiotika.
Ein Schnelltest, um Asthma zu erkennen
Je früher Asthma erkannt wird, desto besser für den weiteren Krankheitsverlauf. Asthma ist zwar nicht heilbar, frühzeitige Maßnahmen können aber irreversible Veränderungen vermeiden: Je fortgeschrittener die Erkrankung, desto stärker wird das Lungengewebe durch Umbauprozesse verändert, und das Atemvolumen schwindet immer weiter. „Doch gerade die milden Stadien zu entdecken ist diagnostisch eine Herausforderung, weil das Tier zu dieser Zeit noch kaum Symptome zeigt“, erklärt der Veterinärmediziner. Das könnte sich bald ändern, denn das Team um Professorin Heidrun Gehlen von der Pferdeklinik der Freien Universität, Florian Bartenschlager und Lars Mundhenk haben zusammen mit Fiona Dumke, Benno Kuropka, Chris Weise und Professor Achim Gruber Marker in der Lungenflüssigkeit der vierbeinigen Patienten gefunden, die einen Schnelltest, ähnlich dem Coronatest, ermöglichen könnten.
Bei Verdacht auf Asthma wird üblicherweise eine sogenannte broncho-alveoläre Lavage (BAL) vorgenommen. Dazu wird über einen Schlauch ein halber Liter Flüssigkeit in die Lunge eingebracht, wieder abgesaugt und unter dem Mikroskop untersucht. Ist keine Klinik in der Nähe, schicken Tierärzt*innen die Probe ein, was den Befund um Tage verzögern kann. Bei genauer Analyse dieser Lungenspülflüssigkeit entdeckten die Forschenden, dass bei allen asthmatischen Pferden die Menge bestimmter Proteine erhöht war.
Aktuell ist man für geeignetes Probenmaterial noch auf die Spülflüssigkeit angewiesen; die Erkrankung findet schließlich in den tiefen Atemwegen statt. „Wir wollen nun schauen, ob wir in den oberen Atemwegen, also Nüstern und Rachenraum, oder gar im Blut ebenfalls Marker finden, die für eine genaue Diagnose hilfreich sind“, so Mundhenk. Außerdem soll untersucht werden, ob sich anhand weiterer Parameter auch der Schweregrad der Erkrankung ablesen lässt.
Das Projekt startete 2020 mit einer Anschubfinanzierung von Universität und Fachbereich und wird seit 2023 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert. Auch die Investitionsbank Berlin ist mit ihrem Förderprogramm „ProValid“ in die Finanzierung eingestiegen.
Derzeit prüft das Team gemeinsam mit dem promovierten Molekularbiologen Zoltán Konthur von der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung die technische Machbarkeit des Schnelltests. Der bisher aussichtsreichste Marker-Kandidat wurde bereits zum Patent angemeldet.
„Die Entwicklung eines Produkts ist ein ungewohntes und spannendes Gebiet für uns“, betont Mundhenk. Die Forschenden erreichten mit dem Projekt 2022 den zweiten Platz der „Research to Market Challenge“ der Berliner Universitäten in der Kategorie Life Science & Health. Bald steht die Frage an: Gründen wir selbst eine Firma oder verkaufen wir Lizenzen? Bis es so weit ist, soll (auch mit Blick auf den Markt) die Forschung auf Katzen ausgedehnt werden, denn diese leiden ebenfalls häufig an Asthma. Auch für die Spezies Mensch wäre ein solcher Schnelltest hilfreich, was ebenfalls noch zu untersuchen wäre.
Dieser Artikel ist erstmals in der Tagesspiegel-Beilage der Freien Universität Berlin vom 18. Februar 2024 erschienen: https://www.fu-berlin.de/campusleben/anwenden/2024/240215-tsp-anwenden-pferdewissenschaft/index.html