Tanja Warter
Ausgabe 09/2024
Die Nase ist ein geheimnisvolles Organ, und die Welt der Düfte, wie unsere Tiere sie wahrnehmen, bleibt uns Menschen weitgehend verschlossen – Hunde haben Supernasen, aber auch für Katzen ist das Riechen bedeutsamer als früher vermutet.
Phylogenetisch betrachtet sind Geruch und Geschmack zusammen wahrscheinlich das älteste Sinnessystem: Als die Fische vor etwa 400 Millionen Jahren nach und nach auch das Land besiedelten, Beine und Lungen entwickelten, wurde die Fernwahrnehmung überlebenswichtig. Die Luft als Trägermedium für Duftmoleküle bot eine ideale Möglichkeit, über Kilometer hinweg Informationen zur Orientierung oder zur Warnung zu erhalten – die Lebewesen, die an Land kamen, entwickelten einen Sinn für das Riechen.
Im Lauf der Evolution passten sich die Sinnesleistungen tierartspezifisch an die jeweiligen Lebensbedingungen an. Heute ist die Riechleistung etwa eines Hundes so ausgeprägt, dass sie von Menschen in speziellen Einsatzbereichen genutzt wird: Hunde können Krankheiten wie Krebs oder Diabetes durch die Wahrnehmung bestimmter chemischer Verbindungen im Atem oder Schweiß des Menschen erschnüffeln, Polizeihunde sind darauf trainiert, Drogen, Sprengstoffe oder sogar vermisste Personen allein durch ihren Geruchssinn zu finden; Rettungshunde werden eingesetzt, um Verschüttete unter Trümmern oder Lawinen zu finden, indem sie deren Geruchsspuren folgen, selbst wenn diese unter vielen Metern Schnee oder Schutt begraben sind. Relativ neu ist die Nutzung von Hunden in der Biowissenschaft, wo sie trainiert werden, invasive Arten in der Natur sowie seltene Pflanzenarten zu erkennen oder Borkenkäferbefall in Wäldern frühzeitig anzuzeigen.
Um solche Höchstleistungen erbringen zu können, besitzen Hunde in ihrer Nase etwa 220 Millionen Riechzellen, während der Mensch im Vergleich dazu lediglich fünf bis sechs Millionen hat. Diese enorme Anzahl an Riechzellen ist in der stark gefalteten Nasenschleimhaut untergebracht, die es Hunden ermöglicht, eine extrem hohe Anzahl an Duftmolekülen aufzunehmen und zu verarbeiten. Sie sind in der Lage, Gerüche kontinuierlich zu analysieren. Die Duftstoffe gelangen, beim Schnüffeln durch Verwirbelungen zusätzlich verstärkt, zur Regio olfactoria; dort werden sie von der Schleimhaut absorbiert und diffundieren zu den mit Riechrezeptoren ausgestatteten Zilien. Die Riechzellen haben bei allen Tieren nur eine Lebensdauer von etwa vier Wochen – im adulten Nervensystem sind sie die einzigen Neuronen, die sich ständig erneuern, weil sie konstanter Belastung durch Staub, Viren und Bakterien ausgesetzt sind.
Katzen besitzen etwa 50 bis 80 Millionen Riechzellen, was sie ebenfalls zu sehr geruchsempfindlichen Tieren macht. Da sie anders als Hunde beziehungsweise Wölfe im Lauf der Evolution aber nie kilometerweit Beutetiere über das Erschnüffeln von Fährten verfolgt haben, reicht die Palette ihrer Möglichkeiten bei Weitem nicht an die der Hunde heran. Katzen sind heute stark spezialisiert auf Duftstoffe, die mit Sozialverhalten in Verbindung stehen – Gerüche beeinflussen ihr Verhalten, ihre Kommunikation und ihre Beziehungen zu Artgenossen stärker, als man es noch vor wenigen Jahren ahnte. Wenn Stubentiger einander nicht ausstehen können, wenn gekämpft wird oder Mobbing unter Katzen stattfindet oder wenn zwei bislang fremde Tiere vergesellschaftet werden sollen, spielen Düfte eine zentrale Rolle. Hier ein paar Tipps für eine Vergesellschaftung, die diesen oft vernachlässigten Sinn berücksichtigt:
1. Kennenlernen über Gerüche
Erste Wahrnehmung: Bevor Katzen einander physisch begegnen, nehmen sie sich über Gerüche wahr. Neue Gerüche können eine Stressquelle sein, da Katzen durch den Geruch erkennen, ob es sich um eine bekannte oder eine fremde Katze handelt. Deshalb ist es wichtig, den Geruch der neuen Katze langsam in die Umgebung der bestehenden Katze einzuführen.
Geruchsaustausch: Ein bewährter Schritt bei der Vergesellschaftung ist der Austausch von Gerüchen. Man kann dies tun, indem man Decken, Bettchen oder Spielzeuge der Katzen tauscht, sodass jede Katze den Geruch der anderen wahrnimmt, ohne dass sie sich direkt begegnen. Dies hilft den Katzen, den Geruch der anderen als weniger bedrohlich zu empfinden und ihn langsam zu akzeptieren.
2. Territoriale Bedeutung
Territorialverhalten: Katzen sind territoriale Tiere und der Geruch spielt eine Schlüsselrolle bei der Markierung ihres Reviers. Wenn eine neue Katze eingeführt wird, kann dies das Revier der bestehenden Katze bedrohen. Indem man den Geruch der neuen Katze allmählich einführt, können territoriale Konflikte reduziert werden. Es ist ratsam, der neuen Katze zuerst einen separaten Raum zu geben, damit beide Katzen Zeit haben, sich an die Anwesenheit des anderen Tiers zu gewöhnen, ohne sofort in direktem Kontakt zu stehen.
3. Reduzierung von Stress
Vertrauter Geruch für Wohlbefinden: Katzen fühlen sich durch vertraute Gerüche beruhigt – eine plötzliche Veränderung im Geruch der Umgebung, etwa der Geruch einer neuen Katze, kann Stress auslösen. Daher ist es wichtig, den neuen Geruch allmählich einzuführen, um Stress abzubauen.
Pheromone zur Unterstützung: In einigen Fällen können synthetische Pheromone eingesetzt werden, um die Katzen zu beruhigen und den Stress während der Vergesellschaftung zu reduzieren. Diese Pheromone simulieren die beruhigenden Duftstoffe, die Katzen selbst produzieren, und können helfen, die Akzeptanz der neuen Situation zu erleichtern.
4. Positive Verknüpfung
Geruch mit positiven Erlebnissen verbinden: Es ist hilfreich, den Geruch der anderen Katze mit positiven Erfahrungen zu verknüpfen – beispielsweise kann man die Katze füttern, während sie den Geruch der anderen Katze wahrnimmt, oder ihr Leckerlis geben, nachdem sie an einem Tuch gerochen hat, das nach der anderen Katze riecht. Dies hilft, den Geruch der anderen Katze mit etwas Angenehmem zu assoziieren.
5. Schrittweise Annäherung
Langsame Integration: Die schrittweise Annäherung über Gerüche ist der Schlüssel zu einer erfolgreichen Vergesellschaftung. Sobald die Katze den Geruch der anderen akzeptiert hat, dürfen sie einander auch das erste Mal sehen, am besten durch ein Gitter voneinander getrennt. Erst danach sollten sie sich physisch treffen, wobei man sicherstellt, dass jede Katze einen Rückzugsort hat.
Übrigens kann es nach einem längeren Aufenthalt beim Tierarzt passieren, dass Katzen den Gruppengeruch verlieren – Halterinnen und Halter sollten dann darauf vorbereitet sein, dass es nach der Rückkehr möglicherweise zu Konflikten kommen kann.