Mag. Dietmar Gerstner
2. Vizepräsident der ÖTK
Bald nach meiner Wahl in den Vorstand der ÖTK vor rund vier Jahren habe ich – als für Nutztierfragen Zuständiger – angeregt, innerhalb der Kammer ein Gremium einzurichten, welches sich auf Ebene der tierärztlichen Praktikerinnen und Praktiker mit fachspezifischen Themen im Bereich Wiederkäuermedizin beschäftigt, Lösungsvorschläge für anstehende Probleme und einschlägige Positionen der österreichischen Tierärzteschaft erarbeitet sowie den Kontakt zu anderen Institutionen, insbesondere der Veterinärmedizinischen Universität und den Tiergesundheitsdiensten, pflegt.
Alle Landesstellen der Kammer – mit Ausnahme Wiens – wurden damals eingeladen, je eine Vertreterin/einen Vertreter namhaft zu machen. Dies ist auch geschehen, und seither bilden eine Kollegin (Dr. Charlotte Klement aus dem Burgenland) und sieben Kollegen (Mag. Dietmar Gerstner, Salzburg, Mag. Bernd Hradecky, Tirol, VR Dr. Walter Obritzhauser, Steiermark, Dr. Josef Perner, Niederösterreich, Mag. Klaus Reichinger, Oberösterreich, Mag. Franz Josef Schantl, Kärnten, und Dr. Stefan Stöckler, Vorarlberg) ebendiese Arbeitsgruppe.
Die Idee war, außerhalb der gesetzlich normierten Gremien der Kammer (Vorstand, Delegiertenversammlung, Landesausschüsse), deren Zusammensetzung aufgrund der Wahlarithmetik nicht garantiert, dass auch nur wenigstens ein im Wiederkäuerbereich tätiger Praktiker vertreten ist, eine beratende Stimme für Entscheidungsfindungen zu schaffen. Darüber hinaus war es mir ein großes Anliegen, die regional doch sehr unterschiedlichen Strukturen der landwirtschaftlichen Betriebe (Berg-, Hügel-, Flachland) und die entsprechend unterschiedlichen Anforderungen an uns Praktikerinnen und Praktiker zu berücksichtigen. Dem Vorbild dieser Gruppe folgend, hat die Kammer etwas später auch eine „Arbeitsgruppe Schwein“ eingerichtet.
Unsere AG Wiederkäuer hat sich seither oftmals getroffen und zahlreiche Themen bearbeitet und diskutiert, beispielhaft seien – stichwortartig – angeführt: aktuelle Entwicklungen im Seuchengeschehen (IBR-Ausbruch, Bluetongue Disease, neuerdings Lumpy Skin Disease) einschließlich Erarbeitung von Vorschlägen zur Honorierung etwaiger (Impf-)Leistungen durch die Praktiker.
Im Zusammenhang mit den in jüngerer Zeit offenbar wieder vermehrt auftretenden Bedrohungen durch Tierseuchen haben wir uns auch intensiv mit der Frage der flächendeckenden Rund-um-die-Uhr-Notfallbereitschaft durch Tierärztinnen und Tierärzte befasst, die ja auch im Tiergesundheitsdienst, leider ohne Honorierung für diese unsere Leistung, vorgesehen ist. Überlegungen zur (Wieder-)Einführung von halbamtlichen Tierärzten („Seuchentierärzte“) mit entsprechenden Verpflichtungen, aber auch entsprechender Honorierung wurden bereits mehrfach mit Vertreterinnen und Vertretern der Veterinärbehörden diskutiert.
Treffen mit der Wiederkäuerklinik der Veterinärmedizinischen Universität (Prof. Wittek, Prof. Drillich), Überlegungen betreffend die Ausbildung der Studierenden im Nutztierbereich und die Frage, wie Nachwuchsprobleme im ländlichen Raum angegangen werden könnten.
Einsatz von Antibiotika in der Nutztiermedizin, insbesondere hinsichtlich der hochaktuellen, brennenden Resistenzfrage sowohl in der Human- als auch der Veterinärmedizin („Reserve-Antibiotika“), Dosierungsprobleme („Off Label Use“ – d. h. in der Praxis empirisch eingesetzte Dosen, die von der Fachinformation abweichen), allfällige TGD-Pflicht für oral zu verabreichende Antibiotika.
Verfügbarkeit von Tierarzneimitteln für Nutztiere, Probleme der Umwidmung, Therapienotstand bei kleinen Wiederkäuern (Schaf, Ziege), da die wenigsten Präparate für diese Tierarten zugelassen und daher auch mit Wartezeiten versehen sind. Übermittlung von Diagnosedaten durch die Tierärzteschaft („Gesundheitsmonitoring Rind“), Gegenleistung in Form der Bereitstellung der Rinder-Stammdaten, Überlegungen zur Einführung des „elektronischen Stallbuches“.
Tierärzte müssen Tierschutz klar vertretenEines der wesentlichsten Themen der vergangenen zwei Jahre war das vom Bundesministerium für Gesundheit und Frauen initiierte Projekt „Eingriffe bei Nutztieren“, an dem Mitglieder der ÖTK-Arbeitsgruppe Wiederkäuer in den Bereichen Kälber- und Ziegenenthornung maßgeblich mitgearbeitet haben. Im Zuge dieser Diskussionen wurde schnell klar, dass wir als Tierärzteschaft dringend gefordert sind, in diesem unserem ureigensten Aufgabengebiet und im Sinne eines zeitgemäßen Tierschutzes klar und unmissverständlich unsere Meinung und unsere Forderungen darzustellen. Auch diverse, nie offiziell, aber doch zwischen den Zeilen geäußerten Begehrlichkeiten hinsichtlich der Abgabemöglichkeit von Sedativa und Lokalanästhetika unterstrichen diese Notwendigkeit.
Das Resultat dieser Überlegungen ist das im Folgenden abgedruckte „Positionspapier zum Thema Kälberenthornung“, das in der Delegiertenversammlung der ÖTK vom 20. 5. 2016 einstimmig beschlossen wurde. Dieses Papier wurde in Fachkreisen (u. a. vom Institut für Tierhaltung und Tierschutz der VMU, vonseiten der Amtstierärzteschaft), vonseiten verschiedener Tierschutzorganisationen und einschlägiger Plattformen äußerst positiv aufgenommen und wir als Österreichische Tierärztekammer vielfach aufgefordert, auch zu anderen Themen in ähnlich klarer Form Stellung zu beziehen. In der Zwischenzeit wurde auch zu dem aus verschiedensten – u. a. wirtschaftlichen, aber auch fachlichen – Gründen schwierigeren Thema der Eingriffe beim Ferkel (Kastration, Schwanzkupieren) eine Position der ÖTK erarbeitet, über die noch zu berichten sein wird.