Antibiotika Resistenzen

Globale Forschungsagenda für eine traditionelle, komplementäre und integrative Gesundheitsversorgung (TCIH)

Mag. Silvia Stefan-Gromen

Internationale Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler präsentieren neue Ansätze zur Verringerung von Antibiotikaeinsatz und Resistenzen – im Einklang mit globalen Strategien der WHO.

Antibiotikaresistenzen stellen eine der größten Heraus­forderungen der modernen Medizin dar: Allein im Jahr 2021 waren weltweit 4,71 Millionen Todesfälle mit bakterieller Resistenz verbunden, rund 1,14 Millionen davon direkt darauf zurückzuführen1. Trotz zahlreicher inter­nationaler Strategien ist der global zunehmende Einsatz antimikrobieller Arzneimittel weiterhin ein drängendes Problem; in der Human- ebenso wie in der Tiermedizin.
Eine internationale Forschungsgruppe schlägt nun einen ergänzenden Weg ein: Die sogenannte „Global Traditional, Complementary, and Integrative Health­care (TCIH) Research Agenda on Antimicrobial Resistance“ wurde im Januar 2025 im Fachjournal „Antibiotics (Basel)“ veröffentlicht. Sie bietet komplementär­medizinische Strategien zur Bekämpfung von Antibiotikaresistenzen und knüpft dabei an bereits bestehende Forschungsagenden der WHO und anderer UN-Organisationen an2.

TCIH als ergänzende Strategie im One-Health-Kontext

Die neue Forschungsagenda ist Teil des Projekts ­„Global Initiative for Traditional Solutions to Antimicrobial Resistance“ („GIFTS-AMR“), das 17 Forschungseinrichtungen aus ebenso vielen Ländern vereint. Das Projekt folgt dem sogenannten One-Health-Ansatz, der die Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt als untrennbar miteinander verknüpft betrachtet.

Federführend bei der Agenda waren Prof. Dr. Erik Baars, Fakultät für Gesundheitswesen der Hochschule für Angewandte Wissenschaften, Leiden, Niederlande; Prof. Dr. Esther van der Werf, Medizinische Fakultät Univer­sität Bristol, Vereinigtes Königreich; Prof. Dr. Henrik Szöke, Leiter des Lehrstuhls für Komplementärmedizin, Fakultät für Gesundheitswissenschaften, Universität Pécs, Ungarn; sowie Tierärztin Dr. Petra Weiermayer, Department für Humanmedizin, Universität Witten/­Herdecke, Deutschland. Gemeinsam entwickelten sie eine globale TCIH-Forschungsagenda, die gezielt traditionelle, komplementär- und integrativmedizinische Heilmethoden (z. B. Phytotherapie, Traditionelle Chinesische Medizin oder Homöopathie) wissenschaftlich evaluiert und in die internationale AMR-Forschung einbindet.

Um ein Beispiel des gelungenen One-Health-­Ansatzes in diesem internationalen Forschungsprojekt zu nennen, seien zwei Themenbereiche erwähnt, die vom Forscher*innenteam als gleichwertig priorisiert angesehen werden: 
Untersuchung der (Kosten-)Wirksamkeit der viel­versprechendsten TCIH-Arzneimittel zur Symptom­kontrolle bei rezidivierenden Infektionen des Harntrakts.

  • Z. B.: Untersuchung der Wirksamkeit der Traditionellen Chinesischen Medizin im Vergleich zur konventionellen Standardbehandlung und/oder zu Placebo zur Vorbeugung von Harnwegsinfektionen bei Patienten mit einer Vorgeschichte von rezidivierenden Infektionen des Harntrakts.

Untersuchung der (Kosten-)Effizienz der vielversprechendsten TCIH-Arzneimittel bei unkomplizierten Durchfallerkrankungen und akuten Atemwegsinfektionen bei Tieren.

  • Z. B.: Untersuchung der Wirksamkeit von Homöopathie im Vergleich zu Placebo zur Vorbeugung von ETEC-bedingtem Absetzdurchfall bei Ferkeln.

Ergänzung bestehender globaler Forschungsagenden

Die TCIH-Forschungsagenda ergänzt 19 der 40 priorisierten Forschungsthemen der WHO-AMR-Agenda von 2023 und erweitert drei von fünf strategischen ­Säu­len der ­­WHO/FAO/UNEP/WOAH-AMR-Forschungs­agenda3, 4. Darüber hinaus bringt sie neue Perspektiven mit ein: Zwei zusätzliche Themenbereiche mit insgesamt sieben neuen Forschungsschwerpunkten wurden identifiziert.
Die Agenda wurde durch eine Kombination aus Um­fragen, Interviews und Konsensverfahren mit inter­nationalen Expert*innen entwickelt. Methodisch orientierte man sich an der sogenannten Nominal­gruppenmethode, die besonders geeignet ist, um ­Expertenwissen strukturiert zu erfassen1.

Fazit und Ausblick

Die Einbindung traditioneller, komplementär- und integrativmedizinischer Heilmethoden in die globale AMR-Forschung3, 4 ist mehr als ein Nischenansatz. Angesichts der wachsenden Belastung durch Antibiotikaresistenzen weltweit kann TCIH einen wertvollen Beitrag leisten: zur Senkung des Antibiotikaeinsatzes, zur Prävention und Behandlung von Infektionen sowie zur Stärkung der Resilienz von Menschen und Tieren. 

Referenzen

1 Global Burden of Bacterial Antimicrobial Resistance 1990-2021: A Systematic Analysis with Forecasts to 2050. Lancet. (2024). 404(10459):1199-226. Epub 20240916. doi: 10.1016/s0140-6736(24)01867-1. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/39299261/ 

2 Baars EW, Weiermayer P, Szöke HP, van der Werf ET; GIFTS-AMR Group. The Introduction of the Global Traditional, Complementary, and Integrative Healthcare (TCIH) Research Agenda on Antimicrobial Resistance and its added value to the WHO and the WHO/FAO/UNEP/WOAH 2023 Research Agendas on Antimicrobial Resistance. Antibiotics (Basel). 2025 Jan 17;14(1):102. doi: 10.3390/antibiotics14010102. PMID: 39858387; PMCID: PMC11762681. https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC11762681/#app1-antibiotics-14-00102 

3 World Health Organization: Global Research Agenda for Antimicrobial Resistance in Human Health. World Health Organization; Geneva, Switzerland: 2023. [(accessed on 14 January 2025)]. Available online: https://www.who.int/publications/m/item/global-research-agenda-for-antimicrobial-resistance-in-human-health 

4 World Health Organization. UNEP United Nations Environment Programme. World Organisation for Animal Health. A One Health Priority Research Agenda for Antimicrobial Resistance. World Health Organization; Geneva, Switzerland: 2023. https://www.who.int/publications/i/item/9789240075924